laut.de-Kritik

Ein Roundhouse-Kick in die Fresse des Zeitgeists.

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FFM brennt. Glaubt man Haftbefehl, tut es das zwar immer. Aber besonders jetzt erlebt das hessische Straßen-Rap-Mekka einen zweiten Frühling. Nicht nur, weil eben jener Haftbefehl zwei Alben in zwölf Monaten veröffentlicht, oder Celo & Abdi wieder in den Mietwagen steigen, auch im Untergrund rumort es ganz gewaltig. Für die Alteingesessenen bleibt also keine Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Besonders, wenn eine Rapperin wie Liz in den Schützengräben lauert und mit ihrem Debüt zum Roundhouse-Kick ansetzt.

Meine Fresse, hat diese Frau einen Hunger. Nicht nur, weil sie in den aggressivsten Momenten von "Bleibe Echt" droht, das Mikro kaputt zu schreien, auch ihre Flows sind von der ersten bis zur letzten Minute durchzogen von einer kompromisslosen In Die Fresse-Attitüde gegen die selbst ein Großteil ihrer männlichen Kollegen handzahm wirkt.

Der Vergleich zu Haftbefehl, seinen unorthodoxen Off Beat-Flows und seine Neigung, mit dem Beat in den Ring zu steigen, drängt sich auf Abrissbirnen wie "Reden" oder "Dynamit" fast schon unausweichlich auf. Aber Liz bringt haufenweise eigenes Charisma mit. Auch aufgrund ihrer alles vereinnahmenden prollig-rauen Stimme. Würde man beide auf einen Track packen, würden sie sich, da bin ich mir sicher, auf Augenhöhe begegnen.

Außerdem wird man der Frankfurterin ohnehin nicht gerecht, wenn man sie nur auf diese Parallelen reduziert. Denn "Bleibe Echt" bietet davon abgesehen auch reichlich Alleinstellungsmerkmale. Der Autotune-Flirt auf dem "Intro (Bleibe Echt)", die reduzierte Düsternis von "Kuzeng / Kuzine", waschechte Trap-Banger wie "Pico" oder die Ohrwurm-Hooks von "Liz Izzez" und "Bounce": Liz’ Debüt-Mixtape etabliert sie als versatile Straßenrapperin, die ihr Handwerk beherrscht und nicht davor zurückschreckt, hier und da mit der engstirnigen Tradition dieses (Sub-)Genres zu brechen.

Nicht zuletzt auch, weil sie sich gekonnt der genretypischen misogynen Sprache annimmt und den Spieß auf radikale Art umdreht. "Männer wollen Chef sein, doch wenn es drauf ankommt, sind ihre Hackfressen blutiger als Tampons", rappt sie auf "Mizgeburt". Egal, ob sie ihnen mit Anlauf das Gesicht zu Brei tritt, oder mit Chai-Gläsern nach ihnen wirft: Liz’ Emanzipation folgt den Regeln der Straße und damit einer ähnlichen Radikalität, die Künstlerinnen wie ihr in umgekehrter Form seit jeher in der Szene entgegenschlägt. "Rede leise man, was denkst du, wer du bist. Mach mir nicht auf Mann, sonst bist du bald meine Bitch", heißt es auf "Bounce" folgerichtig.

Liz’ Geschlecht spielt zurecht eine übergeordnete Rolle, ist aber keineswegs dessen Kerninhalt. Denn tief in seinem verdreckten Inneren bleibt dieses Mixtape der Straße, ihrem Alltag und ihrer Sprache treu. Das klingt auf Songs wie "Rücken" dann auch gerne mal so:"Steh vor dei'm Haus, hab die Kugel im Lauf / Und die Lichter geh’n aus / Deiner Frau geb’ ich Faust / Deine Kinder im Kofferraum, steigen nicht aus." Das ist so böse, da gehen einem fast die Superlative aus. Das ist eiskalte Räuber-Musik, wie sie im Buche steht. Oder wie Liz es selbst formuliert: "Ich mach' keinen Sound, den sie bei 36 Grad pumpen"

Auf andere Emotionen als Hass, Aggression, und ein fast schon mitleidiges Herabschauen, verzichtet Liz fast vollständig. In den dreißig Minuten dreht sich alles um Drogen, Gewalt und um das unbändige Selbstbewusstsein der Hauptdarstellerin. Selbst wenn sie die deprimierenden Abgründe des Straßenalltags berappt, verkneift sie sich jegliche Sentimentalität. Wenn sie in Nebensätzen von gescheiterten Existenzen und dem Leben zwischen "Zwiebeln und Brot" erzählt, dann tut sie das mit einer fast klinischen Distanz. Ihre Emotionen spart sie sich für die auf, die dafür Verantwortung tragen: "Du willst mit Bullen reden? Ich will sie anspucken!"

Richtig Nachdruck bekommt das auch durch die scheppernde Instrumentierung von etablierten Produzenten wie Goldfinger, Lucry oder FNSHRS. Zusammen zimmern sie Elf Bretter zwischen Skyline und Hinterhof, die Liz' tollwütige Energie mit unheilvoll boomenden 808s und gespenstischen Synthlines hervorragend komplettieren. Das erreicht nie die Exzentrik einer Bazzazian-Produktion, dafür sind die Beats doch zu sehr auf Kommerz gepolt, aber manchmal genügt es eben, wenn man gute Genrekost ansprechend serviert. Satt wird man davon ohnehin nicht so schnell.

Das Gesamtpaket ist ein durch die Bank weg gelungenes Tape ohne Fluff, das der populären Entwicklung des Deutschrap ähnlich radikal, wenn auch auf andere Art und Weise entgegen wirkt, wie es etwa ein Pashanim oder Symba in Berlin tun. ("Ihr tanzt auf TikTok und schieße euch die Beine weg") "Bleibe Echt" klingt nach Untergrund, nach Gosse, nach Wut, aber eben nicht klischeebehaftet oder altbacken. Diese Bombe von einem Debüt wird nicht nur in Frankfurt einen Krater hinterlassen, auf den man in ein paar Jahren als Erstkontakt mit einer Naturgewalt zurückblicken wird.

Trackliste

  1. 1. Intro (Bleibe Echt)
  2. 2. Kuzeng / Kuzine
  3. 3. Mizgeburt
  4. 4. Reden (feat. Ramo)
  5. 5. Liz Izzez
  6. 6. Rücken
  7. 7. Dynamit
  8. 8. Auf der Jagd
  9. 9. Bounce
  10. 10. Main
  11. 11. Pico

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