laut.de-Kritik

Extradick aufgetragen: Endgegner-Rap und schwülstige Balladen.

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In einer von Jahr zu Jahr diverser werdenden Hip Hop-Musiklandschaft wirkt ein Rapper wie NF im schlechtesten Sinne des Wortes wie ein anachronistisches Enigma. Wie der unfreiwillige Vorreiter einer Subkultur, die, während das Genre stets spannende neue Entwicklungen durchlebt, seit nahezu zehn Jahren für 'echten' Hip Hop in den Krieg zieht und so auf einem blamablen Niveau stagniert.

Um sich einen kurzen Einblick in diese Welt zu verschaffen, muss man nur kurz auf die Künstlerliste blicken, die Spotify auf NFs Profil als ähnlich vorschlägt. Nach dem rechten Troll-Rapper Tom Macdonald stolpert man über ausschließlich weiße Rapper, die alle gleich klingen, von denen man (bestenfalls) noch nie im Leben gehört hat, die aber trotzdem alle Streams in Millionenhöhe verbuchen.

Gleiches gilt auch für den Rapper aus Michigan. Sein Erfolg stellt diejenigen seiner Mitstreiter sogar noch in den Schatten, und dennoch fällt sein Name außerhalb dieser Bubble in keinem relevanten Genre-Diskurs. Wer nach Reviews dieses neuen Albums sucht, der stolpert bestenfalls über Berichte einer lokalen Radiostation oder einer christlichen Musikseite, die ihn selbstverständlich über den Klee loben.

Und es ist ja auch nicht schwierig nachzuvollziehen, weshalb Menschen an NFs Musik Gefallen finden. Der Mann trägt seine Emotionen nicht nur auf der Zunge, er hämmert sie seinen Hörer*innen buchstäblich mit dem Vorschlaghammer in den Frontallappen. Wer ein Sprachrohr für seine inneren Dämonen sucht, der muss lange suchen, bis er ein lauteres findet. Hinzu kommt, dass Nathan Feuerstein als bekennender Christ Werte vertritt, mit denen er gerade bei Leuten, die mit Hip Hop normalerweise weniger anfangen können, offene Türen einrennt.

Es gibt nahezu niemanden, der das nicht ernstzunehmende "0 % drugs, 0 % nudity, 0 % swearing 100 % real music"-Meme, so sehr personifiziert wie NF. Wirft man einen Blick auf den Namen seines Labels, könnte man zwar fast schon meinen, er sei sich dessen bewusst und würde es selbst ein wenig aufs Korn nehmen wollen. Aber nein, der Mann meint den Namen 'NF Real Music' tatsächlich todernst.

Diese Verbissenheit, dieses ungesunde Konkurrenzdenken, dieses ständige Ich-gegen-Euch bildet jedoch letztlich einen Hauptgrund, wieso seine Musik über die Jahre für einen Großteil der Szene irrelevant wurde. Niemand, der sich ernsthaft für Hip Hop interessiert, will 2023 noch jemandem dabei zuhören, der sich auf dem vierten Album in Folge längst überholte Feindbilder aus dem Arsch zieht, während man die eigenen (objektiv überlegenen) technischen Fähigkeiten nur darüber definiert, wie viele Silben man in einen Vers quetschen kann.

Zugegebenermaßen nahm diese Art des Von-oben-auf die Szene-herabschauens in den vergangenen Jahren in NFs Musik ein wenig ab´. Aber dennoch bleibt "Hope" ein Album, das weder dem Genre an sich und noch nicht einmal NFs eigenem Katalog irgendetwas Neues oder Interessantes hinzuzufügen hat. Vielmehr wiederholt der Rapper seine bekannten Schemata und füllt seine 16er weiterhin mit so vielen leeren Worthülsen wie er nur kann. Auf "Motto" spricht er es selbst am besten aus: "If it ain't broke, don't fix it, that's my motto".

Diese Rezeptur lässt sich im Grunde auf drei Blaupausen herunterbrechen. Entweder haut einem NF mehr Drones und cineastische Synths um die Ohren als in einem Marvel-Trailer und rappt mit so dick aufgetragenen Pathos, als wolle er in einem Mel Gibson-Film mitspielen ("Hope", "Pandemonium"). Oder er widmet sich seinen Hatern und berappt seinen Werdegang über zeitgemäße 808s ("Suffice", "Careful", "Turn My Back") - oder er singt sich über schwülstige Piano-Keys den Schmerz von der Seele ("Mama", "Gone", "Bullet", "Running", "Mistake").

Dieses Beharren auf den Erfolgsformeln heißt nicht automatisch, dass man jeden der dreizehn Songs von vorne herein in die Tonne kloppen kann. Mit Momenten wie dem emotionalen Tribut an seine verstorbene Mutter ("Mama") oder "Careful", wo sich NF vor einem gut aufgelegten Cordae nicht verstecken muss, sorgen hier und da für vereinzelte, positive Überraschungen.

Das Problem dieses Albums und NFs gesamter Artistik liegt allerdings darin, dass er, selbst wenn er die Gangart des Instrumentals wechselt, im Grunde trotzdem immer wieder denselben Song schreibt. Der klingt im besten Fall dann wie die oben erwähnten Beispiele und im schlimmsten Falle wie die furchtbar schmalzigen "Gone" oder "Running", denen inmitten der ganzen Theatralik ihre eigentliche Emotionalität völlig flöten geht.

Die Farbgebung des Covers gibt - wie bei allen vorherigen auch - die Marschrichtung vor, was einen erwartet. Es klingt trist, langweilig, steril und aufgesetzt düster. Obwohl er über weite Strecken darüber rappt, seine Dämonen besiegt zu haben und endlich glücklich zu sein, klingt Nathan Feuerstein auf "Hope" keine einzige Sekunde lang so, als schaue er in eine schönere Zukunft, geschweige denn, als habe er Spaß.

In NFs Welt ist laut gleichzusetzen mit emotional, im positiven wie im negativen Sinne. Anstelle uns Zuhörer*innen überhaupt dazu zu verleiten, uns mit dem von ihm gerappten Inhalt auseinanderzusetzen, schreibt er uns buchstäblich mit tonnenweise Pathos vor, welches Gefühl uns seine Songs gerade geben sollen. Noch treffender als der naheliegende Vergleich mit seinem Idol Eminem sind deshalb die Parallelen zu Musikern wie Imagine Dragons oder den Chainsmokers, die in ihrer Musik ebenfalls jegliche Subtilität schon im Keim ersticken.

Wo ein Rapper wie Eminem trotz rapide schwindender Qualität in seiner Musik nicht davor zurückschreckt, anzuecken, gibt sich NF konträr zu seinem edgy Image durch und durch weichgespült. In "Motto" prahlt er noch damit, keine Radiosongs machen zu müssen, und nicht mehr darauf angewiesen zu sein, Hits zu schreiben. Doch nur zwei Songs später liefert er mit "Happy" einen derart nichtssagenden und glatt gebügelten Popsong, wie ihn selbst Logic vor fünf Jahren nicht angefasst hätte.

Das soll nicht mal heißen, dass diese epische und cineastische Art einen Song zu instrumentieren nicht funktionieren kann. Nur besitzt NF, der einen Großteil seiner Songs selbst produziert, nicht das musikalische Feingespür, um solche Motive geschmackvoll umzusetzen, ohne dabei nicht wie der feuchte Traum eines Monster Energy-schlürfenden High Schoolers zu klingen.

Wer ein NF-Album kennt, kennt sie alle. Seit seinem Durchbruch mit "Let You Down" vor sechs Jahren liefert der Amerikaner immer noch genau die selbe Mischung aus extradick aufgetragenem Endgegner-Hip Hop und nicht minder dick aufgetragenen, vagen und schwülstigen Balladen, die ihn überhaupt erst an die Speerspitze dieser 'Hip Hop für Leute, die eigentlich keinen Hip Hop hören'-Fraktion katapultierte. Und auch, wenn man in dieser Sparte sicherlich Schlimmeres erwischen kann als dieses Album, liefert es erneut einen wunderbaren Beweis dafür, wieso sich zurecht niemand außerhalb dieser Bubble für diese Art von Musik interessiert.

Trackliste

  1. 1. Hope
  2. 2. Motto
  3. 3. Careful (Feat. Cordae)
  4. 4. Mama
  5. 5. Happy
  6. 6. Pandemonium
  7. 7. Suffice
  8. 8. Gone (feat. Julia Michaels)
  9. 9. Bullet
  10. 10. Turn My Back
  11. 11. Mistake
  12. 12. Let Em Pray
  13. 13. Running

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