Porträt

laut.de-Biographie

Nashi44

"Wo kommst du her?" Wie oft Nashi44 diese Frage gehört und wie oft ihr "Berlin" darauf ein "Nein, wo kommst du ursprünglich her?" nach sich gezogen haben mag ... man ahnt es, hört man den Zorn, der in ihrer rotzigen Replik mitschwingt: "Aus der Pussy meiner Mutti!"

Doubletime: Alles nix, oder, Xatar?
Doubletime Alles nix, oder, Xatar?
Der Ex-Boss erzählt von der Pleite. Retrogott auf Spurensuche. Shirin David im Fernsehen. Doja Cat in Rage. Was hat Hamburg König Boris angetan?
Alle News anzeigen

Das stimmt natürlich - genau so, wie schon "Berlin" gestimmt hätte: Nashi44 kommt in Neukölln zur Welt, wo sie auch aufwächst. Als Tochter eines deutschen Vaters und einer Mutter aus Vietnam lernt sie allerdings schon früh die Klischees kennen, mit denen sich asiatisch gelesene Menschen herumschlagen müssen. Als fleißig gelten sie, zielstrebig, gut in Mathe ... soweit noch die netteren Vorstellungen.

Zumindest die ersten beiden Punkte scheinen auf Nashi44 durchaus zuzutreffen: Ihren Traum von einer Bühnenkarriere verfolgt sie von klein auf. Schon mit drei oder vier Jahren hält sie ein Mic in der Hand, singt Karaoke. Später bekommt sie erst Gitarren-, dann Klavierunterricht.

Mit der Gitarre in der Hand absolviert sie erste kleinere Auftritte. Zu Schulzeiten gründet sie eine Band, der sie als Leadsängerin vorsteht. Die Formation spielt Blues und Rock, covert R'n'B und Hip Hop-Tracks. Jemand müsste rappen? Kein Problem für Nashi44, sie traut sich das zu.

Erst später kristallisiert sich heraus, dass die Gedichte, die sie schreibt, seit sie zehn oder elf Jahre alt ist, in Wirklichkeit Rap-Texte sind. Schon immer verarbeitet sie darin persönliche, teils auch traumatisierende Erfahrungen.

Ihre Leidenschaft, die Musik, zu ihrem Beruf zu machen: Dieses Ziel verfolgt Nashi44 äußerst konsequent. Über Monate hinweg bereitet sie sich vor, um einen Studienplatz für Pop- und Jazzgesang zu ergattern. Sie besucht eine Schule für Bühnenkunst, geht zu diversen Vorsingen, absolviert Aufnahmeprüfungen. Der Lohn der Mühen: Sie wird in Leipzig zum Studium zugelassen.

Was den nächsten Schritt in Richtung Profi-Sängerinnen-Dasein darstellen sollte, entpuppt sich aber ziemlich schnell als Enttäuschung. Das größte Problem benennt sie im Doku-Format "Germania": "Ich habe an der Hochschule Rassismus erfahren. In der Stadt hab' ich mich auch nicht wohlgefühlt."

Die aufkommende Corona-Pandemie verschärft den anti-asiatischen Rassismus noch. Zwei Jahre hält Nashi44 durch, dann kapituliert sie. Sie bricht ihr Studium ab und zieht zurück nach Berlin. Eigentlich will sie in ihren angestammten Kiez zurückkehren, doch es findet sich einfach keine bezahlbare Unterkunft in Neukölln.

Sie landet vorübergehend auf dem elterlichen Sofa, zum Dauerzustand taugt das mit sieben Personen in der Wohnung jedoch nicht. Also: Suchradius ausweiten. Zusammen mit ihrer neuen Bleibe findet Nashi44 in Lichtenberg gleich noch einen neuen Lebensmittelpunkt und ein neues Umfeld: "Mit FLINTA, BIPoCs und queeren Personen zusammenzuarbeiten, ist mir wichtig", betont sie. In Spokes Slomo Studio rennt sie mit dieser Haltung offene Türen ein.

"Du hast so viel Wut in dir", attestierte ihr einst ihre Gesangslehrerin. Dass sie das Ventil dafür im Rap finden könnte, hat sich schon während ihres Studiums gezeigt. Während alle anderen aus ihrem Jahrgang sich bei einer Übung auf Pop und Jazz verlegen, spittet Nashi sich ihren Frust mit "Aus der Pussy" von der Seele. Seitdem teilt sie immer wieder Rap-Tracks via Instagram. Was bei der Community auf Gegenliebe trifft, wird ausproduziert.

"Ich kannte nur Gangsta-Rap oder linken Rap", erklärt sie gegenüber dem Veto-Magazin. Dass es dazwischen noch etwas anderes geben könnte, zeigt ihr erst ihre Kollegin Ebow.

Eine Message zu transportieren, sei Nashi44 schon wichtig, betont sie. "Aber ich wollte immer, dass es Musik ist, wozu du abgehen kannst, unter der Dusche dazu singen, oder im Auto, zu der du tanzen kannst." Entsprechend verbindet sie ihn ihren eigenen Tracks Skills mit Haltung, knallharte Punchlines mit eingängigem R'n'B.

Im März 2022 legt Nashi44 - ihren Künstlerinnennamen empfindet sie übrigens nicht als Kunstfigur, "sondern das ist ein Teil von mir" - ihre Debüt-EP "Asia Box" vor. Das große Thema spiegelt sich schon im Titel: Hier möchte jemand mit anti-asiatischen Klischees aufräumen und sich die Deutungshoheit zurückholen.

"Es ist eine Gratwanderung", weiß Nashi44, "aber ich versuche es. Ich will ja niemanden retraumatisieren - inklusive mir selbst. Manchmal muss ich aber Dinge erstmal benennen und in die Wunde fühlen, um sie dann ändern zu können." So wehrt sich Nashi44 entschieden und lautstark gegen Herabwürdigung und Fetischisierung asiatisch gelesener Frauen. Dem Corona-befeuerten Rassismus knallt sie die Kampfansage "Virus In Der DNA" vor den Latz.

Empowerment lautet ihre Mission, ihren uniquen Mix nennt Nashi44 "Asian Berlin Pussy Consciousrap". Ihre erklärte Mission: Sie möchte ein Sprachrohr sein, denen eine Stimme verleihen, die in aller Regel nicht gehört werden. Damit steht Nashi44 wahrhaftig in allerbester Hip Hop-Tradition - und das alles "aus der Pussy meiner Mutti". Respekt.

News

Alben

Surftipps

Noch keine Kommentare