laut.de-Kritik

Discokugeln aus der Stalinorgel.

Review von

Zu lange wurde die Disco-Ära mit Verachtung gestraft, totgeschwiegen oder allenfalls - ähnlich dem deutschen Schlager - in Form überspitzer Parodien aus der Mottenkiste gezerrt. Derzeit scheint sich das Blatt jedoch zu wenden.

Pop-Nummern bedienen sich wieder ganz unverfroren an den glitzernden 70ern, und nicht nur Jan Delay hat erkannt: Spiegelbälle geben vortreffliche Wurfgeschosse ab.

Bas Bron, der aus seinem reichen Decknamen-Fundus für "IV" einmal mehr den Bastian von der Kette lässt, feuert die Discokugeln gleich aus der Stalinorgel ab. Hier wird nicht zart angeklopft, sondern mit "Sturdy" grußlos die Tür eingetreten. Derbe rockende Stromgitarren flankieren jaulende Synthies. Die Order lautet: Ab auf den Dancefloor!

Eingebettet in die Wand, die Bastian aus beinhartem Elektrofunk hochzieht, finden sich pfiffige Melodien, catchy Hooklines, durchdachte Songstrukturen und über die Maßen tanzbare Rhythmen. Präzise Bässe strukturieren "Call It A Day", das locker plätschernde "Pigtails" oder "Work Ethics" mit seiner hüpfenden Melodie machen einen verspielteren Eindruck.

Gesungen wird eine ganze Menge, dennoch lassen sich Bastians Leistungen als Vokalist nur mühsam bis gar nicht beurteilen. Meist geht die durchaus facettenreiche Stimme im akustischen Strudel unter, wenn sie nicht ohnehin mit Effekten verschleiert oder durch wirkungsvoll eingesetztem Vocoder verfremdet zum Zuge kommt.

Der irrwitzige Disco-Groove von "Love Sickness" und Bastians Rap-Einlagen verschmelzen zu einem knarzenden, zum Kopfnicken verführenden Highlight, das den Eindruck vermittelt, als habe man Lakesides "Fantastic Voyage" auf Speed gesetzt. Gegen Ende veredelt mit pathetischen Orgelklängen und garniert mit rhythmischen Spielereien, kreiert Bastian hier ein echtes Brett.

Jeder Track für sich betrachtet, bereitet Vergnügen und erscheint mir überaus praxistauglich. Mein Problem mit "IV" findet sich eher in seiner Funktionsweise als Album. Am Stück genossen habe ich an den Nummern, die zudem noch ohne Raum für Atempausen zu gewähren ineinander über prügeln, schwer zu schlucken.

Nach überstandenen 44 Minuten kenne ich das Strickmuster in- und auswendig, laboriere an Gitarren-Überdosis und Plastikvergiftung und sehne mich nach einer Portion traditionellen Souls zur Neutralisation. "Done Is Done", beim nächsten Mal konsumiere ich derlei aber lieber häppchenweise - dennoch: amtliche Scheibe.

Trackliste

  1. 1. Sturdy
  2. 2. So Appealing
  3. 3. A Beautiful Hind
  4. 4. Done Is Done
  5. 5. Love Sickness
  6. 6. Pigtails
  7. 7. Groceries
  8. 8. Call It A Day
  9. 9. Work Ethics
  10. 10. Arcade Love
  11. 11. I Think The World Of You

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