Porträt

laut.de-Biographie

Maximo Park

2004 brütet man in Indie Rock-Kreisen rotbäckig über der Frage, wer zum Teufel die gottgleich gehandelten Franz Ferdinand als das Vorzeigemodell eines neuzeitlichen Rock'n'Roll-Hit-und-Tanz-Ensembles beerben könnte. Einige Nachfolge-Acts wie Bloc Party, The Killers und Razorlight lieferten in der Folge zwar bejubelte Debütalben ab, die Jungs um Alex Kapranos galten aber als die mit dem frischesten Deo ausgestatteten Erneuerer eines eigentlich muffigen Rock-Schemas.

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Alle erwähnten Bands eint jedoch - und mit ihnen auch Maximo Park - ihre vergleichsweise frühe Namensnennung im NME. Das britische Wochenmagazin, das sich dank seiner Hype-Geschichten um das Phänomen Retro-Rock in der öffentlichen Rezeption in den Rang alter Oasis/Blur-Fehden geschrieben hat, verfolgt selbstverständlich auch den ersten US-Auftritt des Newcastle-Fünfers auf dem "South By Southwest"-Festival in Austin, Texas.

Dort spielen im März 2005 neben Maximo Park und den alten Recken Fatboy Slim und Graham Coxon auch die aktuellen Blatt-Lieblinge Kaiser Chiefs und The Bravery, die im Frühjahr 2005 mit Maximo Park als mächtigste Rivalen von Franz Ferdinand gehandelt werden. "The british empire strikes back", jubeln die Schreiber angesichts der Brit-Invasion in Texas. Doch was steckt dahinter?

Fakt ist, dass die UK-Postille immer wieder für Lacher gut ist, so zum Beispiel bei der Beschreibung der Maximo Park-Single "Apply Some Pressure": Laut NME handelt es sich dabei um einen "zerfledderten Bums-Pop-Klassiker voll sexueller Neurose, vorgetragen von einem Sänger, der eine Überdosis Haarpomade intus hat".

Man könnte ihn auch einfach als unheimlich charmanten Popsong bezeichnen, der die Energie von The Jam mit der harmonischen Eckigkeit von Roxy Music zusammen bringt. Rezept: Energie plus Glamour. Das mit der Pomade auf Paul Smiths Haupt kann man aufgrund der Pressebilder wohl getrost unkommentiert lassen.

Maximo Park - Nature Always Wins
Maximo Park Nature Always Wins
Griffig-rastloser Indierock trifft auf feinste Lyrik.
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Mehr als Hofberichterstattung im NME dürfte beim geneigten Musikfan die Tatsache für Aufsehen sorgen, dass Paul Smiths Band ihr Debüt auf Warp Records veröffentlichen. Das Label von Steve Beckett ist zwar seit 1989 für elektronische Klangexperimente von Aphex Twin bis Nightmares On Wax weltberühmt. 1992 machte Beckett aber schon einmal eine Ausnahme, als er Pulp für sich entdeckte und ihre Singles "Babies", "O.U. (Gone Gone)" und "Razzmatazz" auf dem frisch gegründeten Warp-Sublabel Gift veröffentlichte (Zur Erinnerung: Warp steht für "Weird And Radical Projects").

Als Beckett 2003/04 die Maximo Park-Maxi "Graffiti" in die Finger fällt, erfreut er sich nicht nur am glänzenden roten Vinyl, sondern auch am Powersound der fünf Jungs aus Nordengland. Frontmann Paul Smith habe ihn etwas an Jarvis Cocker erinnert, hört man Beckett später über seine neuen Lieblinge sagen, und die Musik der Band - Duncan Lloyd (Gitarre), Lukas Wooler (Keys), Archis Tiku (Bass) und Tom English (Drums) - ein wenig an die Attitüde, mit der sich Pulp um 1992 dem Pop öffneten.

Smith präferiert Texte über das alltägliche, oftmals beschissene Leben in seiner Heimatstadt Newcastle mit all seinen Unwägbarkeiten. Die hohe Kunst der pointierten Poesie über die Tristheit des Alltags hat in Großbritannien Tradition und reicht über Pulp, Blur, Madness und die Pet Shop Boys bis zu den Kinks zurück. "Ich mag es, einfache und komplexe Elemente gegeneinander zu stellen und zuzusehen, wie sie miteinander wetteifern", äußert sich Smith zu seinen lyrischen Ambitionen knapp.

Die Songs seien allesamt abseits einer musikalischen Szene entstanden, in der kulturellen Isolation Newcastles. So ist denn auch das Debütalbum "A Certain Trigger" ein dynamisches Rockalbum mit haufenweise ungestümen Popmelodien und unglaublichem Akzent, was John Peel bereits 1979 an den Undertones schätzte. Mit einer Ladung Smiths-Melancholie im Anschlag begeistert auch das Folgealbum "Our Earthly Pleasures" (2007), das wiederum beste Kritiken einfährt.

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Maximo Park "Es gibt viele schlechte politische Songs"
Maximo Park über den Zustand der Welt und ihr neues Album "Risk To Exist".
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Nach der Veröffentlichung von "Quicken The Heart" (2009) und einer ausgedehnten Tour fühlen sich Maximo Park erschöpft. "Wir hatten jeden Tropfen Enthusiasmus und Energie gegeben", erzählt Smith im Interview. "Das Ende war eine große Erleichterung!" So will sich die Truppe eine Auszeit können und Soloprojekte vorantreiben. Smith veröffentlicht "Margins" und auch die anderen bleiben nicht tatenlos. Ob es je eine weitere MP-Platte geben wird? "Nur wenn sie gut genug wäre", so Smiths ehrgeizige Antwort.

2012 scheinen Maximo Park mit dem Ergebnis zufrieden zu sein: "The National Health" erscheint. Die große Indierock-Zeit ist zwar vorbei, doch Maximo Park passen noch immer – wohl weil sie von Anfang an ihr eigenes Ding durchziehen. Sie bedienen sich für die Platte am Pop, versuchen sich an elektronischeren Klängen, behalten dabei aber dennoch ihren typischen Sound und sind darauf verdammt stolz.

"Unsere Musik ist quasi einzigartig. Niemand hat die gleiche Kombination aus Romantik, Intimität und Aggression. Diese Melodien. Diese Komplexität und diese Einfachheit", so Duncan Lloyd. Paul Smith ergänzt: "Wir sind stärker, Maximo Park hoch zehn." Auch erklärt er: "Pop ist eine vergängliche Kulturform, ich möchte ihr etwas verleihen, das nachklingt." Er könnte Recht behalten.

Zwei Jahre später erscheint das fünfte Studioalbum "Too Much Information". Paul Smith erzählt im Interview mit dem NME, die Platte sei "launischer". "Ein Potpourri verschiedener Einflüsse." Man sei nun nicht mehr darauf aus, zu gefallen oder aufzufallen. Zudem brauen sie für ihr Album ihr eigenes Bier und verteilen es auf Festivals. Fanliebe pur!

Etwas weniger Rock, dafür mehr Hook-verliebten Gitarrenpop gibt es knapp eineinhalb Jahre später auf "Contradictions" von Paul Smith & The Intimations, dem zweiten Album des Solo-Projekts vom Frontmann. Unterstützung erhält er beispielsweise von Wendy Smith von der Band Prefab Sprout.

2017 herrschen schwierige Zeiten: Europa in der Krise, der Brexit ist besiegelt, die Arm-Reich-Schere weitet sich, die Populisten erobern die Welt. Da möchten Maximo Park nicht schweigen und veröffentlichten mit "Risk To Exist" ein politisches Album. Laut Smith haldelt die neue Platte von Empathie, Solidarität und werde zugleich vom Ärger gegen die elitäre britische Gesellschaftsordnung aufgeheizt.

Im gleichen Jahr wird Sänger Paul Vater einer Tochter und widmet ihr fortan seine Aufmerksamkeit. Das beflügelt ihn wiederum vier Jahre später zum äußerst persönlichen Album "Nature Always Wins", bei dem viele Songs von ihr inspiriert wurden und sie auf einem sogar zu hören ist. Philosophische Fragestellungen nach Anthropologie und Erziehung, aber auch Gesellschaftskritisches sind die weiteren Themen. Im Vorfeld verabschiedet sich Keyboarder Lukas Woller aus der Band und wandert nach Australien aus. Ersatz findet sich in Produzent und Songwriter Ben Allen (Animal Collective, Deerhunter).

Maximo Park stehen für rastlosen und spaßigen Indierock gepaart mit feinster Lyrik. Melancholie und Euphorie halten sich stets die Waage und zeugen von der hohen Qualität der Jungs aus Newcastle.

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Maximo Park - Risk To Exist: Album-Cover
  • Leserwertung: 2 Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2017 Risk To Exist

Kritik von Jens Balkenborg

Europa in der Krise: Da wollen auch Maximo Park nicht länger schweigen. (0 Kommentare)

Fotogalerien

Köln, Live Music Hall, 2017 Indiesport pur: Paul Smith und Kollegen live in der Domstadt.

Indiesport pur: Paul Smith und Kollegen live in der Domstadt., Köln, Live Music Hall,  2017 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Indiesport pur: Paul Smith und Kollegen live in der Domstadt., Köln, Live Music Hall,  2017 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Indiesport pur: Paul Smith und Kollegen live in der Domstadt., Köln, Live Music Hall,  2017 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Indiesport pur: Paul Smith und Kollegen live in der Domstadt., Köln, Live Music Hall,  2017 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof)

20 Jahre Intro Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form.

Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Hits, Hits, Hits: Paul Smith und Co. in alter Form., 20 Jahre Intro | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

Southside 2008 Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann.

Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen) Kurz vor ultimo zogen sie Zuschauer in ihren Bann., Southside 2008 | © laut.de (Fotograf: Björn Jansen)

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    Bitte bitte bitte bitte bitte, lass die Jungs ihren Charme nicht durch den ganzen elektronik-mist verloren haben... Ich hab sie so geliebt, diesen Charme und die Songs...
    Hoffentlich wird das Album Ende des Monats nicht genauso, wie die Teaser und Vorveröffentlichungen angekündigt haben:(