laut.de-Kritik
"Für manche ist es asozial, für andere ist es Kunst."
Review von Florian PekingDie 187 Strassenbande sorgt derzeit für ordentlichen Wirbel im Deutschrap-Zirkus. Nach ihrem Sampler und dem Obststand von LX & Maxwell erscheint mit Gzuz' Solodebüt dieses Jahr bereits die dritte Platte aus dem Hause der Hamburger. Nach jahrelanger Ebbe im Portemonnaie scheint nun die Zeit der Flut für die 187er angebrochen zu sein. Mit "Ebbe & Flut" setzt Gzuz hinter die erkämpfte Vormachtstellung seiner Gang im deutschen Rap ein dickes Ausrufezeichen.
Hungrig wie eh und je rappt sich der Ex-Knacki durch die 15 Songs. Gzuz bedient sich zwar der relativ einseitigen Themenpalette des Straßenraps, verleiht dieser aber mit einer ignoranten Attitüde und immensen Power in der Stimme einen ganz eigenen Geschmack. Gleichzeitig beherrscht der Rapper sein Handwerk optimal und verbindet sein energiegeladenes Organ mit abwechslungsreichen Flows und auf den Punkt gebrachten Reimketten. Dadurch entwickelt er jeden Song zu einem mitreißenden Hörerlebnis: hier gehört Kopfnicken quasi zu einer Grundvoraussetzung.
Ein weiterer reizvoller Eckpunkt an Gzuz' Musik ist seine Authentizität. Hier ist tatsächlich "Alles Echt". Wenn der Rapper von seinem Alltag auf den Straßen von St. Pauli, Anekdoten aus dem Kittchen und dem Rumprollen mit den neuen Tiefbett-Felgen erzählt, dann kauft man ihm dabei jedes Wort ab. Aufgrund dieser Nahbarkeit sympathisiert man als Hörer mit dem Protagonisten und fühlt sich von dem vermittelten Lebensstil unterhalten. So entfalten auch stumpfere Songkonzepte und Lines ihre volle Wirkung wie etwa "CL500", der Song über Gzuz' Karre: "Und jeder hält die Fresse, wenn wir auf die Tanke fahren/...ganz langsam, auf die Tanke fahren!"
Selbst wenn er einmal ernstere Töne anschlägt, bleibt der 187er seiner Herangehensweise treu. Auf "Hinterher" etwa reflektiert Gzuz den Tod seiner Mutter – mit gewohnter Brüllstimme und Bangerbeat. Was im ersten Moment noch etwas seltsam scheint, funktioniert bei genauerem Hören ausgesprochen gut. Durch seinen kraftvollen Stimmeinsatz drückt Gzuz mehr Ehrlichkeit und Schmerz aus, als bei vielen der kitschigen Genrevertetern je möglich wäre. Und zunächst simpel wirkende Zeilen, wie "Die Liebe in der Bolognese kannst du nicht mit Cash bezahlen" wiegen in ihrer eindringlichen Bildhaftigkeit um so schwerer.
Am Trademarksound der 187 Straßenbande ändert sich auch auf "Ebbe & Flut" nicht viel. Hausproduzent Jambeatz ist immer noch für die Produktionen verantwortlich und bastelt aus harten Drums, eingängigen Basslines und Synthiegedudel Beats mit einer Menge Wumms. Doch gestaltet er es hier und da auch etwas experimenteller. So entwickelt sich etwa aus "9mm" durch rythmische Dancehall-Drums und die abgedrehte Hook von BonezMC ein schon beinahe tanzbarer Hit. Bei den Featuregästen hingegen gibt es kaum Überraschungen. Mit Bonez, Maxwell, Sa4 und Kontra K kommen die meisten Gastbeiträge aus dem eigenen Umfeld. Nur Xatar und Hanybal fallen hierbei etwas aus dem Raster. Jedoch liefert besonders Erstgenannter einen adäquaten Part auf "Ebbe & Flut": "Haftschaden IZ DA!"
Das lässt sich allerdings nicht von allen Features behaupten. Sa4 etwa stinkt mit seinem eintönigen Flow und spartanische Lyrics immer wieder gegen den Rest ab und unterbricht so den Hörfluss. "Alles Echt" etwa ist ein recht generischer Representer, der zwar vereinzelt unterhaltsame Textpassagen aufweist, insgesamt aber eher wie unnötiges Füllmaterial wirkt. Ähnlich verhält es sich mit "Rückspiegel". Auch hier präsentiert Gzuz mit Kontra K im Gepäck nochmals die gängige "Wir gegen den Rest"-Attitüde, ohne jedoch der Thematik eine neue Facette hinzuzufügen oder mit gewitzten Textstellen zu unterhalten.
Am Ende ist "Ebbe & Flut" aber nicht nur ein sehr gutes Straßenrapalbum, es beweist ebenfalls, dass an der 187 Strassenbande zur Zeit – Gott sei Dank – kein Weg vorbei führt. Die Hamburger zeigen auch mit dieser Platte, wie man altbewährte Härte und authentische Kompromisslosigkeit zu einer modernen Rap-Platte verbindet, die nicht nur zeitgemäß, sondern auch wunderbar eigen klingt. Brutale und zuweilen primitive Lyrics? Geschenkt.
"Für manche ist es asozial, für andere ist es Kunst." Die rohe Energie, die Gzuz und seine Bande verströmen, ist in ihrer Intensität und Unterhaltsamkeit absolut einzigartig. Deshalb wird sich das Phänomen "187" weiterhin ausdehnen. Gut so, denn "Papa Muss Wachsen".
12 Kommentare mit 13 Antworten
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
steht und fällt mit den beats
warte noch weitere Empfehlungen ab..
finde es richtig geil. jambeatz ist derzeit das nonplusultra was die mukke angeht...der xatar part ist absolut baba...kritik an sa4 kann ich nicht nachvollziehen. "la la la" für mich einer der stärksten tracks...aber die absolute hymne ist "käufliche goldfische". momentan geht nix über 187. von mir unbedingte kaufempfehlung
Jep. Sobald ein Rapper des Weges kommt, der eine IQ knapp über Grasnarbe besitzt, spritzt Sodi ab.
ja, und?
4 Punkte, an 'Obststand' wird es bei mir vermutlich nicht rankommen, LX ist fuer mich der beste 187er. Ansonsten wurde ja alles schon gesagt.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
ich muss die Wertung nach oben korrigieren. hatte vorgestern einen sensationell entspannten tag und dann saßen ein paar dudes mit boxen und 187-sound, zu denen ich mich mit Begleitung ein paar Minuten dazugesellt habe. wenig später fuhr ein weiterer von der Gruppe unabhängiger dude mit heruntergekurbelten scheiben und 187-sound an mir vorbei. wahrlich erbauliche Erlebnisse, die mich dazu gebracht haben dem album weitere durchläufe zu geben und siehe da: mein ersterer "unrunder" Eindruck hat sich zu einem stabilen hörerlebnis gemausert. immernoch kein Highlight des Jahres, aber ein sehr gutes album: der track mit kontra ist sehr stark, selbst der anfangs lahme beat beim xatar-feature geht ins ohr und "la la la" weiterhin on top. super track und die allgemeine "hau-drauf"-atmo ist in maßen konsumiert sehr unterhaltsam