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Keine Liebe für Kritiker

Selbst im deutschen Teil dieser Kolumne kommen wir diese Woche nicht um das Thema herum, dass Kendrick Lamar nach fünf Jahren ein neues Album veröffentlicht hat. Jeder, der auch nur peripher etwas mit diesem Genre anfangen kann, redet über "Mr. Morale & The Big Steppers", und das ist auch gut so. Wann gab es schließlich das letzte Mal ein Release, das so viel Stoff zum Schwärmen und Diskutieren bot? In Deutschland wahrscheinlich noch nie.

Das wirft allerdings auch Fragen auf, wie die, die Kool Savas in einem kurzen Meinungsaustausch mit Jule Wasabi auf Twitter stellte. Auf ihre Frage, wo es denn bereits Besprechungen zu Kendricks fünften Langspieler gäbe, antwortete er ein wenig verärgert, er sei jedes Mal aufs Neue verblüfft, wie Kritiker nach so kurzer Zeit eine absolute Meinung zu einem Stück Kunst haben können, wo sie doch selbst keine Kunstschaffenden seien.

Mal ganz davon abgesehen, dass niemand sich die Chance entgehen lassen will, seinen/ihren eigenen Senf zu dem Diskurs zu geben, solange er noch relevant ist, und man auch aus monetären Gründen das Eisen schmieden sollte, solange es heiß ist, schwingt in dem Statement auch die oft an Kritikern geübte Kritik mit, dass ihre Meinungen ja ohnehin nicht wirklich valide seien, da sie, ohne die handwerklichen Hintergründe zu verstehen, die Kunst ja nicht wirklich wertschätzen könnten.

Ich sags, wie es ist: Ich kann höchstens drei Akkorde auf einer Gitarre klimpern und habe nur minimales Wissen über Musiktheorie und Songwriting-Prozesse, aber behaupte dennoch, dass sich meine Wahrnehmung nur rudimentär von der eines/einer Musikschaffenden unterscheidet. Ich gebe Savas insofern Recht, dass es aufgrund der musikalischen Komplexität und lyrischen Dichte nahezu unmöglich ist, ein Album wie dieses binnen weniger Tage vollends zu erfassen. Aber ich glaube nicht, dass einem die Tatsache, dass man selbst Texte schreibt oder produziert, bahnbrechende Einblicke gewährt, die die Rezeption von Grund auf verändern. Natürlich sollte man sich in dem Genre auskennen und mit dem Künstler/der Künstlerin vertraut sein, aber letzten Endes kommt es dann doch nur darauf an, ob einem ein Song gefällt oder eben nicht.

Klar achtet man vielleicht auf andere Dinge und kann gerade produktionstechnische Kniffe mehr wertschätzen, wenn man ihre Hintergründe kennt, aber am Ende bleibt die Wahrnehmung dennoch rein emotional. Eine objektive Analyse mag mit dem Hintergrundwissen und der Erfahrung einer/eines Kunstschaffenden leichter und fundierter ausfallen, aber darum geht es ja nicht. Objektive Kritik will niemand lesen. Natürlich würde ich wahrscheinlich mehr Respekt für Künstler wie Russ oder Logic aufbringen können, die nahezu alles an ihrer Musik selbst erledigen, aber das ändert halt dennoch nichts an dem Fakt, dass mir die Musik nicht gefällt.

Wenn ich jemandes Meinung zu diesem Album hören will, dann will ich nicht, dass er/sie mir aufzählt, wie komplex die Musiktheorie ist, die dem Ganzen zugrunde liegt. Ich will lesen, wie es dieser Person mit dem Album ergangen ist, welche Bilder es ihr ins Hirn setzt, welche Emotionen es auslöst. In ihren Worten, unabhängig von der objektiven Qualität des Ganzen. (Falls es sowas überhaupt gibt.) Je emotionaler und bildlicher, umso besser. Wenn ich so mehr über den Künstler, die Musikalität oder den Entstehungsprozess erfahre, schön, aber das sollte keine Grundvoraussetzung sein.

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5 Kommentare

  • Vor einem Jahr

    Savas soll mal nicht immer so butthurt sein. Seine „Kunst“ ist schon ewig Schrott.
    Musik ist halt a) Objektiv und b) Subjektiv. Genauso wie Kunst generell. Man kann natürlich rein objektiv bewerteten, aber ohne Subjektivität kann man Musik doch nicht ernsthaft beurteilen. Und wenn ich den Kram nach fünfmal nicht fühle, fühle ich ihn auch nach dem fünfzigsten Mal nicht. Deshalb absolute Zustimmung zum Kommentar.
    Am Ende muss sich ein Künstler doch auch immer an der eigenen Person und den geweckten Erwartungen messen lassen. Das Problem ist doch in der Regel, dass die Künstler vorher immer groß reden und dann aber nichts liefern. Schon deshalb, weil sie einfach nichts (mehr) zu erzählen haben.

  • Vor einem Jahr

    Savas sagt ja im Grunde dass man einen Song/ ein Album, als Nicht-Musiker nicht wirklich bewerten kann weil man ja die Arbeit dahinter nicht nachvollziehen kann. Was ja Quatsch ist, da Künstler X halt einen Song in 10 Minuten auf dem Klo basteln kann, während Künstler Y 2 Jahre braucht. Wenn jemand einen Motor repariert oder ein Klo anbaut, kann man vielleicht so argumentieren. Aber doch nicht bei Musik. Ausserdem ist diese Diskussion doch alleine auf dieser Seite schon 1000 mal geführt worden. Auch jemand der nicht selber kocht, kann doch bewerten ob das Essen scheisse schmeckt.

  • Vor einem Jahr

    Butthurt Yurderi, nur weil seine Mucke seit 10 Jahren kompletter Dreck ist.

  • Vor einem Jahr

    Naja, wenn diese „Kritik“ jetzt von Keemo gekommen wäre würde da jetzt bestimmt anders mit umgegangen.
    Savas halt ein dankbares Opfer.
    Als Scorsese sich über die Marvel Blockbuster ausgekotzt hat hab ich ernsthaft darüber nachgedacht.
    Tat dies später dann Emmerich dachte ich nur „ach komm halt die Fresse“

  • Vor einem Jahr

    Savas hat nach John Bello 2 nur noch Schmutz released (Märtyrer war auch noch ok).

    Wenn ich auf Arbeit in meinen 8 Stunden am Tag trotz viel Mühe keine Ergebnisse liefere, werde ich früher oder später auch entlassen.