laut.de-Kritik

Jeder malt sich seine eigene Brit.

Review von

Wir befinden uns mitten in einem lang angelegten Selbstversuch. Seit nunmehr zwei Jahren stellt sich der Proband (also ich) tapfer seltsamer Musik (u.a. Culcha Candela, Will.I.Am und Miley Cyrus). Nun haben wir den Salat respektive die ersten Spätfolgen. Scheiße, ja, ich gebe es zu! Britneys "Work B**ch", ein Song der sämtlichen Tinnef zusammenfasst, den ich bisher verspottet habe, macht mir Spaß. Ich kann nicht mal sagen, warum. Wie konnte das passieren?

Aber alles auf Anfang. Laut Britney Spears soll "Britney Jean" das persönlichste Album ihrer Karriere sein. Dies soll der Titel, der sich aus ihren beiden Vornamen zusammensetzt, verdeutlichen. Dabei handeln die universellen Texte ihres achten Longplayers vom Verlassen werden, Popo schütteln und horizontaler Polka.

Vielleicht zeichnet gerade das Fehlen jeglicher Persönlichkeit den Charakter der Amerikanerin aus. Auf die vorgefundene leere Leinwand kann sich jeder Produzent seine ganz eigene Britney malen. So jagt die Sängerin seit ihren Anfangstagen im Mickey Mouse Club von einem fremdgesteuerten Erfolg zum nächsten. Da bleibt keine Zeit, eine eigene Individualität aufzubauen. "You better work bitch."

Um "Britney Jean" auch noch das letzte Fitzelchen Menschlichkeit auszutreiben, verstecken die 24 Produzenten ihre Stimme auf der Hälfte der Stücke hinter kaum erträglicher Effekthascherei. Ob das dusslige "La ra di / La ri da" in "It Should Be Easy" nun Frau Spears oder Kesha singt, bleibt am Ende egal. Hauptsache man erkennt den Haiopai Will.I.Am wieder.

Den ach so vertraulichen "Baby make me tick tick tick tick tick tick boom"-Refrain aus, wer hätte es gedacht, "Tik Tik Boom" gibt die Sängerin mit deutlich fränkischem Einschlag wieder, der nicht zwischen einem weichen und einem hartem 'D' unterscheidet. In der Bubblegum-Twerking-Nummer "Chillin' With You" beweist Jamie Lynn Spears mit Nachdruck, dass es sich bei ihrer großen Schwester nicht um die schlechteste Interpretin in der Familie handelt.

Aus dem Opener "Alien", ein adrettes Liebesliedchen, lassen sich mit viel gutem Willen tatsächlich Andeutungen auf Britneys schlimmste Jahre interpretieren. "There was a time I was one of a kind lost in the world out of me myself and I / Was lonely then like an alien / I tried but I never figured it out / Why I always felt like a stranger in a crowd / Ooh that was then like an alien." William Orbit, dessen große Zeiten nun auch bereits über zehn Jahre zurück liegen, produziert den Track im klassischem Pop-Format und ohne plötzlich auftretendem Bass-Koller. Was ihn nicht davon abhält, "Alien" einen Touch von Madonnas "Ray Of Light" zu verpassen.

Neben David Guetta, Will.I.Am und Katy Perry dürfen sich 24 weitere Songwriter an den bemitleidenswerten zehn Liedern austoben. Die einst so gefeierte Sia Furler lässt sich mehr und mehr in die düsteren Tiefen des Popbiz herab und verewigt sich in "Passenger" und "Perfume".

In Letzterem singt Britney davon, ihren Lover und somit ihr Revier unter Zuhilfenahme von Parfum gegenüber ihren Nebenbuhlerinnen zu markieren. Eigentlich nur logisch für eine Frau, die seit 2004 elf verschiedene Duftnoten auf den Markt gebracht hat. Ihre letzte Schöpfung "Fantasy Twist" aus dem Herbst 2012, entführt mit "Obertönen von süßer chinesischer Pflaume, exotischer Kiwi und Jasmin ... in die Welt der Phantasie". Genauso kitschig klingt dann eben auch "Perfume".

Mein Selbstversuch dauert an und noch besteht Hoffnung. Der Rest von "Britney Jean" bietet keine Erklärung für das "Work B**ch"-Phänomen. Neben diesem Dancefloor-Filler finden sich austauschbare Popsongs und
polierter Dance-Electro-Ramsch unter hartnäckiger Verwendung von
Auto-Tune-Napalm. Aber Vorsicht bleibt geboten. Die Weichen sind gestellt und der Wahn nur einen Bass Drop entfernt. Bereits 2015 könnte mein debiles Gehirn dem nächsten Album von Spears, Cyrus, Kesha oder Gomez die Höchstwertung vergeben. "Now get to work bitch."

Trackliste

  1. 1. Alien
  2. 2. Work B**ch
  3. 3. Perfume
  4. 4. It Should Be Easy Ft. Will.I.Am
  5. 5. Tik Tik Boom Ft. T.I.
  6. 6. Body Ache
  7. 7. Til It's Gone
  8. 8. Passenger
  9. 9. Chillin' With You Ft. Jamie Lynn
  10. 10. Don't Cry

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26 Kommentare mit 174 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Eigentlich habe ich auf laut.de mit einer weitaus vernichtender Kritik gerechnet. Inhaltlich geändert hat sich über die Jahre erwartungsgemäß nichts. Wiedermal wurde die Rezension eines Pop-Albums von einem "Autor" verfasst, der eine grundlegende Abneigung zum Genre hat.
    Pop-Musik wird im allgemeine vielleicht wieder erträglicher, wenn die Electro-Einflüsse etwas abschwächen.
    Mich würde interessieren wie sich manche hier eine persönlichere Note der Sängerin vorstellen? Natürliche wurde über jede Gefühlslage in jeder erdenklichen Weise bereits gesungen. Was erwartet man denn von einer Britney Spears? Das sie über das Ansetzen der Schermaschine, den Verlust des Sorgerechts oder ihrer über Jahre anhaltenden Entmündigung singt? Dazu selbst die Noten schreibt und alles im Alleingang produziert? Kein Album der aktuell veröffentlichten Pop-Sternchen ist in ihren wesentlichen Grundzügen anders.
    Weder inhaltlich noch von ihrer Produktionsweise.

    Britney Jean ist erwartungsgemäß gute, abwechslungsreiche Pop-Musik ohne nennenswerte Höhepunkte. Völlig dem Mainstream verschrieben wird jede aktuell angesagte Pop-Abwandlung mitgenommen. Im Vergleich zu 2007 scheint der Musik-Markt vollkommen übersättigt und macht mit jedem Musik, was alles zu einem Einheitsbrei werden lässt.
    Das Niveau der Platte liegt unter "Circus", doch weit über dem Vorgänger "Femme Fatale", ihrem wohl schlechtesten Album bisher. Wirkliche Perlen der Platte, wie in den Rand-Nummern Mannequin/Phonography/Early Mornin'/Freakshow/Get Back oder wie bereist erwähnt "Break the Ice" lassen sich leider nicht finden.
    Sehr bemerkenswert ist allerdings, dass sie es schafft soviel Aufmerksamkeit und hohe Verkaufszahlen zu erreichen ohne eine vergleichsweise Promotion durch Performances und inhaltlicher Präsentation des Albums in Interviews (außer "It's fun, "Very cool") wie es alle anderen Pop-Sternchen machen (müssen).

    • Vor 10 Jahren

      Bei den Verkaufszahlen kann nachgeholfen werden und viele Menschen haben einfach keine Ahnung von Musik... The End

    • Vor 10 Jahren

      Bzw. braucht wohl jemand wie Britney, der nun schon so lange im Geschäft ist und ne feste Fangemeinde hat, keine Promo mehr machen, um sich zu verkaufen. Das sagt trotzdem nix über die Qualität der Musik aus. Und wenn du wirklich meinst, dass das guter Pop ist, dann hast du einfach einen echt begrenzten Musikhorizont.
      Das Album ist ordentlich und modern produziert, keine Frage. Aber es sind einfach keine ordentlichen SONGS, das macht nämlich den Unterschied aus. Es ist alles mit Sounds überladen, aber das Songwriting ist einfach mies, es ist kein einziger guter Refrain dabei, der mitreißend ist. Zudem kommen in den wenigstens Songs wirklich Atmosphäre auf.
      Sonst erklär mir mal welche Songs deiner Meinung nach wirklich gut sind und sich von der Masse des Radio-Einheitsgesülze, an das sich nach paar Monaten keiner mehr erinnert, abheben. Kriegst du glaube ich nicht hin ;)

    • Vor 10 Jahren

      *Zudem kommt...

    • Vor 10 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 10 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 10 Jahren

      @ ericsson...super geschrieben :-)

  • Vor 9 Jahren

    ich find das album eig. gut

  • Vor 7 Jahren

    Ich kann verstehen das manche das Album nicht mögen. Für Britney's Verhältnisse sind viel zu viele ruhigere Songs drauf außerdem passt der EDM-Sound, der bei allem schnelleren Liedern angewandt wird, nicht zu Britney. Ausserdem sind mit 13 Songs (+1 Remix) viel zu wenige Songs drauf. Ich für meinen Teil mag das Album. Alien, Work B**ch, Perfume, Tik Tik Boom, Til It's Gone, Passenger, Brightest Morning Star und Hold On Tight sind echt gut und man kann sie sich IMMER anhören. Trotzdem brauche ich kein Britney Jean 2.0 haha :P