Porträt

laut.de-Biographie

Mick Hucknall

Rothaarigen sagt man viel nach. Sie sollen frech, impulsiv und stur sein. Mick Hucknall geht locker als Musterbeispiel für all diese Vorurteile durch. Stets publikumswirksam, schwankt er zwischen Eigenwille, Selbstherrlichkeit und Empfindsamkeit. Er ist Simply Red. Die Musik, mit der Hucknall seine prägnante und warme Stimme unterlegt, pendelt zwischen Soul und Pop, spielt gar mit Jazz oder House.

Mick Hucknall - American Soul
Mick Hucknall American Soul
Hinkt Bruce Springsteen 18 Jahre auf den Straßen von Philadelphia hinterher.
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Der Multimillionär mit Edelstein im Zahn kommt am 8. Juni 1960 in Manchester zur Welt. Gerade al drei Jahre alt muss Mick mit ansehen, wie Mutter Maureen die Familie in Richtung Dallas verlässt. Er soll sie nur noch ein einziges mal, kurz vor ihrem Tod, sehen. Die Erziehung übernimmt sein Vater Reg, von Beruf Friseur. Nach seinen ersten Jahren in Bredbury, wächst er im Arbeiterviertel Denton auf.

Nach dem Abschluss an der Highschool studiert Mick Kunstgeschichte an der Manchester Metropolitan University. Nebenher verdient er seinen Unterhalt als DJ. Vater Reg zeigt sich von den Flausen im Kopf des Sohns wenig begeistert, rät Mick zu einer Karriere als Meeresbiologe. Doch vier Punks unter der Fuchtel von Malcolm McLaren finden mehr Gehör.

Wie für Mark E. Smith (The Fall), Joy Division, The Smiths und die Buzzcocks soll der 4. Juni 1976 das Leben des jungen Hucknall schlagartig verändern. The Sex Pistols spielen ihren legendären Gig im Lesser Free Trade Hall in Manchester und ebenso wie die anderen fühlt sich Hucknall von diesem Auftritt inspiriert. Er gründet die Punk-Band The Frantic Elevators, mit denen er es in sieben Jahren auf immerhin vier Singles bringt. Mit "Holding Back The Years" findet sich darunter ein Song, der in einer überarbeiteten Version für Simply Red einer der ersten großen Hits wird.

Doch schon bald bleibt der Aufzug stecken. The Frantic Elevators trennen sich, und Hucknall gründet 1984 Simply Red. Deren Name bezieht sich ebenso auf Hucknalls lange roten Locken, wie auf seine linkspolitische Einstellung und seiner Liebe zum Fußballclub mit den roten Trikots: Manchester United. In den 1990er Jahren versuchte er sogar, ManU zu kaufen.

Bereits die erste Single, ein Cover des The Valentine Brothers-Track "Money's Too Tight (To Mention)", wird zum Erfolg. Der Punk der frühen Tage ist Vergangenheit. Simply Red spielen Blue Eyed Soul für die Eighthies. Für ihre Version des Harold Melvin and the Blue Notes-Klassikers "If You Don't Know Me By Now", erhält die Band einen Grammy.

Von Anfang an bildet der Sänger mit der angerauen Stimme den Mittelpunkt der Band. Sein Gesicht ziert die Albencover und mit der Zeit verschwinden die Bandmitglieder mehr und mehr aus den Videos. Schlussendlich verkommen sie zur Austauschware. Hucknall heuert und feuert seine Musiker nach Belieben und lässt keinen Zweifel aufkommen, wer die Hosen im Hause Simply Red anhat: "Simply Red waren nie eine Band, sondern immer ein Soloprojekt. Ich betrachte mich eher als einen Nachfolger Duke Ellingtons."

Die Liste an Mitmusikern toppen nur noch seine Frauengeschichten. Zu den bekanntesten Damen, die sein Händchen halten dürfen, zählen Martine McCutcheon, Catherine Zeta Jones, Helena Christensen und Steffi Graf. In einem Interview 2011 gesteht Hucknall seine Sexsucht ein: "Es gab wirklich Zeiten, in denen ich täglich mit drei Frauen geschlafen habe - und zwar jeden Tag. Es war ein realer Männertraum". Erst seine Frau Gabriella Wesberry und die Geburt seiner Tochter Romy True Hucknall lässt den Casanova umdenken. "Der Sinn des Menschen ist das Familienleben und die Verbesserung der Welt."

Um seiner englischen Heimat seine Liebe zum Reggae näher zu bringen, gründet Hucknall 1993 mit Steve Barrow, Bob Harding, Elliot Rashman und Andy Dodd das Plattenlabel "Blood And Fire". Hier gibt er Künstlern wie Horace Andy, Max Romeo und Inner Circle ein britisches Dach über dem Kopf. Diese Erfahrungen nutzt er, um seine eigenen Alben ab 2003 auf dem Label Simplyred.com zu veröffentlichen.

Im gleichen Jahr zeigt er Ambitionen, als Lord für die Labour Party ins britische Oberhaus einzuziehen und kritisiert die deutsche und französische Haltung zum Krieg im Irak. "Ich bin wütend auf sie, weil sie eine UN-Resolution unterzeichnet haben, die eindeutig sagte, das sei Saddams letzte Chance - und danach sagen: Doch Saddam, du hast noch eine Chance, war nur Spaß. Die deutsche und französische Haltung wird die westliche Welt so stark spalten, dass ich nicht weiß, was passieren wird. Die Einstellung Deutschlands und Frankreichs begünstigt die Möglichkeit eines Weltkriegs. Ich würde Saddam Hussein eigenhändig und mit größter Freude töten. Er ist ein abgrundtief böser Mann. Es gibt Momente im Leben, da muss man sich entscheiden und aufstehen."

Ende 2007 verkündet der Lockenkopf das Ende von Simply Red für 2010. Nach 25 Jahren soll es genug sein. Seine Platten will er nun unter eigenen Namen veröffentlichen. Im Oktober 2009 übernimmt er für eine Wohltätigkeitsveranstanstaltung das Mikrofon der wiedervereinigten Faces, die ohne den lustlosen Rod Stewart auskommen müssen. Aus einer einmaligen Sache entsteht eine Festivaltour, gefolgt von einer Welttournee im Jahr 2011 und einem Auftritt bei der Rock And Roll Hall Of Fame-Zeremonie.

Der erste Longplayer ohne Simply Red stellt eine Hommage an den Blues-Musiker Bobby "Blue" Bland dar und erscheint 2008 bereits vor dem offiziellen Ende von Simply Red unter dem Namen Hucknall. Erst sein zweites Soloalbum "American Soul", auf dem er Soul-Songs covert, ziert sein voller Name.

Für die einen scheint Mick Hucknall der Heiland zu sein, für die anderen ein überbewerteter Schmalzbarde. So beschreibt ihn der Spiegel etwa wie folgt: "Mick Hucknall ist ein begabter Langweiler, zu dessen Musik eine Menge Menschen gern tanzen, Auto fahren oder abwaschen – gehobenes Bacardi-Feeling für Kreditkartenbesitzer. Gebrauchsmusik für die zehn Minuten Gefühl, die sich schnelle, moderne Menschen zwischen Fitness-Studio und Sushi-Bar leisten".

Alben

Mick Hucknall - American Soul: Album-Cover
  • Leserwertung: 3 Punkt
  • Redaktionswertung: 1 Punkte

2012 American Soul

Kritik von Sven Kabelitz

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