laut.de-Kritik

Vom Charme einer englischen Grundschule.

Review von

2008 wagte Neil Halstead einen großen Schritt. Von der Ruhe seines Wohnorts, einem kleinen Küstenstädtchen in Cornwall am südwestlichen Zipfel Englands, begab er sich ins chaotische Los Angeles, um für Jack Johnsons Label Brushfire Records seinen Zweitling "Oh! Mighty Engine" aufzunehmen.

Eine Umgebung, die nicht zu Halstead passte - wie auch die Schlagzeugspuren auf mehreren Tracks. So hat er vorliegenden Drittling wieder in England eingespielt. Entstanden an einem Wochenende mit befreundeten Musikern im Musikraum einer Grundschule von Wallington südlich von London.

"Wir hatten uns überlegt, in ein Studio zu gehen, aber da ist immer alles ein bisschen zu steril. In der Schule sind wir die Stücke kurz durchgegangen und haben sie live aufgenommen, ohne sie groß zu üben. Das schwierigste war, sich nicht an den Instrumenten zu bedienen, die überall rumlagen und in jedes Lied eine Glockenspiel-Passage einzubauen", so Halstead.

Letzteres ist wirklich eine Überraschung, denn die Alben seiner Band Mojave 3 zeichnen sich gerade durch diese Verspieltheit aus. "Palindrome Hunches" besticht dagegen durch Einfachheit. Klavier, akustische Gitarren, dazu Hintergrundgesang, gelegentlich Kontrabass, Banjo und eine Geige. Und vor allem Halsteads hohe, angeraut unaufgeregte Stimme, die verträumt und melancholisch zum Zurücklehnen einlädt.

Er sei nach wie vor auf der Suche nach dem perfekten Song, erklärt Halstead. "Wittgenstein's Arm" ist einer der besten, die er bislang geschrieben hat, basierend auf die leider wahre Geschichte des Wiener Pianisten Paul Wittgenstein, Bruder des Philosophen Ludwig, der im ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verlor und im Laufe seines Lebens drei Brüder durch Selbstmord. Das Stück beginnt passenderweise mit einer Gitarre.

Doch der Grundton des Albums bleibt eher heiter, wenn auch nicht gerade fröhlich. Entspannt, wie schon der Opener "Digging Shelters" mit seinem Intro aus gezupfter Akustikgitarre und unaufgeregtem Bass. "Bad Drugs And Minor Chords" klingt trotz des Titels nach einem sonnigen Sonntagmorgen, "Spin The Bottle" besticht durch Geige und vokale Harmonien.

"Love Is A Beast" und "Full Moon Rising" sind klassische Halstead-Stücke, die von Aufbau und Melodieführung her aus jedem Album mit seiner Beteiligung stammen könnten. "Sandy" und "Hey Daydreamer" fallen vielleicht eine Spur zu gefällig aus, "Loose Change" sorgt mit seiner Sologitarre für einen gemächlichen Abschluss.

"Palindrome Hunches" kommt nicht ganz an Halsteads zeitloses Debüt "Sleeping On Roads" (2002) ran, aber passt wieder besser zu ihm als sein Ausflug in die USA. Und bewegt sich wie alle seine Werke auf einem hohen Niveau.

Nachdem er sich einige Jahre lang rar machte, ist nun wieder Action angesagt. 2011 und 2012 stand er mit Mojave 3 wieder auf der Bühne, ein neues gemeinsamen Album und gar eine Reunion seiner Urband Slowdive schließt er nicht aus. Im Dezember 2012 geht er mit vorliegendem Album aber erst mal auf Tour.

Trackliste

  1. 1. Digging Shelters
  2. 2. Bad Drugs And Minor Chords
  3. 3. Wittgenstein's Arm
  4. 4. Spin The Bottle
  5. 5. Tied To You
  6. 6. Love Is A Beast
  7. 7. Palindrome Hunches
  8. 8. Full Moon Rising
  9. 9. Sandy
  10. 10. Hey Daydreamer
  11. 11. Loose Change

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