laut.de-Kritik

Zuckerguss macht Bauchweh.

Review von

Das Cover verrät ja schon alles: Auf babyblauem Hintergrund bastelte die finnische Food-Art-Künstlerin Ida Frosk ein kleines Frischkäse-Täubchen, das an herzförmigen Erdbeer-Luftballons hängt, mit denen es zwischen Teigbäumen abhebt. Der bitter liebliche Plattentitel dazu: "Are You Thinking Of Me Every Minute Of Every Day?".

Und ganz den oberflächlichen Erwartungen entsprechend, liefert das Sextett Lacrosse nach vierjähriger Pause ein hell strahlendes, zuckersüßes drittes Album. Leider sorgt die Extra-Portion Zuckerguss nicht selten für Bauchschmerzen.

Der Opener "Don't Be Scared" schürt zunächst Hoffnung. Im Laufe von über fünf Minuten bauen die Schweden einen hymnischen Spannungsbogen aus zurückhaltenden Rhythmen und dramatischen Streichern auf. Nina Wähä und Kristian Dahl hüllen die Gehörgänge im Refrain dazu mit klarem Chorgesang ein. Hier gelingt es ihnen noch, nicht in Kitsch-Pop abzudriften. Ein paar Songs später sieht das schon ganz anders aus.

Das darauf folgende überschwängliche "I Told You So (Didn't I?)", das unterstützt von Gitarre und Drums nach vorne treibt, weckt leise Erinnerungen an die alten Tage von Los Campesinos!. Einziges Problem: Die jugendliche Energie, mit der die Waliser damals durch solch recht schlichte Songgerüste rasten, fehlt Lacrosse.

Klar, die Band ist erwachsen geworden, einige Mitglieder sind bereits Eltern. Doch gereift klingen sie deswegen nicht unbedingt. Im Gegenteil: So süß die Vocals sein mögen, so belanglos wirkt auf Dauer die kindlich-unschuldige Darbietung.

"50% Of Your Love" hat anfangs noch das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Hier ziehen Lacrosse tempomäßig an, feuern mit pochenden Beats um sich und versinken im 80er Synthie-Pop, klingen dabei aber eher hysterisch als bezaubernd. Allerdings fehlt auch diesem Song das Herzblut. Allmählich gewinnt das Gefühl, das sich nach den ersten paar Titeln eingeschlichen hat, die Oberhand:

"Are You Thinking Of Me Every Minute Of Every Day?" entpuppt sich als Ansammlung lieblos ausgewählter Songs. Der rote Faden fehlt völlig. Die lyrische Ausarbeitung, ein fortschreitendes Auf- und Abzählen ("40, 35, 32, 30 percent of your love"), stützt die These.

Die Ballade "If Summer Ends" hingegen hat nicht mehr zu bieten als
elektronische Effekthascherei und eine neue Ladung pathetisch-banaler Lyrics: "Summer will end and we will both day / Someday, someday, someday, someday."

Eine weitere Zahlenreihe ("This year’s got 200 weeks and 40 something months / 19 seasons changing and some slow slow nights / I've been eating for two since you left here and I can tell you there's nothing left"), versetzt mit kitschigen Liebesbeteuerungen und unterlegt von Schlagzeug und wabernden Gitarren, ergibt nicht mehr als einen mittelmäßigen Song von Those Dancing Days ("Are You Thinking Of Me Every Minute Of Every Day?").

Der catchy Zweiminüter "Give You More" schlägt prinzipiell eine ähnliche Richtung ein. Der übersprudelnde Elektro-Pop mit Handclaps übermittelt aber endlich den lebensbejahenden Spaß, den man mit Lacrosse eigentlich haben könnte.

Auch "This Is Not A War, No Winners No Losers" zeigt verhaltenes Potenzial: Der Song beginnt reduziert auf der Akustik-Gitarre, steigert sich erst langsam zu einem ordentlichen Höhepunkt mit kräftigen Drum-Schlägen und erweckt am Ende fast den Eindruck, dass die sonst so freundlich lieblichen Schweden gerade das Studio auseinandernehmen. Fast.

Stören kann man sich an "Are You Thinking Of Me Every Minute Of Every Day?" nur sehr begrenzt. Das hängt aber vermutlich damit zusammen, dass man sich am Ende der Platte kaum an einen der Songs erinnert. Denn all die Lieblichkeit, Hyperaktivität und elektronische Spielerei können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier auf ganzer Linie an Inspiration, Zielgerichtetheit, vor allem aber an Ecken und Kanten fehlt.

Trackliste

  1. 1. Don't Be Scared
  2. 2. I Told You So (Didn't I?)
  3. 3. I Need Your Heart / I Need Your Soul
  4. 4. 50% Of Your Love
  5. 5. If Summer Ends
  6. 6. Are You Thinking Of Me Every Minute Of Every Day?
  7. 7. Give You More
  8. 8. The Key
  9. 9. This Is Not A War, No Winners No Losers
  10. 10. Easter Island

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    Die fand ich ja noch nie berauschend. So ein, zwei Songs von denen hab' ich mir gern mal angehört, wenn ich was übertrieben Süß-Kuscheliges brauchte, aber länger hab' ich die noch nie ertragen.
    Rezension und "Are You Thinking" (der Song) bestätigen das abermals, und auf den ersten Blick klingen die wohl noch etwas langweiliger als sonst schon immer, selbst wenn sie diesmal ein paar elektronische Spielereien eingebaut haben. Werd' mir das Album als Ganzes ersparen.