laut.de-Kritik
Musik hui, Jubiläums-Paket geht so.
Review von Giuliano BenassiDie Ereignisse von 1968 prägen die Welt bis heute. Zumindest in unseren Breitengraden. In den USA erfuhren Martin Luther King und Robert Kennedy gewaltsame Tode. Auf den Straßen formte sich eine lautstarke Protestbewegung gegen Vietnamkrieg und Rassentrennung. Die Hippies aus San Francisco waren zu einem nationalen Phänomen geworden, ihre Auftritte beim Monterey Pop Festival hatten Jimi Hendrix und Janis Joplin zu brillanten wie kurzen Karrieren verholfen.
Die größten Stars kamen jedoch - noch - aus Großbritannien. In vielen europäischen Ländern waren Studenten auf die Straße gegangen, um gegen den Krieg und die Spießigkeit ihrer Eltern zu demonstrieren, während in Prag blutig niedergeschlagene Proteste gegen das kommunistische Regime stattgefunden hatten. Die Zahnräder knirschten so gewaltig, dass es bis in die schallisolierte Welt der obersten Popliga vordrang.
Auf dem "White Album" hatten die Beatles eine verhaltene Stellung eingenommen. "You say you want a revolution / Well, you know / We all want to change the world", sangen sie im gleichnamigen Lied aus der Feder John Lennons. "But when you talk about destruction / Don't you know that you can count me out". Auf "Blackbird" sympathisierte Paul McCartney mit den Demonstranten, die dem weit verbreiteten Rassismus entgegen traten.
Deutlicher formulierte es Mick Jagger. "Ev'rywhere I hear the sound / Of marching charging feet, boy / 'Cause summer's here and the time is right / For fighting in the street, boy" sang er in einem Lied mit dem deutlichen Titel "Street Fighting Man". Doch auch er relativierte die Aussage wieder: Well, what can a poor boy do / Except to sing for a rock n' roll band". Auch wenn Bruce Springsteen, selbst ein politischer Aktivist, sie später als eine der bedeutendsten des Rock bezeichnet hat.
Überhaupt ist "Beggar's Banquet", auf dem das Lied erschien, ein herausragendes Album, nicht nur in der Geschichte der Rolling Stones. Nach dem psychedelisch angehauchten "Their Satanic Majesties Request" (1967) besannen sie sich wieder auf ihre Wurzeln, die in Blues und - teilweise - Country lagen. Vermutlich nicht ganz freiwillig, denn der experimentierfreudige Bandchef der Anfangstage, Brian Jones, hatte sich in einen Sumpf aus Drogen und seelischen Problemen verirrt und fand nur noch selten seinen Weg ins Studio. Wenn er da war, mischte der neue Produzent Jimmy Miller seinen Beitrag in den Hintergrund. Oder löschte ihn oder nahm ihn gar nicht erst auf. Jones spielt auf diesem Album nur noch eine Nebenrolle.
Seine wichtigsten Beiträge waren die Slide-Gitarre in "Jigsaw Puzzle" und vor allem "No Expectations". Letzteres spielten die Rolling Stones ausnahmsweise alle gemeinsam ein, im Kreis sitzend. Die Ballade, textlich von ihrem großen Vorbild Robert Johnson inspiriert, gehört nach wie vor zu ihren bekanntesten.
Das Steuer hatten längst Jagger und Richards übernommen. "Prodigal Son" war eine Coverversion des Bluessängers Robert Wilkins, ansonsten schüttelte das Duo zuverlässig brauchbare eigene Songs aus dem Ärmel. Selbst das einfach gehaltene "Factory Girl" übt nach wie vor seinen Reiz aus. Auf dem abschließenden "Salt Of The Earth" durfte zum ersten Mal Keith Richards die Hauptrolle am Mikrophon übernehmen.
Ewig tüftelten sie am bekanntesten Stück des Albums, "Sympathy For The Devil", um dem provokativen Text den richtigen Rahmen zu bieten. Als Folkballade gestartet, spielte die Gitarre nur noch im fiesen Solo Richards' eine Rolle, denn die Begleitung besteht im Grunde aus perkussiven Elementen. Samba-Rhythmen, bei denen Jagger Satan als Gentleman darstellt, der nebenbei das eine oder andere Blutbad anrichtet. "I shouted out / Who killed the Kennedys? / When after all / It was you and me", singt er zwischendrin. Das Böse steckt also in jedem von uns.
Es wäre interessant gewesen, den Werdegang des Stücks anhand verschiedener Versionen nachzuvollziehen, doch selbst zum 50. Jubiläum sind sich die Rolling Stones und ABKCO, die Firma ihres damaligen Managers Allen Klein, offenbar nicht einig geworden. Klein hatte ein kompliziertes Konstrukt auf die Beine gestellt, das der Band kurzfristig außergewöhnlich gute Konditionen einbrachte, die Rechte auf die Stücke aber bei seiner Firma beließ - ein Umstand, der sich auch in zahlreichen Gerichtsverfahren nach der Trennung 1970 nicht wesentlich geändert hat.
Die Band würde an Bonus-Veröffentlichung oder Demo-Versionen auch nichts verdienen. Wobei man meinen könnte, dass sie genug Kohle in ihrem Leben gescheffelt hat, um dem mittlerweile verstorbenen Manager - und vor allem den geneigten Zuhörern - etwas zu gönnen. Dennoch blieb seit jeher nur der Griff zu Bootlegs.
Für die Jubiläumsausgabe von "Beggars Banquet" hat Tontechniker deluxe Bob Ludwig die Spuren nach 2002 noch einmal neu abgemischt. Und die Verpackung enthält nun beide Cover: Das biedere weiße als Schuber, unter dem sich das berüchtigte und vom Label ursprünglich abgelehnte Klofoto verbirgt. Die Vinyl-Version bietet auf einer zweiten Scheibe zudem noch eine Mono-Abmischung von "Sympathy For The Devil" sowie das Klofoto als Relief auf Seite 4. Als Gimmick ist auch ein Flexidisc mit einem Interview dabei, das der Verantwortliche des japanischen Vertriebs mit Jagger führte.
Nichts, worauf man angewiesen ist, wenn man das Album schon besitzt, zumal die Preise vergleichsweise gesalzen sind. Wer die Platte noch nicht hat, darf sich an der guten Abmischung freuen. Und am Umstand, dass sie etwa 30 Sekunden kürzer ist als das Original: Beim Mastering vor 50 Jahren war eines der Geräte falsch eingestellt, sodass es einen Deut zu langsam lief. Hier sind die Songs in der richtigen Geschwindigkeit zu hören.
1 Kommentar mit einer Antwort
ja, und das Ableben von Brian Jones könnte auch ganz anders gewesen sein als kolportiert. Für den richtigen Erfolg war er im Weg, da labil und abhängig- und passte nicht in Cash-Cow Konzept.
zu diesem Konzept passt das neue Best of Album Honk bei dem es die besten Songs zum x-ten lam zu kaufen gibt...