laut.de-Kritik

Die blutige Rache für ein geschändetes Genre.

Review von

Sie haben ihn gekidnappt, vergewaltigt und ermordet - und die eigene Szene scheint sich am wenigsten darum zu scheren. Höchste Zeit, dass sich jemand berufen fühlt, Hip Hop aus den Klauen des Mainstream-Pop-Gangbangs, in den er sich hineinmanövriert hat, zu retten - und wenns nur für die Dauer einer Albumlänge ist.

So lange leisten MC Gambit und Reach Da Reapa dann auch ganze Arbeit. "From Bern to Hamburg to East London" verläuft die Achse derer, die sich zu einer zünftigen Vendetta berufen fühlen. Gekommen, um anzuklagen, zu foltern und zu schlachten, nehmen sie blutige Rache für alles, das ihrem Lieblingsgenre über die Jahre angetan wurde. Kompromisslos. Gnadenlos. "We came to regain."

Dass derlei um Welten zu hart und zu finster für den Massengeschmack ausfällt, sollte auf der Hand liegen. Immerhin nett, dass In- und Outro fürsorglich hinein in die rabenschwarze Nacht, und - auch wenn man das zu diesem Zeitpunkt gar nicht möchte - wieder heraus geleiten. Dazwischen steckt eine volle Packung Aufs-Maul-Rap, dass man ohne Rücksicht auf die blutigen Stümpfe der eingetrümmerten Zähne breit grinsen möchte.

"They say true hip hop is dead - so what the fuck is this?" Nachdem Reach Da Reapa den Terminus "Hip Hop" - besudelt, wie er ist - ohnehin nicht mehr leiden kann, springt einen die Alternative mit dem nackten Arsch voran ins Gesicht: Das hier ist Britcore, "the sound of the righteous", wie ihn seine Blütezeit nicht effektiver hätte ausspucken können.

Was der Hip Hop-Großvater noch wusste, ist längst nicht mehr jedem präsent: "The whole chemistry came from Jamaica", erklärte Kool Herc einst den allem zugrunde liegenden Vibe, den The Ironfist für ihre Zwecke frisch wiederbeleben. Mund-zu-Mund-beatmet von Dub-Reggae blubbern die Basslinien, etwa in "Put Your Fist Up" oder "Underground Assassins". In "Soldiers Like Us" scheuchen zusätzlich jagende Streicher die frisch wieder zusammen getrommelte Armee vor sich her.

Auch, wenn ein einsames Klavier antäuscht, sollte man sich bloß nicht einlullen, dafür aber die Bauchmuskeln angespannt lassen: "True Fists" schlagen hart zu, "Lightning & Thunda" entpuppt sich als böse Halswirbel-gefährdend, der "Torture Barracuda Remix" wahrhaftig als der versprochene "another Ironfist jawbreaker". DJ Stylewarz führt zudem für "Born To Stun" noch Scratches der alten Schule im Gepäck.

Schonungslos zerren The Ironfist einst eherne, trotzdem schändlich in Vergessenheit geratene Wahrheiten ans Licht. "If you wanna be a DJ you need some skills", zum Beispiel. Klingt banal, scheint aber heute trotzdem höchstens noch jedem Vierten bewusst zu sein. Oder: "Nothing is stronger than the truth."

Reach und Gambit stapfen wie Godzilla und sein böser Zwilling durch das entfesselte Inferno, Rap gewordener Ingrimm der eine, die Definition von "murder flow" sein eidgenössischer Kompagnon. In einer gerechten Welt müssten die zweifelhaft begabten Zeitgenossen, die ihrer Hörerschaft Traumsand der Sorte "Technik ist egal, es geht um Personality" in die Augen zu streuen versuchen, angesichts solcher "Underground Assassins" eigentlich grußlos zu Staub zerfallen.

Das Leben allerdings ist kein Tanzverein, vermutlich findet deshalb auch diese Veröffentlichung wieder bestenfalls Bruchteile der Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte. Das größte Problem der finsteren Keller in Bern, Hamburg oder Ost-London, in denen Britcore offenbar ungebrochen fruchtbar gedeiht, bleibt eben, dass sie finster sind. Nur sehr gelegentlich funzelt das Licht der Öffentlichkeit hinein. Ein Trauerspiel.

Doch mit der Rache kommt auch Trost: "No need to cry. The redeemer is on the run." Spätestens jetzt möchte ich meine alten Panacea-Platten ausgraben, mit denen im Set sich die der Ironfist gar trefflich vertragen würde. Erst: "Unite the underground." Dann: "Man my battlestations."

Trackliste

  1. 1. Intro - Into The Darkness
  2. 2. Torture
  3. 3. Put Your Fist Up
  4. 4. True Fists
  5. 5. Soldiers Like Us feat. Ill Inspired & Mistah Bohze
  6. 6. Lightning & Thunda
  7. 7. Born To Stun feat. DJ Stylewarz
  8. 8. Underground Assassins
  9. 9. Torture Barracuda Remix
  10. 10. Outro - Out Of The Dark

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT The Ironfist

Entführt, vergewaltigt, ermordet. Das Opfer heißt Hip Hop. Höchste Zeit, Rache zu üben. Reach Da Reapa und MC Gambit fühlen sich zur Vendetta berufen …

1 Kommentar