laut.de-Kritik

Im Bannkreis der Höllentour.

Review von

Symphony X stürzen sich kopfüber in die Hölle. Gitarrenpapst Michael Romeo und seine Crew folgen zwar den Spuren der mythischen Konzepte der Band-Vergangenheit, verzichten jedoch auf ermüdendes Storytelling.

Zwei klassische Stoffe stehen Pate für ein loses konzeptuelles Geflecht: Dantes Inferno mit seinen neun Höllenkreisen und einem Folterarsenal, das aus heutiger Sicht leider allzu menschlich erscheint. Zu all den Grausamkeiten und Gemeinheiten findet man mit Orpheus Gang in die Unterwelt den emotionalen Konterpart. Die Leitfrage lautet hier, wie weit man für etwas gehen kann, das man liebt.

Getreu der Verehrung der literarischen Klassiker beschreiten die Amis ihren Turn durch die Unterwelt auf klassischen musikalischen Pfaden. Technisch-versierter Prog-Metal dient als Grundierung. Harsch-dissonanten Hochgeschwindigkeits-Riffs spiegeln Affekte wie Wut, die Spanne zwischen Freude und Trauer wird mittels Dur-Moll kontrastiert. Zahlreiche Rock- und Metal-Spielarten sind in das Soundbild eingestreut. Ein Hauch der bandeigenen Klassiker "The Divine Wings Of Tragedy" und "V: The New Mythology Suite" weht durch das Frequenzspektrum. Die Überhärte von Iconoclast dient hier lediglich als Mittel zum Zweck.

Die Hook bleibt dabei stets der Fluchtpunkt des gekonnten Songwritings und kriecht dank Russel Allens breiter emotionaler Sangeskunst in den meisten Fällen über die Hörschnecke in die verschlungenen Hirnwindungen. Den pathetischen Anteil besorgen die klassischen Elemente meist in Form Bedeutung heischender und Unheil verkündender Chöre, die wie sämtliche Orchestersounds der Konserve entliehen sind.

Hört man sich Romeos Äußerungen über die neue Scheibe an, wähnt man sich in einer Vorlesung an der Popakademie. Alles ist perfekt abgestimmt, sitzt und passt perfekt zusammen. Hier bleibt nichts dem Zufall überlassen.

So gibt es nach einer kurzen, klassisch angeheiterten Ouvertüre mit dem flott-fickrigen "Nevermore" und dem düster-dräuenden "Underworld" eine ordentliche Packung links und rechts auf die Lauscher. Es folgt mit der zwischen Akustik und Elektrik pendelnden Mini-Oper "Without You" ein erster Ruhepol. Danach rifft Romeo, als hätte er norwegischen Black Metal auf Speed konsumiert ("Kiss Of Fire") und geizt auch nicht mit seit Kashmir-Tagen im Rock salonfähigen Orientalischen Skalen ("Charon").

Einen Longtrack bitte, hört man schon die Fans der ersten Stunde rufen und voilà: "Hell And Back" beruhigt auch diese Fraktion, ehe die beiden folgenden Stücke "In My Darkest Hour" und "Run With The Devil" bekanntes Riffing und solide Refrains bieten. Mit "Swan Song" darf auch endlich Keyboarder Michael Pinnella seine Songwriting-Lorbeeren einstreichen, bevor der Schlusstrack "Legend" noch mal kräftig an der Pathos-Schraube dreht.

Trotz der linearen Federführung von Romeo finden sich viele Schnörkel und Umwege und man kann sich dem Bannkreis der Höllentour nur schwer entziehen. Ein bei aller Planwirtschaft stimmiges Gänsehaut-Spektakel, mit dem sich Symphony X gemeinsam den Genre-Thron mit Threshold teilen, während Dream Theater nur noch im Rückspiegel zu sehen ist.

Trackliste

  1. 1. Overture
  2. 2. Nevermore
  3. 3. Underworld
  4. 4. Without You
  5. 5. Kiss Of Fire
  6. 6. Charon
  7. 7. To Hell And Back
  8. 8. In My Darkest Hour
  9. 9. Run With The Devil
  10. 10. Swan Song
  11. 11. Legend

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Symphony X

Gitarrist Michael Romeo und Basser Thomas Miller haben schon zusammen bei Phantom's Opera gespielt, wo es vor allem Michael bereits durch sein 8-Finger-Tapping …

1 Kommentar

  • Vor 8 Jahren

    Ich habe das Gefühl, dass der Rezensent bisher kein Album von SX gehört hat. Gerade als SX-Fan wäre es interessant, ob der Weg nach dem hochstylisiertem Iconoclast wieder etwas zurück zu den Wurzeln geht, was mit TO und PL relativ gut funktioniert hat.
    Wen es interessiert; Underworld macht genau da weiter, wo PL aufgehört hat und wäre die logische Entwicklung gewesen, anstatt des blutleeren Iconoclast. Without you erinnert fast ein wenig an The Accolade 1+2, ansonsten gibt es neben dem oben erwähnten Swansong kaum ruhigere Töne.
    Und der "Longtrack" hat vom Aufbau und der Progressivität mit älteren Werken leider gar nichts zu tun, und wird den Rufen nach einem solchen sicher nicht gerecht.