laut.de-Kritik

Formvollendete Brücken zwischen Extrem und Zugänglichkeit.

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Back to business. Nachdem Amon Amarth für "Jomsviking" zur Abwechslung einmal der Fiktion frönten und ihren eigenen Wikinger-Mythos schrieben, gehts jetzt wieder munter quer durch Edda und Geschichtsbuch. Die musikalische Schlachtformation dazu ist bewährt, gestählt mit dem Mainstream-Appeal der vorangegangenen Alben. Jede Armee will schließlich wachsen. Ein paar Zugeständnisse an die Veteranen machen die Schweden trotzdem.

"Shield Wall" hätte mit seinem zupackenden Midtempo-Groove gut auf "Fate Of Norns" gepasst, "Fafner's Gold" gemahnt an "With Oden On Our Side". Insgesamt klingt die auf "Twilight Of The Thunder God" perfektionierte Kopulation von melodiösen New Wave Of British Heavy Metal-Riffs und Death Metal wieder angriffslustiger als zuletzt.

Die Chartstürmer können auch noch roh, wenn sie wollen. Massenkompatible Hymnik schließt das nicht zwangsläufig aus, wie "Mjölner, Hammer Of Thor" zeigt. Im Mittelpart spürt man förmlich die Schläge der Zwergenschmiede Brokkr und Eitri auf den Amboss niederdonnern, mit triumphalen Chorusmelodien verheißen Amon Amarth dafür die Ruhmestaten der Wunderwaffe und seines späteren Trägers.

Auch "Shield Wall" vereint die Stärken der Band. Unheilvoll grollender Death Metal-Bass und Gitarrentremolos prägen die Strophen. Johan Hegg schnaubt als stimmliche Dampframme ins Mikro, getrieben von einem unbarmherzigen Drumbeat. Da kreist die Rübe ganz von allein. Dann schlägt der vielleicht griffigste Growl-Refrain aller Zeiten zu, und vor dem inneren Auge reißen Zehntausende Wacken-Jünger ihre Fäuste hoch: "Vikings – raise the shield wall / Hold the front lines / Fight 'til death!" Nach einer kurzen Verschnaufpause gibts sogar noch einen live beliebig ausdehnbaren Chant, den Hegg mit einem donnernden "Deeeaaath" beendet. Wenn das kein Festivalhit wird, was dann? So machen Klischees jedenfalls Spaß.

Doch der "Berserker" kämpft nicht durchgängig so stark. Ausgerechnet im Titelstück "The Berserker At Stamford Bridge" klingen Olavi Mikkonens Leads müde, die Riffs wie notdürftig aus der C-Schublade zusammengekratzt und lieblos aneinandergeklebt. "Valkyria" bleibt nur im Gedächtnis, weil Bassist Ted Lundström einen seiner seltenen Spotlight-Momente bekommt und die Band zu Beginn kurz die Illusion ihrer Kriegerwelt aufbricht. "Take one", sie stehen eben doch nur im Studio.

Mit zunehmender Spielzeit ermüdet auch Heggs Angewohnheit, gesanglich einfach den Gitarrenmelodien zu folgen. Was bei "When Once Again We Can Set Our Sails" wegen abwechslungsreichen Arrangements noch halbwegs aufgeht, degradiert das schnörkellos durchgerockte "Wings Of Eagles" zum Filler und "Ironside" zur mit Doublebass gepimpter Volkslied-Schunkelei. Auch die vereinzelt eingestreuten Klargesangs- und Spoken Word-Passagen ("Fafner's Gold", "Crack The Sky", "Ironside") hätte sich der Oberwikinger besser sparen sollen. Sein bedeutungsschwangerer Tonfall dabei vermittelt eher das Feeling von B-Movie-Fantasy als das glorreicher Schlachtengemälde.

Es entsteht der Eindruck, Amon Amarth seien zu häufig auf Nummer sicher gegangen. Zwar überraschen im ersten Moment das Klavier-Outro in "Valkyria" und die "Downtown Abbey"-Orchester-Klammer zu "Into The Dark". Beide Stellen erweisen sich aber schnell als überflüssige Anhängsel. In den eigentlichen Songs passiert wenig Unerwartetes. Um ihren Qualitätsstandard hoch zu halten, reicht der Band das. Zumal sie in den besten Momenten auch auf "Berserker" formvollendete Brücken zwischen Extrem und Zugänglichkeit schlägt. Aber wie der Berserker der Wikinger auf der Stamford Bridge trotz ikonischem Kampf am Ende doch den Engländern unterlag, so unterliegt auf "Berserker" Inspiration der Routine.

Trackliste

  1. 1. Fafner's Gold
  2. 2. Crack The Sky
  3. 3. Mjölner, Hammer Of Thor
  4. 4. Shield Wall
  5. 5. Valkyria
  6. 6. Raven's Flight
  7. 7. Ironside
  8. 8. The Berserker At Stamford Bridge
  9. 9. When Once Again We Can Set Our Sails
  10. 10. Skoll And Hati
  11. 11. Wings Of Eagles
  12. 12. Into The Dark

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5 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 4 Jahren

    Wurde mit Amon Amarth leider noch nie so richtig warm. "Twilight of the Thunder God" liegt bei mir daheim und wurde auch hier und da mal angehört, aber irgendwie springt bei mir der Funke nicht über. Finde da Eluveitie einfach spannender in Sachen Thematik, Songwriting usw.
    Live sind die Jungs aber echt super :)

  • Vor 4 Jahren

    Beste Alben weiterhin Twilight, Oden und Golden Hall. In der Reihenfolge.

  • Vor 4 Jahren

    Also ich kann der Rezi nur in Teilen zustimmen..
    Ich finde das Album ordentlich gelungen und nach den ersten Höreindrücken besser als Jomsviking. Das hatte zwar einige Übertracks, bot aber insgesamt weniger Abwechslung und zu viele Midtempo-Nummern.
    Berserker hat da deutlich mehr zu bieten: Midtempo, Schunkelei, Geballer, gewürzt mit so einigen Neuheiten im Sound - und gerade das kann man den Amonen zugute halten. Angesichts des übermäßigen Erfolgs hätten sie ja auf Nummer sicher gehen und ihre Formel unverändert durchziehen können. Machen sie aber nicht 100%ig. Häufiger mal cleane Gitarren, Pianosprenkler (über deren Sinn man sicherlich streiten kann, mir gefällts!), Akustikgitarre (die im Chorus geil wieder aufgenommen wird), cleane Accapella-Gesangseinwürfe von Johan und diese tribal-artigen Drums (Shield Wall!!!) sind definitiv Bereicherungen im Sound. Wenn ich dem Album was vorwerfen würde, dann dass sie ruhig noch mehr hätten experimentieren dürfen.
    Klar kommt am Ende immer noch ein typisches Amon Amarth Album raus, aber angesichts des Erfolgs ist das verständlich. Mir macht das Album richtig Laune und ich freu mich auf die Live Umsetzung! 4/5

  • Vor 4 Jahren

    Kaum organischer Sound. Wie für modernen Mainstream-Metal eben üblich.
    Ansonsten ganz erfrischend.