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Ungerechtfertigt?

Offensichtlich will "tru." ernster und erwachsener sein. Aus albernen Eskapismen für Teenies werden auf einmal offene Auseinandersetzungen mit Narzissmus und Umgang mit Liebe im Internetzeitalter. Ein ambitioniertes Thema, das im Augenwinkel einfach nur als selbstverliebt und chauvinistisch gelesen werden kann (ich selbst habe bis heute Schwierigkeiten mit dem Frauenbild der Platte). Aber die Kunst bietet derartigen Gedanken ja Raum und es funktioniert. Dass es sich nicht verkauft, das erklärt sich durch einen ganz schlichten Blick in die Vergangenheit.

Da ist ein ziemlicher Unterschied zwischen "Baby, mach dir nie wieder Sorgen um Geld" und "Plötzlich war Maria eine Slut". Interessanterweise aber allen voran in Bereichen wie Aussage, Framing und Inszenierung, weniger in grundlegenden Faktoren wie Wortwahl oder Sprachästhetik. Auf den ersten Blick dürfte es dem durchschnittlichen Rapfan also gar nicht so schwer fallen, einen Text wie "Computiful" als typisch Cro einzuordnen, aber denkt man nun aus der Perspektive des klassischen Teenie-Fangirls (das eben nunmal einen großen Teil seiner Zielgruppe ausmacht), stellt man fest: Das neue Material fühlt sich ziemlich judgemental an.

Die Einfachheit, die Scheiß-auf-die-Hater-Mentalität, all das Bravo-taugliche Material ist verschwunden. Stattdessen gibt es Auseinandersetzungen mit intuitiven Verurteilungen von Menschen für ihr Verhalten, ihre Vorstellung von Romantik und Sexualität. Spannendes Thema indeed, aber will man seinen Superstar-Schwarm bedrückt darüber nachdenken hören, auf wieviele Weisen er einen Scheiße finden könnte? Vermutlich nicht.

Also keine Teenie-Schwärme mehr als Klickvieh. Wer kompenisert das? Der typische Rap-Fan, der derzeit entweder auf dem Trap-Film abfährt oder Kollegah und/oder Oldschooler als Gegenbewegung hochstilisiert? "tru." passt in keine dieser Schubladen. Und deutsche Musikhörer haben ihre Schubladen eigentlich ganz gerne, denn auf ihnen baut subversiv das Hörverhalten auf.

Am ehesten bleiben also Musikhipster übrig, die gerade bei Live From Earth auf Yung Hurn, LGoony oder Bambus abfahren. Und selbst wenn sich von denen eine gute Handvoll für Cro geöffnet haben, ist das am Ende des Tages auch nicht die Demographie, mit der man Gold, geschweige denn mehrfach Platin geht.

Ja, "tru." ist vielleicht eines der besten Rapalben der letzten Jahre, das steht außer Frage. Aber leider übersetzt sich Qualität nicht direkt in Erfolg, sonst würden ja Grimes, St. Vincent und Janelle Monae statt leichter verdaulichen Popacts wie Fifth Harmony, Justin Bieber oder Halsey die Charts anführen. Es ist nicht fair, gewissermaßen sogar fast schon ziemlich ironisch, was da gerade mit dem eigentlichen Posterboy des Pop-Raps passiert. Aber überraschen sollte es eigentlich niemanden.

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2 Kommentare

  • Vor 6 Jahren

    "Ja, "tru." ist vielleicht eines der besten Rapalben der letzten Jahre, das steht außer Frage."

    Da disagreee ich aber, die Hälfte, die ich gehört habe war unfassbar boring und so grown-up wie das Wort grown-up.

  • Vor 6 Jahren

    Das Album ist doch gerade auch deshalb so gut, weil es eben in keine Schublade passt. Genau deshalb sind auch alle Kanye-Alben so besonders, weil sie eben gut und anders sind. Wenn ich mir heute 95 % der neuen Hip-Hop Sachen anhör, bleibts oft bei einem hören, weil alles nur noch der gleiche Trap-Einheitsbrei ist.