laut.de-Kritik

Mit Tom Morello in die Zeitlosigkeit.

Review von

Gemeinsam gegen die Dunkelheit – so könnte man das neue Rattlesnakes-Album zusammenfassen. Bunter, optimistischer und bandorientierter denn je treibt Frank Carter auf "End Of Suffering" seine Dämonen aus. Düster klingen die Songs bisweilen zwar immer noch. Doch während die schwarzen Wolken namens Depression, Angst, Wut und Hass frühere Album entscheidend prägten, hängen sie nun am Himmel, um von Carter und Kollegen aufgerissen zu werden. Ja, da sind Farben! Ja, da ist Hoffnung! Das sollen auch die Fans mitkriegen: "So sing this song with me / Raise your hands and stamp your feet / If you got what you believe / To be a life of fear and anxiety".

Angstzustände hatten den ehemaligen Gallows-Frontmann kurz nach Veröffentlichung der vorangegangenen Platte "Modern Ruin" dazu gezwungen, Touren abzusagen. Er stürzte in ein privates Loch. Doch der Albumtitel nimmt es schon vorweg: Frank Carter hat seine Leidenszeit vorerst überwunden. "It doesn't have to be this way", singt er im Schlüsseltrack "Anxiety". "There's a better place for you and me / Where we can be happy." Bei solch hoffnungsvollen Zeilen denkt man unweigerlich an Pure Love, das kurzlebige, nach dem Gallows-Abschied gegründete Zwischenprojekt des rothaarigen Briten.

Pure Loves Mainstream-Appeal kommt "End Of Suffering" auch musikalisch nahe. Besser noch: Dieser Appeal kommt im Kombipaket mit großer Abwechslung und stilistischer Unberechenbarkeit daher. So überraschen die Rattlesnakes bei "Love Games" mit einem Exkurs in Soul und BluesAmy Winehouse-Zitat und nostalgisches Piano inklusive. Gitarrist Dean Richardson tränkt sein Instrument dabei mit genug Fuzz, um den grob zwischen Grunge und Alternative Rock verorteten Klangrahmen aufrecht zu erhalten.

Wie gut sich Richardson und Carter mittlerweile im Songwriting ergänzen, zeigt kaum ein Song so gut wie der Opener "Why A Butterfly Can't Love A Spider". Richardson überlässt Carter melodisch weitestgehend das Feld, definiert mit seinem schleppenden Staccato-Riff aber den lauernden Charakter des Songs. Der Sänger zeigt, zu welchem Volumen er seinen Klargesang mittlerweile entwickelt hat und nutzt den ihm gebotenen Raum für weite, hymnische Melodiebögen.

Ihren Punch haben die Rattlesnakes trotz aller Harmonieseligkeit zum Glück nicht verloren. Das stampfende "Tyrant Lizard King" ist ebenso zeitloser Hit wie Schlag in die Fresse und prädestiniert als Entrance Song für einen WWE-Kämpfer: "Alpha and omega, everything in between / Yeah, he's a goddamn venom-spitting / Tyrant lizard k-k-k-king". Tom Morello veredelt den Track mit einem aggressiven Noise-Gitarrensolo. Einzige Schattenseite der Nummer: Gegen diese Power verblasst der luftige Pop-Punker "Heartbreaker" im Anschluss ein wenig.

Das macht angesichts der Hitdichte von "End Of Suffering" allerdings gar nichts. Die Refrains laufen rein wie Schokoladenfondue – egal ob gerade Arschwackler mit Tempowechsel ("Kitty Sucker"), zynisch vertontes Beziehungsdrama ("Latex Dreams"), dreckstarrende Halbballade ("Supervillain") oder Wilderei im Gehege der Queens Of The Stone Age ("Little Devil") auf dem Programm steht.

Was fehlt? Nichts, denn auch Schreihals-Carter bekommt noch seinen wohlverdienten Auftritt im Rampenlicht. Wut und Hass trägt der einst als angepisster Hardcore-Frontmann in die Musikwelt eingeschlagene Sänger trotz Katharsis immer noch in sich. In "Crowbar" richtet er sie gegen Schubladendenken und Erwartungshaltung: "Those jealous motherfuckers they will try and take your crown / It's easier for them to put you in a box", redet er sich dort in Rage. "But fuck 'em all, they don't tell us who we are!" Man wagt ihm nicht zu widersprechen. Diese Einstellung hat ihn immerhin zu der gleich zum dritten Mal hochgehenden Killer-Hook des Songs geführt. Und die nächste Überraschung im inzwischen ziemlich bunten Carter-Universum kommt bestimmt. Aber erst nach der Explosion: "So when they try and lock you up, go and get the fucking crowbar!"

Trackliste

  1. 1. Why A Butterfly Can't Love A Spider
  2. 2. Tyrant Lizard King
  3. 3. Heartbreaker
  4. 4. Crowbar
  5. 5. Love Games
  6. 6. Anxiety
  7. 7. Angel Wings
  8. 8. Supervillain
  9. 9. Latex Dreams
  10. 10. Kitty Sucker
  11. 11. Little Devil
  12. 12. End Of Suffering

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2 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Bin diesem Album sofort verfallen so wie bisher jedem Album von diesem beeindruckenden, volltätowierten Zwergs!
    All Killer no Filler würde sogar noch einen 5 Stern draufpacken 5/5

  • Vor 4 Jahren

    Wie war das noch "damals" als die Gallows ihr Opus Magnum "Grey Britain" einer Nation im Sinkflug zum Fraß vorwarfen. Es war einfach zu schön um wahr zu sein, der Hardcore forderte mal wieder Opfer. Carter hatte vor komplett anders weiter zu machen aka Lagerfeuermucke. Mit seinem Solodebüt kam es dann ganz anders...Er der Teufel des Moshpit war wieder da und hatte eine Menge Wut im Gepäck. Kurzum die Platte war Gallows 2.0 direkt ins Gemächt mit Ausrufezeichen.

    Mit diesen 3 Leerzeilen möchte ich nun die Berichterstattung zu dem 2ten Werk "Modern Ruin" auf laut.de Brandmarken. Wie konntet Ihr dieses Schlüsselwerk keiner Beachtung schenken, liebe Freunde der gepflegten Scooter Rezession?!
    Auf "Modern Ruin" löst der Frank endgültig die Fesseln von Genres und gibt uns ein bittersüßes Punk/Rock/Pop Potpourries. Ein catchy Befreiungsschlag "Vampires" mit bleischweren Themen "Thunder" gemischt. Kurzum sein persönliches Opus Magnum.

    Nun wo die Richtung austariert war, wie weit würde sich Frank noch trauen im Pfuhl des Pop zu sündigen? End of Suffering gibt klare Antworten. Gleich die ersten Strophen lassen aufhorchen, denn seine Stimme lässt Frank jetzt noch komplexer wirken. Bei Crowbar gibt es keinen Zweifel, der Ohrwurm sitzt bombenfest(Latex Dreams) und überhaupt wird weithin die strukturierte Melodie gepflegt(Supervillain). Auf der anderen Seite knarzen Wüstenzerren im Gewand eines Homme durch die britische Großstadt. Große Fußstapfen welche Frank & Band aber wunderbar meistern. Auch wenn Manches erst etwas simpel wirkt (Little Devil), so lässt der zweite Durchlauf an dem Song schon keine Zweifel zu. Mit Anxiety und dem Titel gebende Song des Albums lässt uns der Künstler ganz tief in ein Seelenleben schauen...Gänsehaut. Am Ende hat man das Gefühl hier hat jemand seinen Sound zu seinem Leben gefunden und ich zücke meine Kappe. 5/5