laut.de-Kritik

Die ideale "Twilight"-Hintergrundbeschallung.

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Normalerweise ist das neueste Werk einer Band immer ihr bestes. So prangt es zumindest in der Regel in den Presseinfos, und auch die Protagonisten selbst fühlen sich mit gegenwärtigen oder zukünftigen Veröffentlichungen oft auf dem immer wieder aufs Neue erreichten Zenit ihrer Kreativität.

Gerne wird zudem eindringlich darauf hingewiesen, dass sich das neue Material mit nichts aus dem bisherigen Schaffen vergleichen lasse. Spätestens mit solchen Äußerungen bieten viele Künstler der kritischen Musikpolizei eine willkommene Angriffsfläche für Häme und Spott, wenn sich das Dargebotene dann doch nur als neuerliche Kopie ihrer vergangenen Schöpfungen erweist.

Auch Amy Lee, Frontfrau und letztes verbliebenes Original-Mitglied von Evanescence, empfindet das Drittwerk ihrer Combo als einzigartig und mit keinem der beiden Vorgänger gleichzusetzen. So etwas kurbelt die Erwartungshaltung, die sich nach zwanzig Millionen verkauften Tonträgern und einer fünfjährigen Abstinenz der Band eh schon am Maximum bewegt, natürlich zusätzlich an.

Mit Spannung lauscht man also der angekündigten Wiedergeburt einer Band, die Anfang des Jahrtausends einen regelrechten Gothic-New Metal-Boom ausgelöst hatte, und kommt nach einem Dutzend präsentierter Songs zum dem Schluss: alles beim Alten. Oder doch nicht?

Evanescence erfinden sich keineswegs neu. Das altbewährte Muster aus epischen Melodien, opulenten Arrangements und brachialem Gitarren-Background bildet auch ein halbes Jahrzehnt nach "The Open Door" den Nährboden für Amy Lees gesangliche Darbietungen. Dennoch klingt das Gesamtpaket irgendwie anders, frischer, vielleicht sogar etwas gereifter als das, was sich vor einer gefühlten Ewigkeit unter ihrem Namen in den Charts rund um den Globus breit machte.

Vielleicht liegt es an Amys Stimme, die sich vor allem auf den balladesken Auswürfen ("Lost In Paradise", "My Heart Is Broken" und "Swimming Home") von jeglichem Ballast der Vergangenheit zu befreien scheint und ihrem Ausdruck so zu einer immensen Präsenz und Kraft verhilft.

Vielleicht liegt es aber auch an den ungewohnten Rhythmik-Spielereien auf der ersten Single "What You Want". Oder an der neuen Härte, mit der sich die Band auf einem Song wie "Sick" fast schon von einer archaischen Seite präsentiert.

Auch der Uptempo-Ritt "Erase This" sorgt für hochgezogene Augenbrauen. Epische Melodiebögen, die sich nahezu in jedem der zwölf Tracks ausbreiten, sorgen zudem für ausreichend Auswahl an Auskopplungs-Möglichkeiten. So bietet der Little Rock-Fünfer mit seinem selbstbetitelten Uns-gibt-es-auch-noch-Werk einen homogenen Mix aus Alt und Neu.

Hier wird zwar kein Rad neu erfunden, aber eingefleischte Jünger der Band werden zweifellos in die Hände klatschen ob des langersehnten Lebenszeichens ihrer Helden. Das bietet sich – wie überraschend – als ideale "Twilight"- oder "True Blood"-Hintergrundbeschallung an, sollte es einmal Probleme mit der Tonspur im Heimkino geben.

Trackliste

  1. 1. What You Want
  2. 2. Made Of Stone
  3. 3. The Change
  4. 4. My Heart Is Broken
  5. 5. The Other Side
  6. 6. Erase This
  7. 7. Lost In Paradise
  8. 8. Sick
  9. 9. End Of The Dreams
  10. 10. Oceans
  11. 11. Never Go Back
  12. 12. Swimming Home

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