laut.de-Kritik

Wie eine Schautafel aus dem Heimat- und Sachkundeunterricht.

Review von

"Rap in Reinform", verspricht das Begleitschreiben zu Olli Banjos neuem Album. "Richtig geil spitten." So rein und so geil offenbar, dass beide Floskeln im Text gleich mehrfach drinstehen. Ich versteh' den Autor dieses Werbetextes, ehrlich. Viel mehr wäre mir auch nicht eingefallen, müsste ich "Großstadtdschungel" in ein positives Licht rücken.

Zum Glück ist das nicht mein Job. Alles, einfach alles an diesem Album geht mir brachial auf den Sack, angefangen bei seinem Titel. "Großstadtdschungel"? Echt jetzt? Donnerwetter, diese ranzige Analogie hat zuvor ja wirklich noch keiner verwendet. Das hält Olli Banjo allerdings nicht davon ab, das abgegrabbelte Bild vom concrete jungle auf Tracklänge auszuwalzen.

"Hyperaktive Affen feiern 'ne Osterfete, quatschen ohne Punkt von ihren Eiern." Immerhin haben die ein Thema: Olli Banjo dagegen erzählt fünf Minuten lang genau nichts, das aber dafür in ordentlich verkniffenem Tonfall. "Großstadtdschungel", der Track, wirkt mit seinen wahllos zusammengewürfelten Metaphern ohne Ziel und Zweck wie eine Schautafel aus dem Heimat- und Sachkundeunterricht. "Unsere Zootiere".

Während die körperlosen Chöre, die schnarrenden Sounds in den Strophen durchaus irgendwie klar- und die Schüsse, Cuts und Scratches mit einem Miminum an Wohlwollen (statt als vorgestrig) gut und gerne noch als oldschool durchgehen, raubt die lummelige Hook dem ohnehin ereignisarmen Geschehen die letzte Dynamik. Immerhin gestattet die strategisch am Beginn der Tracklist platzierte Nummer einen doch recht treffenden Ausblick auf das Kommende: Zumindest inhaltlich geht es nämlich genau so weiter. Mit quasi nichts.

In "100 Rapper" fordert Olli Banjo ebendiese zum Duell. Ob sich 2017 allein mit der Kenntnis des Alphabets und Ich-bin-der-Geilste-Standard-Gelaber noch Überlegenheit demonstrieren lässt? Ich finde: nö. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich kaum entscheiden kann, ob mich der La-la-la-Loop mehr nervt, oder doch Olli Banjos gewollt aggressiver Angriffsmodus, der so aufgesetzt wirkt, dass man nirgends auf die Idee kommt, die Vernichtung der Hundertschaft imaginärer Gegner könne ihm tatsächlich irgendwie am Herzen liegen.

Herzenssachen, da sag' ich was: Im hübsch romantisch betitelten "Arschloch Dumme Sau" geht es nämlich genau darum: um Privat-Gedöns der übelsten Sorte, eine Art "Ich Find' Dich Scheiße 2017", das von Streicherschmonz bis zum Frauensingsang im Chorus alle Register zieht. Beziehungsnichtigkeiten mit unangenehm gesungener Hook gibt es noch einmal in "Mach Das Nochmal". Nein, bitte nicht!

Noch schlimmere Männlein-Weiblein-Beziehungsklischees reitet "Bruce Willis", angesichts dessen inhaltlicher Schlichtheit man sich fragt, ob Olli Banjo über die geistige Reife eines 17-Jährigen wirklich nicht hinausgekommen ist. "Alle meine Träume sind verletzt oder tot", heißt es da. Eine Zeile, die - wenn auch vermutlich unfreiwillig - die ganze Tragik von "Großstadtdschungel" auf den Punkt bringt. Olli Banjo hat keine Träume, keine Fantasie, nichts zu sagen, keine Songideen, keine musikalische Vision.

Deswegen muss neben "Bruce Willis" und später "Charlie Brown" auch wieder der olle "Robin Hood" als Rolemodel herhalten, wenn Olli Banjo im Team mit Vega kundtut: "Ich zieh' meine Pumpgun." Na, sowas. Immerhin bedient der Oberfreund von Niemand mein eingebautes Faible für Frankfurter Jungs mit hessischem Zungenschlag und fällt ansonsten nicht weiter auf.

Auch KC Rebell, PA Sports oder Ali As hinterlassen keinerlei Eindruck. Mic Donet dagegen empfiehlt sich in "Böser Junge" und "Nicht In Dieser Nacht" als Xavier Naidoo für Arme: Muss ich mir merken, um ihn fürderhin weiträumig zu umfahren.

Gemerkt habe ich mir außerdem "Skinhead", weil hier der Versuch, eine (eigentlich löbliche) politische Botschaft zu transportieren, so richtig schön in die Hose geht: Vorurteile gegen Ausländer und die tragische Geschichte eines Flüchtlingskinds aus Afghanistan quirlt dieser Track mit Klimperklavier und Kindersingsang zu genau der unausgegorenen Mischung zusammen, die - zumindest bei mir - statt Betroffenheit einzig und allein den Wunsch nach einem kleinen Gewaltexzess befeuert. Fast egal, gegen wen.

Wenn du dann denkst, du hast das Schlimmste hinter dir, du hast den Popradiovibe von "Rosa Panzer" überstanden und die merkwürdig an-ge-christelte Buss- und Bettags-Veranstaltung von "Böser Junge", und hast am "Ballermann 5" in den tiefsten Niederungen gegründelt, dann kommt ja erst der richtige Tiefschlag. Dann nämlich, wenn Olli Banjo zusammen mit Prinz Pi die Nostalgiewelle reitet:

"Es ist verdammt lang her, wooooo-hooooo, woooo-hoooo!" Astreine Markforstermusik ist das, lieb- und seelenlos am Reißbrett konstruiert für genau die gleiche Zielgruppe. Die wird aller Voraussicht nach dafür sorgen, dass diese Scheiße genau so penetrant um jede Ecke dudelt wie weiland "Wir Sind Groß". Die haben dann aber auch genau das verdient. Das ist so grauenvoll, danach tut der endlose Marsimoto-Rip-Off "Eidechsenblues" kaum noch weh.

Nachdem ich versehentlich den gemeinsamen Track mit Samy Deluxe gehört habe, bin ich sehr dankbar dafür, dass sich der - zusammen mit anderen "absoluten Topsongs" - bloß auf dem Bonus-Album in der Deluxe-Box findet. "Andere packen irgendwelchen Unsinn in ihre limitierten Boxen, ich lege einfach noch ein zweites Album umsonst dazu." Umsonst? Den im Vergleich zur "normalen" CD-Ausgabe mehr als doppelt so hohen Preis der Box rechtfertigt dann wohl der formschöne Pappkarton. Der hält wenigstens sein Maul.

Trackliste

  1. 1. Großstadtdschungel
  2. 2. 100 Rapper
  3. 3. Arschloch Dumme Sau feat. Jahy
  4. 4. Robin Hood feat. Vega
  5. 5. Bruce Willis
  6. 6. Skinhead
  7. 7. Rosa Panzer feat. PA Sports, Mica Dulce
  8. 8. Böser Junge feat. Mic Donet
  9. 9. Wir Sind Das Volk feat. KC Rebell
  10. 10. Ballermann 5 feat. Ali As
  11. 11. Verdammt Lang Her feat. Prinz Pi
  12. 12. Mach Das Nochmal
  13. 13. Eidechsen Blues
  14. 14. Pass Ma Gut Zu feat. Samy Deluxe
  15. 15. Charlie Brown
  16. 16. Nicht In Dieser Nacht feat. Mic Donet, A.V

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20 Kommentare mit 34 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Was ist das denn für geistiger Müll? Die Bewertung wird dem wirklich guten Album alles andere als gerecht. Klar, Musik ist immer Geschmackssache... Aber so eine Rezension ist nicht im Entferntesten ernstzunehmen. Pures rumtrollen und eher in die Kategorie "Ich mach mal wieder ne lustige Review für die Leute die mich cool finden" einzuordnen

    • Vor 6 Jahren

      weshalb sollte man auch sonst ne review machen?

    • Vor 6 Jahren

      Naja, primär um Lesern das Produkt näher zu bringen. Ob nun auf positive oder negative Art und Weise. Wenn es aber - so wie hier- in Selbstverherrlichung und aufgesetzten Sprüchen endet... Kann man das nicht ernst nehmen. Sie hat ein "Best-Of-Verrisse"... und das schlachtet sie nun aus.

    • Vor 6 Jahren

      @Seppl
      Du sprichst hier einen wahren Point an der auch mir schon oft aufgefallen ist bei laut.de.

      Die Kritiker dieser Seite meinen allzuoft das sie haben die Weisheit mit den größten verfügbaren Schöpfkellen verschlungen, nur was ihnen dabei nicht aufällt ist das dieses EIntopfgericht dass sie da verzerren nicht gewürzt wurde mit der Weisheit. Es ist vielmehr ein abgestandenes ja oft schon ranziges Gebräu aus Selbstgerechtigkeit und schlechten Witzen die sie benutzen um ihre Kritiken zum Paper zu bringen. Sie müssten es besser wissen wen sie als anerkannte Autoren durchgehen wollen auf dieser Seite und vor uns Usern. Aber das bleiben wohl Wünsche der Frommen

      Beste Grüße
      Willi

  • Vor 6 Jahren

    Also ich sehe da eine unheimliche Entwicklung. Yurderifikation, nennt man das im Fachjargon.

    • Vor 6 Jahren

      Naja, aber Banjo hat immerhin zwei gute Alben - Savas bloß eins.

    • Vor 6 Jahren

      Savas hatte seinen Peak ja irgendwie auch vor seiner Solo-Karriere. Bin mir übrigens auch nicht so sicher, ob ich persönlich Banjo aus heutiger Sicht zwei gute Alben zugestehen würde. Für mich sind DBTML und das Remix-Album deutlich besser gealtert als Roe Beardies Synthie-Wahnsinn und Banjos flowtechnische und lyrische Eskapaden. Hab letztens mal wieder "Erste Hilfe" und "Schizogenie" durchgeskippt und fand es überwiegend belastend.

    • Vor 6 Jahren

      Banjo hatte immer das Glück, dass seine Skills ihm den Hals gerettet haben. Die musikalische Untermalung empfand ich damals schon in weiten Teilen als "belastend". :O

    • Vor 6 Jahren

      find ich auch. banjos output ist echt mies gealtert. Die Mische ist halt auch dreck. Obwohl ich trotzdem spannend fände was Roe Beardie heute für Beats machen würde...

    • Vor 6 Jahren

      Das Remix Teil damals 04 von SAV war schon stark, das dazugehörige Mixtape wo er u.a auf US-Beats etc drauf war auch. Hab ich auch als insgesamt gut gealtert in Erinnerung auch wenn das damals ja die Zeit der weiten Hosen und Shirts war, weitentfernt von Nafri-Trap und Co

  • Vor 6 Jahren

    Sehr wohl, ein grotten schlechtes Album! Vielleicht sogar noch schlechter als "Dynamit"! Ich werde es nicht rausfinden welches nun beschissener ist weil ich vermeiden werde es mir noch ein mal anzuhören.
    Meine Gefühlslage beim hören war irgendwas zwischen gelangweilt, angepisst und traurig. Ich meine, das war mal der Artzt der die "Erste Hilfe" brachte...