laut.de-Kritik

Balsam für die herbstgeschundene Seele.

Review von

Rickie Lee Jones gehört zu den seltenen Pflanzen im Garten der Musik, deren Lebenswerk man gar nicht hoch genug schätzen kann. Ob mit rootsigem Folk/Blues/Country oder experimentell jazzigem Ansatz: Kaum eine Frau (außer Joni Mitchel) hat ein derart makelloses Output über Jahrzehnte vorzuweisen.

Nun bringt sie uns mit "Balm In Gilead" etwas Balsam für die herbstgeschundene Seele. Gilead ist die hebräische Bezeichnung eines archaisch versunkenen Reiches. Fast schon gewohnt prähistorisch klingt auch der kompositorische Ansatz der Chicagoerin. Illustre Gäste hat sie sich dazu eingeladen. Perfekt passend und klug ausgewählt liest sich die Liste mit Alison Kraus, Ben Harper, Bill Frisell oder Victoria Williams. Die Songauswahl besteht aus Liedern, die teils vor bereits 20 Jahren begonnen und bis dato nicht vollendet wurden. Ein Album als Bestandsaufnahme? Warum nicht!

Da sollte eigentlich nicht das Geringste schief gehen, sollte man meinen. Das sprichwörtliche Überalbum scheint vorprogrammiert. Gänzlich ungetrübt ist die Freude über diese Platte zwar nicht. Doch zunächst zum Positiven. "The Moon Is Made Of Gold" ist eine fast schon beängstigend gute Django Reinhardt-Hommage. Der lebenslustige Geist der Vaterfigur des europäischen Jazz scheint spürbar zum greifen nah.

Elegisch - fast schon transzendent - arrangiert Jones "The Jewelled Floor". Schwebend als rühre man Balladen von Neil Young mit der elfenhaften Loreena McKennit zusammen. Ihre Anti-Rassismus-Tirade "The Gospel Of Carlos, Norman And Smith" wartet mit einer unwiderstehlichen Melodie auf, die die Botschaft gelungen umrahmt. Das instrumentale "The Blue Ghazel" ist für mich der musikalische Höhepunkt der Scheibe. Ein elegant femininer Blues voll bunt jazziger Verzierungen und einem im Verlauf auftauchenden dramatischen Thema. Sehr sinnlich!

Um so unverständlicher, dass andere Songs für Jones Verhältnisse eher nach routiniertem Durchschnitt klingen. "Remember Me" ist nicht mehr als eine mittelmäßige Countryballade aus der Welt provinzieller Mid-Western Scheunenbälle und Truckerkneipen; desgleichen "Bayless St". "Wild Girl", die R'n'B-Ode an Rickie Lees Tochter, steckt zwar voll praller Muttergefühle. Das lindert die melodische Betulichkeit dieses Geburtstagsständchens jedoch nicht. "Old Enough" gospelt im Duett mit Harper zwar sehr soulig, aber recht ziellos vor sich hin.

Die ganz großen Melodien sind dem ehemaligen Hobo-Girl und Ex-Lebensgefährtin von Tom Waits dieses Mal nicht eingefallen. Dennoch erhebt sich auch ein durchschnittliches Werk einer Rickie Lee Jones in seiner Ästhetik berghoch über modern geschmäcklerischen Hochglanz-Country-Blues-Produkten im Stile von z.B. Kollegin und Namensvetterin Norah Jones. Auch mit einer durchwachsenen Liedersammlung bleibt die integre Amerikanerin unsere Freundin und Vertraute.

Trackliste

  1. 1. Wild Girl
  2. 2. Old Enough
  3. 3. Remember Me
  4. 4. The Moon Is Made Of Gold
  5. 5. His Jewelled Floor
  6. 6. Eucalyptus Trail
  7. 7. The Blue Ghazel
  8. 8. The Gospel Of Carlos Norman And Smith
  9. 9. Bonfires
  10. 10. Bayless St

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