laut.de-Kritik
Schmeckt im Rachen nach Plastik.
Review von Yannik GölzApathie. Pure, triste, nackte Apathie. Das ist alles, was Montez inzwischen bei mir auslöst. Will nicht heißen, mir wäre es egal. Mich überkommt immer noch Angst und Ekel, wenn ich auf der neuen Tracklist die Songtitel "Versöhnungssex", "Weinen" oder "Wir Tanzen Den Regen Weg" lese. Aber es ist nicht so, als könnte er mich nach "Liebe In Gefahr" und "Pass Auf Mein Herz Auf" noch schocken. Montez und ich haben inzwischen alles durch.
Pressetext, hilf uns. Was hebt diese neue EP von seiner bisherigen Sellout-Tour de France ab? "Auf sieben atmosphärischen Songs fängt der Künstler das Gefühl ein, das man nur an lauen Sommerabenden kennt – irgendwo zwischen Sonnenuntergang, Festivallichtern und diesem einen Song, den man nie wieder vergisst. Ob emotional oder tanzbar und treibend: Sommerregen klingt nach Freiheit, Herzklopfen und diesem einen unvergesslichen Konzertmoment."
Werbetexten ist so ein ulkiger Job, oder? Da steht also diese Sammlung an Songs auf Spotify, genauso wie die Kreuzworträtsel-Blöcke an der Kauflandkasse stehen. Und irgendjemand bezahlt dich dafür, diesen Gebrauchsgegenstand zu beschreiben, als hätte man dir gerade einen Gipfel der romantischen Literatur hingestellt. Unvergesslich ist aber doch ein besonders ulkiges Wort, um "Sommerregen" zu beschreiben. Dieses seriell zusammengeschraubte Stück Streaming-Filler ist ja an sich schon nicht viel, aber von allen Dingen, die es nicht ist, ist es am allerwenigsten "unvergesslich". Auch auf Release drei macht Montez die möglichst kalkulierte, seelenlose Seelout-Musik. Sie hat Swing wie eine Atomuhr und vertritt weiter militant das Genre NPC.
Der anhaltende Erfolg dieser Songs irritiert mich vor allem deswegen, weil bis auf Weiteres so wenig auf ihnen passiert. Auch die sieben Tracks hier sind musikalisch so skeletthaft und dürr. Wohlwollend könnte man das minimalistisch nennen, aber Minimalismus würde ja bedeuten, dass aus wenig Element viel Groove gezaubert würde, dass dafür jeder Sound die spannendstmögliche Textur innehat. Was Montez zum Beispiel auf "Überfall" begleitet klingt in etwa so, als würde man sich durch eine Bibliothek an urheberrechtsfreier Hintergrundmusik wühlen. Stellenweise scheint es so, als wolle man auf die gleiche Art das Stomp and Holler-Revival von Noah Kahan kanalisieren, wie es Zartmann sehr erfolgreich für "Tau Mich Auf" getan hat. Aber wie soll dieses Zeug bitte rustikal klingen, wenn jeder einzelne Sound im Rachen nach Plastik und Werkseinstellung schmeckt?
Dazu kommt, dass die EP graduell verkitschter und schwülstiger wird. "Weinen" klingt, als hätte man es in Schmalz eingerieben. "Wir Tanzen Den Regen Weg" (scheint diese Woche auch nicht gut zu klappen) finalisiert das Projekt, als ob jemand gefragt hätte: 'Diese Band, wie hießen die noch gleich, Imagine Dragons? Toll, wie die Sound für die Arena machen. Aber dieses ganze mit den Gitarren und wie laut das ist, das ist für unsere Hörer zu viel. Bügelt das noch einmal noch glatter bitte, danke'.
Soundmäßig geht hier also nichts außer den erprobtesten Formeln des Formatradio, heruntergekocht auf die absolut unaufwändigste Herstellung. Ist es also die Lyrik von Montez, die die Menschen so sehr an ihn bannt?
Sagen wir es so: Gute Lyrics malen Bilder. Manche zeichnen realistisch, manche zeichnen Cartoons. Montez zeichnet Bilder in Corporate Memphis. Ihr wisst schon, den Grafikstil, den eure Arbeitgeber in den Broschüren für die IT-Schulung verwenden. Alle vorkommenden Charakter, alle Probleme, alles Schöne, alles Schlechte wirken so schablonenhaft und undetailliert. Er scheint seine Fähigkeit als Texter voran daran festzumachen, dass er gute Reime schreiben kann - aber diese Versessenheit, nach Rap-Standards gut zu reimen, steht ihm schließlich doch nur im Weg, weil es ihn immer wieder dazu zwingt, die randomsten Begriffe oder Objekte in seine Szenen zu stellen. Seit du "weg bist" fallen die Tränen zum Beispiel auf den "Esstisch". Das ist nicht mal ein wirklich beeindruckender Reim oder eine gute Zeile, aber sie wird noch einmal von dieser völlig wahllosen Nennung eines absolut flavorlosen Details abgewertet. Warum der Esstisch? Mussten wir wissen, dass die Tränen auf den Esstisch fließen?
Wenn er mal versucht, von den absoluten Phrasen wegzugehen und wirklich Details zu verwenden, kommen Monstrositäten wie das hier heraus: "Sitzen stundenlang zusammen in einem alten Renault / und die Scheiben sind beschlagen vom Winter / Ich trag ein Veilchen, hab es mir auf so 'ner Party geholt, ja / ich hab mich grad' dran erinnert". Er trägt das so andächtig und intim vor, als hätte diese wahllose Aneinanderreihung von Informationen irgendeinen poetischen Mehrwert. Aber, wenn ja: Was wäre das? Da lobt man sich fast "Weinen", wo er erfasst, dass Männer auch weinen dürfen. Das stimmt und ist ein lobenswerter Vorstoß, hat im Jahre 2025 aber auch ein bisschen den Vibe von: 'just found out about sexism, damn, that shit sucks'.
"Sommerregen" von Montez ist ein Simulacrum von Kunst. Es imitiert hirnlos musikalisch und textliche Signale, die wir aus besserer Kunst irgendwie mit Gefühlen und Tiefgang assoziieren. Aber da ist nichts. Nichts. Aber mehr, als dass es fake ist, stört mich, wie offensichtlich es fake ist: Montez ist weder ein guter Performer noch ein guter Illusionist. Viel guter Pop der Gegenwart lebt davon, auch in schlichten Songs Affekt herbeizuzaubern. Aber die komplette Laufzeit seiner Karriere klingt dieser Mann von seinem eigenen Material gelangweilt. Er hat nicht einmal eine gute Stimme, wenn er dull und stumpfsinnig durch seine Rohbauten von Songs schmachtet. Ich frage mich also ehrlich: Wen erreicht das? Wer ist die Person, für die das der Garant eines unvergesslichen Festivals sein soll? Haben sie schon einmal irgendeinen anderen Song gehört? Bitte, kommt und schreibt uns - da draußen gibt es so viel Besseres zu entdecken!
4 Kommentare mit einer Antwort
Bin vor einigen Wochen an einem großen Plakat vorbeigefahren, auf dem Montez‘ ARENA-Tour beworben wurde… Der füllt Arenen? Wer hört denn das, dass der große Venues spielt? In die ZAG Arena in Hannover gehen, je nachdem, was für eine Bühne es ist, laut Wikipedia 12-14.000 Leute rein… Ohne Worte…
Montez ist mittlerweile der Inbegriff von Konsens-Musik. Der macht Lieder für Personen, die sich mit Musik nicht auseinandersetzen, sondern einfach nur etwas hören wollen, was leicht zu verstehen ist, in den Hörgewohnheiten nicht fordert und politisch wie moralisch möglichst neutral bis unbedenklich ist. Und solche Menschen stellen leider die Mehrheit.
Da werden keine Szene-Personen aufkreuzen, sondern eine Mischung aus BWL-Kathis, Jura-Simons (die sich die Kathis klären wollen) und auch ein paar Alt-Millenials, die Hip-Hop durch Will Smith entdeckt haben und bis heute nie weitergruben sowie ein paar Werners vom Bau, die ihn vom Radio kennen. Jau und wahrscheinlich ein paar Teenies, weil die werden von solcher Musik angezogen wie Fliegen zu Fäkalien.
Musik für den ersten Liebeskummer. Ist der erstmal überwunden, ist das Produkt "Montez" demontiert
Versöhnungssex. Skull emoji
schmeckt nach pisse