laut.de-Kritik

Die Erkenntnis der Endlichkeit.

Review von

Mehr als fünf lange Jahre fuhr Die Höchste Eisenbahn mehrgleisig. Die vier Bandmitglieder konzentrierten sich auf eigene Projekte: Francesco Wilking initiierte mit der Crucchi Gang zwei Alben mit Popsongs auf Italienisch und sang zuletzt mit Christopher Annen, Max Schröder spielte Gitarre bei Olli Schulz. Moritz Krämer zeigte sich auch als Filmemacher, Felix Weigt als Podcaster.

"Wenn Wir Uns Wieder Sehen Schreien Wir Uns Wieder An" debütiert als viertes Album der Eisenbahn über das eigene Label und erzählt von Beziehungen, Abschieden und Wiedersehen. Wie es zum Albumtitel kam, klärt bereits der Opener "Seit Du Weg Bist": Krämer und Wilking besingen die bittersüße Melancholie von Herzschmerz und Reue.

"Bürotage" erschien als erster Vorbote seit der "StallWaldKirche EP" aus 2020. Seitdem hat sich in der modernen Arbeitswelt bekanntlich viel verändert. Mehr Meetings, weniger Zeit. Nicht nur Bernd Stromberg wäre dem maßlos ausgeliefert, auch wir sind es: "Second screen problems, Du kannst auf mich zählen, aber ich hab' keine Zeit." Musikalisch klingen Metronomy und Trio durch, wovon auch der Einsatz der Drum Machine zeugt.

Manche Titel irritieren mehr als andere, "Gitarre Ärztin Blau" ist so einer. Andere erscheinen direkt vertrauter. "Die Bahn" musste wohl früher oder später im Repertoire auftauchen. Darin auch eine dieser wunderbaren Textzeilen: "Ich tausch' Leeres in Volles um."

Auch auf diesem Album lässt die Eisenbahn Belangloses aus dem Leben und dem Alltag größer und charmanter klingen. Doch selten klang Herzschmerz so nebenbei und gleichzeitig so direkt: "Ich red' mit dir, du berührst mich leise, nur in meiner Fantasie" ("Alles Was Ich Dir Sagen Wollte") und "Ich hab' gedacht wir beide meinen das gleiche, aber es wird nicht reichen" ("Wir Machen Uns Fertig").

Ausgerechnet die Erkenntnis der Endlichkeit besingt die Eisenbahn in "Dieses Leben" munter beschwingt: "Wenn meine Eltern nicht mehr sind und dann ich der nächste bin, alle Tiefen und alle Höhen, oh ich will noch nicht, es ist wunderschön, dieses Leben". Untermalt von zarten Streichern im Hintergrund bildet diese Zuversicht einen der schönsten Momente des Albums.

Bei "Wenn Wir Uns Wieder Sehen Schreien Wir Uns Wieder An" passiert vieles wieder beiläufig und es lohnt sich immer, genau hinzuhören. Manchmal fühlt es sich an, als ob das Album nie enden möchte, und dann geht es ganz schnell. Und dann? "Nichts fängt von vorne an, da ist so viel passiert, vor jedem Anfang" ("Vor Jedem Anfang").

Trackliste

  1. 1. Seit Du Weg Bist
  2. 2. Die Bahn
  3. 3. Bürotage
  4. 4. Alles Was Ich Dir Sagen Wollte
  5. 5. Hotpants
  6. 6. Dieses Leben
  7. 7. Jeder Hat Was Zu Verlieren
  8. 8. Gitarre Ärztin Blau
  9. 9. Ich Seh Dich An Und Ich Seh Mich
  10. 10. Heimlich
  11. 11. Morgens Gehts Dir Gut
  12. 12. Wir Machen Uns Fertig
  13. 13. Ich Komm Gleich Nach
  14. 14. Vor Jedem Anfang

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2 Kommentare

  • Vor 3 Tagen

    Wunderschönes Album!
    Ich hatte nach den ersten beiden Vorabsongs keine großen Erwartungen, aber genauso sollte deutschsprachige Popmusik klingen.
    Souveräne Anticoolnes, super Gefühl für Melodien und unaufdringlich gute Texte, die man erstmal so unprätentiös dahinschnoddern muss. Der Synthie bei Dieses Leben nervt etwas und am Ende ist es wahrscheinlich ein ruhiger Song zu viel im letzten Drittel, aber dafür gibt es Highlights en masse!
    Freue mich auf das Konzert.

  • Vor 2 Tagen

    Der Zeitgeist der On-Off-Beziehungen findet immer mehr in Kunst und Musik seinen Anklang. Ich persönlich fände es schön, wenn es wieder mehr Zugang zu tiefen und ehrlicheren Verbindungen gäbe und sich das Anschreien nicht als eigentlich geforderte Abwechslung positionieren würde. Im Übrigen sind Beziehungen ständige und harte Arbeit, davor darf man nicht die Augen verschließen - Langeweile braucht's also nicht. Die Erwartungshaltung hat sich mit Film & Fernsehen eindeutig potenziert in den letzten 25 Jahren.