laut.de-Kritik

Tanzbare Achterbahnfahrt durch musikalische Kulturen dreier Kontinente.

Review von

Glyn "Bigga" Bush gehört zur auflegenden Zunft, das ist bei jedem einzelnen Beitrag seiner "Sound Sensation" zu spüren. Die Bedürfnisse der Tanzfläche stehen zwar nicht penetrant im Vordergrund, ihnen wird dennoch durchgehend Rechnung getragen. Selbst dunkle Dub-Experimente (Kode 9 & The Spaceape vergreifen sich in "Sine Of The Dub" an einem Klassiker von Prince) werden unter den remixenden und re-editierenden Händen des Ex-Rockers Hi-Fi-Gründers dancefloor-kompatibel, als sei es nie anders vorgesehen gewesen.

Bigga Bush macht keinerlei Hehl aus seiner Vorliebe für Latin-Rhythmen, allerdings kommen auch treibende Funk-Bässe, Ragga, theatralische, nahezu Big-Band-artige Bläsersätze und immer wieder elektronische Elemente zum Zug. Den aufgeschlossenen Hörer, den auch die eine oder andere Albernheit nicht verschreckt, erwartet eine Achterbahnfahrt durch die musikalischen Kulturen mindestens dreier Kontinente.

Sehr absurd wird es, wenn Bigga Bush in seiner Zweit-Identität Lightning Head "Popcorn" anrichtet; seine Version des tausendfach gecoverten Ohrwurms präsentiert sich funky und mit reichlich Percussion versehen in Samba-Manier arrangiert. Mindestens ebenso schräg: "O Canto Da Ema", ein Beispiel für eine aus dem Nordosten Brasiliens stammende Strömung, die mit "Pipe & Drum" mehr als treffend umschrieben wird. Auch In Flagrantis "Hairy Fruit" serviert er nicht ohne Augenzwinkern.

Klassischen Afro-Funk der 70er Jahre mit Orgeln, Flöten und dynamischen Gesängen fährt Ghanas Oyatanaa Showband auf. Wesentlich moderner tönt gleich im Anschluss "Addis Ababa" von Zafari: Hier verleihen Gitarre und Bass Konstanz und vereinen Orgelklänge und üppige Bläser zu einer filmreifen Kulisse. Flossen bisher die Tracks nahezu unmerklich ineinander, vollzieht Bigga Bush mit DJ Rupture einen harten Cut: Die charismatischen Vocals der Dancehall-Queen Sister Nancy stehen in völligem Kontrast zum schweren Riddim. Beides verbindet sich dennoch zu einer überraschend logischen Einheit: "Little More Oil".

Die Instrumentalfassung von "Knak Knak" präsentiert einen blechernen Ragga-Beat, mit "Sister Let Him Go" interpretieren die dänischen Junkyard Productions den immer wieder gern gehörten "Coolie Dance". Bei den meisten Tunes überwiegen aber doch nicht die jamaikanischen, sondern - was mir persönlich zugegebenermaßen nach einiger Zeit leicht auf den Nerv geht - die lateinamerikanischen Elemente, so zu hören in "Caimanera", Bigga Bushs Wiederauflage des 80er-Stücks "Que Pasa / Me No Pop I" oder "Zuzuku's People". Wer ein gütiger alter Hase im Geschäft ist, der lässt die Nachwuchsförderung nicht unter den Tisch fallen: Peak, tatsächlich ein Act aus Bigga Bushs Nachbarschaft in Dorset, passen mit ihrer Auslegung des Film-Themas zu "Get Carter" allerdings auch bestens ins Konzept.

Besonders gefreut habe ich mich über die Beteiligung von Joe Dukie und DJ Fitchie: Sänger und Produzent der neuseeländischen Formation Fat Freddy's Drop lieferten mit "Midnight Marauders" einen derart wundervollen Klassiker, dass es eines Remixes im Grunde nicht bedarf. Mit dem nötigen Feingefühl und Respekt vor dem Original erschafft Lightning Head dennoch eine Fassung, in der den Vocals Joe Dukies die Stimme von Ex-Hi-Fi-Rocker Farda P zur Seite gestellt wird. Nahezu verträumte Bläser treffen auf einen getriebenen Beat - wenn ein Track gleichzeitig in dieser Weise musikalisch komplex und vollkommen entspannt im Raum steht, dann hat man es wohl mit einem Meisterwerk zu tun.

Trackliste

  1. 1. Sine Of The Dub
  2. 2. Dub An FX
  3. 3. Popcorn
  4. 4. Ageisheka
  5. 5. Addis Ababa
  6. 6. Roll Call
  7. 7. Hairy Fruit
  8. 8. Little More Oil
  9. 9. Knok Knok (Soundsystem Version)
  10. 10. O Canto Da Ema
  11. 11. Get Carter
  12. 12. Que Pasa / Me No Pop I (BiggaBush Re-Edit)
  13. 13. Zuzuku's People (Lightning Head Version)
  14. 14. Sister Let Him Go (Los Chicharrons Mix)
  15. 15. Give It Again (Inverse Cinematics Remix)
  16. 16. Midnight Marauders (Lighning Head Version)
  17. 17. Caimanera (BiggaBush Re-Edit)
  18. 18. Take Me Back To Piaui (Dubben Mix)

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