laut.de-Kritik

Mittelmaß ist eben sicher, unbedrohlich und verkauft sich.

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Im Grunde genommen wurde ja über die aktuelle Inkarnation von Friedrich Kautz schon so ziemlich alles gesagt: Als Untergrund-Schwergewicht erwachsen geworden, entwickelte er sich vom Porno zum Pi, kurz wieder Porno, jetzt wieder Pi und bevölkert seither die schmale Grenzregion zwischen Deutschrap und Deutschpop. Ein bisschen intellektueller als Sido, ein bisschen sesshafter als Cro, wesentlich weniger experimentell als Casper, aber doch immer da, an der vordersten Front der kommerziellen Rapmusik.

"Nichts War Umsonst" kommt nun daher wie das Album, das diesen Zustand zementieren soll. Wenn Prinz Pi vorab im Interview noch erzählt, er lasse sich dieses Mal unter anderem von Acts wie Father John Misty inspirieren, dann macht dies zwar Hoffnung, die aber recht schnell in der Konsens-Wut der Platte untergeht. Denn musikalisch denkt man hier vor allem an die Tim Bendzkos und Mark Forsters dieser Welt. Auf weiten Strecken des neuen Albums bewegt sich Pi nach angedeuteten Ideen immer wieder erschreckend handzahm durch seine musikalische Palette.

Textorientiert wird man das wohl nennen. Und zugegeben: Songs wie "Schatten", "Haus Im Wald", "Hellrot" oder "Letzte Liebe" liefern auf diesem Parkett. Themen wie Tod oder Depression werden intensiv und nahbar aufbereitet, das Storytelling von Pi bleibt allem Spott zum Trotz potent, wenn er es denn will. Und wäre die ganze Platte so dicht und persönlich, wie das letzte Drittel es aufblitzen lässt, dann hätten wir es hier mit einem ganz anderen Kaliber zu tun.

Leider Gottes versuchen jedoch zu viele Tracks von "Nichts War Umsonst", Hits zu sein: "Original" mit Mark Forster gerät als derart schmieriger Kopf-Hoch-Song über irgendeine nondeskripte Dame, dass man fast meinen könnte, hier wurden Formeln aus den alten One Direction-Tagen neu aufgekocht. Auf "Nordpol" schmiegt der Prinz sich mit Vokabular und Diktion etwas zu nah an Featuregast Bausa, wodurch der ganze Track deutlich aus dem sonstigen Ductus entgleitet, und "Für Immer Und Immer" - wenn auch im Albumkontext solide mit den bisherigen Themen und Motiven verwoben – scheitert an der Größe der Emotionen.

Es geht um große Pläne und kleines Glück, um Hoffnung und Freundschaft, das Dasein als Außenseiter, Verlorensein in dieser ungeheuerlichen Welt. Und ja, trotz aller Kauzigkeit beiseite zeichnet Prinz Pi immer wieder Bilder, die diese Sentiments authentisch illustrieren und dabei trotzdem die Zielgruppe nicht zurücklassen. Das macht es um so unverständlicher, dass so viele Cuts sich wie liebloser, kommerzieller Fan-Service anfühlen.

Apropos kommerziell: Ja, Pi hat ein weiteres Pop-Album gemacht. Mainstream-gerecht kullern Pianos und Gitarren durch die Speaker, die Beats klingen kompetent, aber eben doch ohne intensiveren Drall. Dazu kommen ausgewaschene Moll-Melodien und eine betrübende Fantasielosigkeit in der Songstruktur, so dass sich weite Teile von "Nichts War Umsonst" wie abgetragener Deutschpop anhören. Eben die Art von Musik, die man mit "kann man nichts gegen sagen" beschreiben würde. Harmloses Mittelmaß.

Und wäre das der Deal, wäre es ja in Ordnung. Dann wäre es eben ein weiteres harmloses, textorientiertes Pop-Rap-Album für die Zielgruppe, das musikalisch mutlos auf die Vorzüge des Protagonisten setzt. Das wird dann aber durch kurze Intermezzos musikalischer Freiheit immer wieder in einer Art aufgebrochen, die der Vorstellung Raum geben, wie das Album eigentlich hätte klingen können, hätte man es nicht durchgehend auf die Punktlandung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner abgesehen.

Manch gechopptes Vocal-Sample wie auf "Trümmerfeld" oder "Hellrot" bietet ansprechende Texturen, klingt frisch und unverbraucht. Die Orgeln in "Vielleicht", die Bridge von "Nordpol" - Stellen, die zwar zweifelsohne Pop sind, das Genre aber so viel weitläufiger und fantasievoller ausspielen. Da könnte so viel mehr sein. Das Problem ist einfach nur, dass wir dieses bombastische, ambitionierte All-Out-Album, das all diese Ideen radikal durchzieht und wagemutiger experimentiert, von Pi nicht mehr bekommen werden. Der Konsens funktioniert ja, deswegen ist es ja der Konsens. Mit welcher Begründung sollte er von diesem Punkt auch Risiken eingehen?

Am Ende ist "Nichts War Umsonst" ein Album im Stil von "Kompass Ohne Norden" oder "Im Westen Nix Neues". Für mich persönlich fühlt das Album sich allerdings an wie ein Film, der cineastisch wie narrativ immer wieder kurzes Potential aufblitzen lässt, nur um sich dann doch wieder ins Mittelmaß zurückzuziehen. Das Mittelmaß ist eben sicher, unbedrohlich und verkauft sich. Von dem Gedanken an das fantastischen Album, das der Mann vielleicht doch noch machen könnte, muss man sich wohl verabschieden. Das will der deutsche Pop nämlich vermutlich gar nicht hören.

Trackliste

  1. 1. Sandstrand
  2. 2. Das Original feat. Mark Forster
  3. 3. Meine Welt
  4. 4. Hellrot feat. Bosse
  5. 5. Nichts War Umsonst
  6. 6. Vielleicht
  7. 7. Nordpol feat. Bausa
  8. 8. Zahlen Zählen Nicht
  9. 9. Liste
  10. 10. Trümmerfeld feat. Kaind
  11. 11. Haus Im Wald
  12. 12. Letzte Liebe
  13. 13. Schatten
  14. 14. Für Immer Und Immer

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