Porträt

laut.de-Biographie

Kitana

Noch nicht einmal zwei Jahre kursiert der Name Kitana in der deutschsprachigen Hip Hop-Szene, als die österreichisch-bosnische Rapperin im Herbst 2022 ihr Debütalbum "Lorbeeren" veröffentlicht. Mit einer Newcomerin haben wir es dennoch nicht zu tun, obwohl sie bei den hiphop.de-Awards in der Kategorie für Frischlinge nominiert wird.

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Tatsächlich ist Kitana, wie ihre ausgefeilten Rapskills und ihre geschliffenen Formulierungen ahnen lassen, schon seit einer ganzen Weile dabei. Allerdings führt sie zunächst andere Namen, unter denen sie zum Beispiel mehrfach beim VBT antritt.

Zur Welt kommt Kitana 1996 in Villach. Hierhin flohen ihre Eltern in den frühen 90er Jahren vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien, hier wächst sie zusammen mit ihren beiden älteren Schwestern auf. "Eine richtige Balkan-Familie", beschreibt sie es gegenüber der Wiener Zeitung. In musikalischer Hinsicht bedeutet das: Zu Hause läuft Balkan-Folk, rauf und runter.

Die Musik aus dem Herkunftsland bleibt jedoch nicht der einzige Einfluss: Die Geschwister, besonders aber MTV bringen Kitana deutschsprachigen Rap nahe. "Ich war nie so auf dem Ami-Film", erinnert sie sich im Backspin-Podcast. "Ich war eher so auf dem Aggro Berlin-Sido-Film." Bushido, Fler und eben Sido liefern die Inspiration, selbst zum Mic zu greifen. "Ich wollte unbedingt so sein wie sie."

Aus den Gedichten, die Kitana schreibt, seit sie zwölf Jahre alt ist, werden Rap-Lyrics. "Es war schon damals ein bisschen wie 'Lorbeeren'", erzählt sie im Interview mit The Message, "düster, melancholisch mit bildlicher Sprache und vielen Metaphern. Ich habe versucht, meine Emotionen auf Papier zu bringen - das war das erste Ventil."

Den Traum von einer Karriere als Rapperin verfolgt Kitana mit geradezu gruseliger Konsequenz. Obwohl die Familie nicht viel Geld hat, unterstützen die Eltern ihre Tochter. Die finanzielle Belohnung für ein gutes Schulzeugnis, die sie ihr zukommen lassen, investiert die Teenagerin in Aufnahmeequipment. In ihrem so eingerichteten kleinen Homestudio entstehen erste Aufnahmen, die via SoundCloud den Weg in die Öffentlichkeit finden.

Das Talent bleibt nicht lange unentdeckt: Ortsansässige Musiker entdecken die junge Kollegin und nehmen sie unter ihre Fittiche. Sie saugt begierig alles auf, das ihr weiterhelfen könnte, macht sich schlau über Vertriebswege, Verwertungsgesellschaften, knüpft Kontakte, legt auch ihre ursprüngliche Aversion gegen Tools wie Autotune nach und nach ab. Relativ schnell wird ihr klar: Für eine Albumproduktion braucht sie in erster Linie Geld.

Da sie für illusorisch hält, einen Plattenvertrag an Land zu ziehen, setzt Kitana alles auf eine Karte. Sie schmeißt den bequemen Bürojob in Villach, den sie sich schon kurz vor dem Abitur organisiert hatte, und nimmt das Angebot einer Investment-Banking-Firma an und zieht nach Wien. Ihre neuen Arbeitgeber sehen in ihrer Zielstrebigkeit und dem unbedingten Willen, es zu schaffen, offenbar geeignetere Voraussetzungen als in einer entsprechenden Berufsausbildung, und liegen richtig:

Die junge Quereinsteigerin macht rasant Karriere - und eine Menge Geld. Zwei Jahre lang arbeitet sie im Finanzgeschäft, schuftet 70 bis 80 Stunden die Woche und streicht dicke Boni ein. Das beschert Kitana zwar ein gut gefülltes Bankkonto, allein: Fürs Musikmachen bleibt kaum noch Zeit. Zwar schreibt sie hin und wieder Songs für andere Musiker*innen, hauptsächlich für den Balkan-Markt. Hier kann sie gleichermaßen ihre Sprachbegabung wie ihr Faible für Schlager ausleben. Den empfindet sie als gar nicht so weit entfernt von Hip Hop, wie sie gegenüber The Message erklärt:

"Du schreibst auch viel auf Toplines und die Tracks leben stark von Melodien. Beim Schlager sind es relativ kurze Parts, es braucht eine catchy Hook und catchy Parts. Von der Sprache ist es natürlich schmierig und schnulzig, es geht auch immer ums selbe Thema, die Liebe, man hat weniger Spielraum als im Rap."

Als Ghostwriterin im Schatten zu stehen, befriedigt sie auf Dauer allerdings genau so wenig wie der lukrative Job in der Wirtschaft: "... und dann kam auf einmal der Labeldeal, mit dem ich nicht gerechnet hätte." Beim Wiener Universal-Sublabel Mom I Made It wittern sie Potenzial.

2021 startet sie unter dem Namen Kitana durch. Mit Freestyles über klassische Ami-Beats tritt sie ins Rampenlicht. Über Klassiker-Instrumentals von Big L, Mobb Deep oder D.I.T.C. spittet sie mit ihrer markanten Stimme versiert ihre Reime, gespickt mit knallharten Punchlines. Die erste Single, die auf ein anstehendes eigenes Album hinweist, trägt sinnig ihren Namen: "Kitana".

Es folgt "Grau", auf dem sie im Nebensatz unaufgeregt ihre Homosexualität thematisiert: "Ich war vollkommen entspannt und habe mir null Gedanken darüber gemacht, ob ich es so sagen kann oder ob es jemanden stört, dass ich eine Freundin habe und homosexuell bin. Es war mir völlig egal."

Alles andere als egal dagegen sind ihr die Themen, die sie auf "Lorbeeren" behandelt. Kitana gräbt tief in ihrer Familien- und Lebensgeschichte. Sie teilt über düsteren Beats Flucht- und Ausgrenzungserfahrungen, rekapituliert ihre eigene Drogenvergangenheit, berichtet von ihrer Hassliebe zu Wien und ihrer ersten Zeit dort, die sie rückblickend "Höllenjahre" nennt, von falschen Freunden und anderen Krisen.

Zorn und während der Corona-Pandemie aufgestauter Frust finden endlich einen Kanal. Dabei fixiert sich Kitana aber nicht nur auf Inhalte, sondern auch auf Technik. Man merkt in jeder Line, dass sie zeigen will, was sie draufhat: eine ganze Menge, nämlich. Ihre Hauptmotivation allerdings ist noch dieselbe wie seinerzeit, als sie als kleines Mädchen Rap für sich entdeckte:

"Ich kann mich gut erinnern, warum ich damals begonnen habe, Hip Hop zu hören", erzählt sie dem Kurier. "Ich hatte so viel körperliche Wut in mir, gleichzeitig war da ein tiefer Schmerz … Plötzlich hab ich Songs von Sido gehört, 'Strassenjunge' oder 'Herz', und mich verstanden gefühlt. Sie haben mir Trost gespendet und mich auf einen guten Weg gebracht. Dasselbe will ich auch bewirken."

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