laut.de-Kritik

Man möchte die Welt umarmen.

Review von

Wer schon länger nach einer Alternative zu Ayreon gesucht hat: Es ist soweit! Statt nur einem einzigen Kreativzentrum (alias Arjen Lucassen) weisen United Progressive Fraternity gleich sieben auf! Das Kollektiv steht im Mittelpunkt – wie es sich für eine Bruderschaft auch gehört.

Wie zu erwarten ist der Name Programm. Sowohl in Hinsicht auf die Band als auch auf das Album. "Fall In Love With The World" gleicht dem Inbegriff von Progressivität. Und die United Progressive Fraternity würde ihrer Musik nach zu urteilen tatsächlich am liebsten die ganze Welt umarmen. Nach depressiven Zuständen, wie sie im Progsektor gerne vorherrschen, sucht man hier über weite Strecken vergebens. Hie und da versteckt sich ein bisschen Melancholie, Sehnsucht oder Wehmut – im Großen und Ganzen sprüht das Debütalbum der Unitopia-Nachfolgeband jedoch vor unbändiger Lebensfreude.

Einen ersten Eindruck liefert "We Only Get One World (Overture)", quasi das "Circle Of Life"-Äquivalent der Prog-Welt. Mit seinen vier Minuten gestaltet sich das Intro zwar vielleicht ein wenig zu lang, atmosphärisch lassen die Australier aber rein gar nichts anbrennen. Achtung, es wird majestätisch, es wird bombastisch, es wird episch, es wird verdammt gut!

"Choices" gibt anschließend einen Überblick über die bald gebotene Klang- und Instrumentenvielfalt. Urwaldgeräusche, Native-Percussion, Panflöten, Orientalischesn und eine kurze Spoken Word-Passage bereiten auf die Gitarren vor. In an Musicals erinnernder Theatralik webt auch Sänger Truey Muster in den filigranen Teppich.

Ein ständiges Auf und Ab prägt die Kompositionen, laut und leise, schnell und langsam. Feine Melodien wechseln sich mit vertrackten, jazzigen Soli ab. Nicht selten folgen auf eingängige Gesangsharmonien ausufernd verspielte Instrumentalparts. "Intersection" beispielsweise startet mit kitschigem "Hello, hello, hello"-Singsang, vollzieht im zweiten Teil eine Kehrtwende und mündet in eine arschcoole Keyboard-Gitarrendualität, wie sie Steven Wilson nicht besser hinbekäme.

Jon Anderson (Ex-Yes) leiht "The Water" seine Stimme, das vor allem durch brachiale Blechbläserrhythmik besticht. "Don't Look Back – Turn Left" kredenzt einen Discobeat, Klarinetten und gar ein Akkordeon. Es könnte sich nicht besser zusammenfügen. Oh du heilige Vielschichtigkeit!

Auf stolze 22 Minuten bringt es dann "Travelling Man (The Story Of ESHU)" – nicht nur deshalb das Herzstück von "Fall In Love With The World". Saxophone spielen auf dem Basar, Streicher übernehmen die Führung, geleiten zu ruhigen Balladen, rhythmischen, folkigen Akustikparts und scheuen auch metallische Gefilde nicht. Letztere erinnern dank dem allgegenwärtigen Mystik- und Orientfaktor irgendwie an Krux' letztes Werk "He Who Sleeps Amonst The Stars".

Mittig verfällt Truey in Jethro Tull-artige Schauspielattitüde. Dann bricht ein kompliziertes Gitarrenriff herein und nährt ein dreckiges Violinensolo. Über einen langen Meditationsteil geht die Reise schließlich ihrem Ende zu. Hach, ist das schön: die finale Gesangsmelodie erinnert doch tatsächlich an Disneys "Tarzan" (Phil Collins – "You'll Be In My Heart").

Eigentlich ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören. Sechs wunderbare Progepen plus schicke, orchestrale Ouvertüre, knapp 55 Minuten Lauflänge, alle sind glücklich ... Naja: Der Kitschbatzen von einem Titelsong fehlt noch. So leid es mir tut, aber genau wie das nachfolgende "Religion Of War" ist das vor allem eines: überflüssig. Mit dem zuvor Gebotenen kann keiner der beiden Songs auch nur ansatzweise mithalten. Obendrauf gibts noch eine Alternativversion von "The Water", die man sich ebenfalls hätte schenken können.

Trotzdem: UPF liefern mit "Fall In Love With The World" ein absolut grandioses Album ab. Sie feiern das Leben in allen Facetten – Natur, Mensch, Liebe, was auch immer. Zwar fällt ihr Blick bisweilen etwas sehr blumig aus. Dennoch macht es Spaß, diesen sieben Kreativen zuzuhören. Herzgesteuerte Progmusik, bei der man unglaublich viel entdecken, andererseits aber auch einfach entspannen, sich wohlfühlen und gute Laune haben kann. Go for it!

Trackliste

  1. 1. We Only Get One World (Overture)
  2. 2. Choices
  3. 3. Intersection
  4. 4. The Water
  5. 5. Don't Look Back - Turn Left
  6. 6. Travelling Man (The Story Of ESHU)
  7. 7. Fall In Love With The World
  8. 8. Religion Of War
  9. 9. The Water (Alternative Mix)

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