laut.de-Kritik

Wie traurig kann Musik klingen?

Review von

"Failing Songs" von Matt Elliott ist das zweite Album einer geplanten Trilogie, die 2005 mit "Drinking Songs" ihren Anfang nahm. Mit dem Sound seiner Band Third Eye Foundation hat die Musik des inzwischen in Frankreich lebenden Briten nichts zu tun.

Von gescheiterten Liedern kann nur insofern die Rede sein, als sie das Scheitern des geglückten Lebens thematisieren. Es sind verzweifelte und ernüchternde Berichte über den verheerenden Zustand der Welt. Ein Abgesang auf die moderne Gesellschaft. Elliott trägt die Welt zu Grabe und begibt sich auf einen melancholischen Trauermarsch. Vorwiegend osteuropäische Elemente prägen diese von traditionellen Instrumenten und berührendem Gesang vorgetragene Musik.

Sanft zupft Elliott im wunderschönen Opener "Our Weight In Oil" auf der Akustikgitarre einen langsamen Walzer, zu dem sich mehrere Stimmen mit einer ergreifenden Melodie wehklagend im Kreise drehen, während die Geige die Melancholie stimmig unterstreicht.

Das bedrohliche E-Gitarren-Muster in "Chains" klingt alles andere als lebendig. Kraftlos, aber wütend und verstörend schleppt es sich zu trostlosem Gesang und brüchigen Streichern durch das Stück. "We're free to do exactly what we're told/ we're free to buy what we're sold/ we're nothing more than slaves my dear/ but our chcains are made of gold". Ohnmacht bezüglich des menschenunwürdigen kapitalistischen Verwertungsprinzips. Das Ende klingt versöhnlicher und gleitet in das Instrumental "The Seance" über, das der Melodie des Vorgänger-Tracks mit Akkordeon, Streichern, Piano und weichen Bläsern einen Hauch von Optimismus und Lebenswillen verleiht. Wie traurig und gleichermaßen schön kann Musik klingen?

Melancholisch geht es mit dem Titeltrack "The Failing Song" weiter, nur klingt der Gesang nun klarer und reiner die Instrumente, die sich jetzt sogar zu einer wohltuenden Tempobeschleunigung hinreißen lassen. Eine spanische Gitarre entfaltet in "Broken Bones" ihr flottes Spiel zur einnehmenden, wieder mehrstimmig intonierten Melodie. Es ist die Eindringlichkeit des Gesangs, der auch in "Desamperado" zu Tränen rührt, das sich nach langsamem Beginn auftürmt zu einer gewaltigen Klangmauer, die schließlich in sich selbst zusammenfällt und nur der Gitarre und einer Flöte einen leisen Ausklang gewährt.

Diesem Sturm folgt mit "Lone Gunmen Required" mit einem zum Piano angestimmten Choral die vermeintliche Ruhe. Der nicht enden wollende destruktive Lauf der Dinge kündigt sich am Schluss bereits an: "Some day soon the time will come/ to rid the world of greedy scum/ when that day comes I'll get my gun/ you'll be the first against the wall my friend". Es gibt kein richtiges Leben im falschen, würde Elliott vermutlich sagen. "Good Pawn" setzt sich mit der fragwürdigen Ehre des Soldaten auseinander. Nach ruhigem Einstieg zur Akustischen und Streichern erhebt sich der Gesang, schwillt zu einem gespenstisch euphorischen Chor an, um abrupt wieder abzufallen.

Melodisch kommt "Compassion Fatigue" mit seinem Harmoniegesang ungemein tröstend daher, verliert aber mit Textzeilen wie "Like every time we always run through this shit over again" die fatalistische Lage nicht aus den Augen. Dieser Song geht über in "The Ghost Of Maria Callas" ein sentimentales Gitarren-Instrumental, das sich der griechischen Musiktradition bedient. Hymnisch-melodisch setzt sich "Gone" mit der menschlichen Vergänglichkeit auseinander. Der Zerstörung folgt in "Planting Seeds" die vage Hoffnung auf einen lebenswürdigeren Neuanfang.

Zwischen osteuropäischem Folk, Seemannsliedern und Trauermärschen bewegt sich dieser Matt Elliott mit seinen Liedern, die eine merkwürdige morbide Faszinationskraft ausüben. Von der Schönheit der Kompositionen mag ich in diesem pessimistischen Kontext nicht reden, wohl aber von einer äußerst intensiven Erhabenheit, die aus der Akzeptanz des Scheitern und des Leidens resultiert. In ihr verschmelzen die Klänge der Welt und die unendliche Traurigkeit mit der Sehnsucht nach menschlichem Glück, während die Fröhlichkeit woanders weilt.

Trackliste

  1. 1. Our Weight In Oil
  2. 2. Chains
  3. 3. The Seance
  4. 4. The Failing Song
  5. 5. Broken Bones
  6. 6. Desamparado
  7. 7. Lone Gunmen Required
  8. 8. Good Pawn
  9. 9. Compassion Fatigue
  10. 10. The Ghost Of Maria Callas
  11. 11. Gone
  12. 12. Planting Seeds

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Matt Elliott

Mit "The Mess We Made" bringt der 1970 in Bristol geborene und davor unter dem Namen Third Eye Foundation tätige Musiker 2003 das erste Album unter eigenem …

1 Kommentar