laut.de-Kritik

Pfeif' auf Business, Hypes und Bitches.

Review von

Erwartungen, ein heimtückisches Zeug: Sie verleiten zu zuweilen ungebührlicher Vorfreude und sorgen dafür, dass man immer wieder hart auf dem Boden der Realität aufschlägt. Gegenteilige Fälle kommen einem eher selten unter. Oder wann hat dich zum letzten Mal jemand, den du längst abgeschrieben hattest, richtig positiv überrascht?

EstA hatte ich nach seinem Debüt für (bestenfalls) uninteressant befunden und vergessen. Er unternahm ja auch lange nichts dagegen. Zwei Jahre ließ er ins Land ziehen, ehe die Fanfaren des Intros nun das nächste Album eintröten: "Hallo, Fans. Hiermit lös' ich mein Versprechen ein."

Huch! Kann mich gar nicht erinnern, eins gegeben bekommen zu haben. Aber ich war ja auch kein Fan, scheint mir. "BestA" besitzt in der Tat reichlich Potenzial, um diesen Zustand zu ändern. Die Platte lässt zwar ebenfalls noch reichlich Luft nach oben, daneben aber auch einen über weite Strecken positiven Eindruck.

Insbesondere verblüfft EstA mit breitem Spektrum. Klar, der Battlerapper steckt immer noch drin. Beleidigungs-Elegien wie "Was Da Los", in denen EstA nur den großkotzigen Showkämpfer raushängen lässt, bleiben aber die Ausnahme, genau wie pubertäre Kaspereien wie "Sex Mit Der Ex" oder "Ohne Dich".

Häufiger als auf mögliche Gegner oder Gespielinnen richtet EstA den Blick zurück oder nach innen. Er "könnte aus dem Nähkästchen plaudern", deutet er im Intro an, macht entsprechender Sensationsgier aber gleich einen Strich durch die Rechnung: "Doch ich tu es nicht."

Statt dessen beschreibt und analysiert er Situationen und Entwicklungen und lässt damit erstmals durchblicken, dass da "Hinter Den Kulissen" ein ganz normaler, nachdenklicher, am Ende sogar ein netter Typ sitzt, der sich seiner Sache nicht halb so sicher ist, wie sein großes Mundwerk glauben machen möchte.

"Business, Hypes, Bitches - am Ende ist nicht davon wichtig." Im Grunde wünscht sich EstA weiter nichts als ein bisschen Respekt und Verständnis. Um den Menschen hinter der Fassade zu zeigen, muss er jedoch zunächst die Deckung sinken lassen, was wiederum erheblichen Mut erfordert.

EstA beschreibt, wie es sich anfühlt, die Kontrolle gegen den "Tunnelblick" einzutauschen. "Freundeskreis" oder "Highmat" drehen sich um auseinander driftende Jugendfreundschaften, um das entwurzelte Gefühl, das sich einstellt, sobald man Vertrautes hinter sich lässt.

Direkt im Anschluss an das Suizid-Szenario des Vorgängertracks wirken Zeilen wie "Ich ahn', meine Zeit ist da" vor tickender Uhr in "Hier Und Jetzt" seltsam morbide und todessehnsüchtig. So schlimm, dass er den Eintritt in den "Club 27" tatsächlich in Erwägung zöge, steht es um EstA aber wohl nicht. So lange er noch fluffige, reiselustige Sommersongs wie "Ich Muss Raus" raushaut, muss man sich vermutlich keine allzu großen Sorgen machen.

EstA klingt hier wie Cro auf Urlaub. "Ja Oder Nein" hätte dagegen auch Marteria kredenzen können. Den Spaß am Singen hat sich EstA offenbar ebenfalls nicht verleiden lassen: Mehr als eine Hook gerät ihm diesmal eingängiger, als es es manchem lieb ist.

So abwechslungsreich wie die Flows gestaltet sich diesmal die Beat-Auswahl. Sinch & Typhoon, denen EstA fast ausnahmslos die Produktion anvertraut hat, fahren allerlei unterschiedlich schweres Gerät auf, darunter grelle Synthies für "Was Da Los" oder Rock-Gitarren für "Alles Ist Okay".

"Immer Noch Der Selbe" und "Ja Oder Nein" bemühen orientalische Melodien, "So Bin Ich Nicht" mutet irgendwie asiatisch an. "Ich Muss Raus" birgt - easy, eben - eine schon fast unanständige Dosis Pop. "Highmat" aromatisiert eine Reggae-Note, was zu Beginn noch etwas stereotyp wirkt, sich aber doch zu einem ganz ordentlich knarzenden, dunklen Tune auswächst.

Noch immer profiliert sich EstA nicht unbedingt als Erzähler vor Phantasie sprühender Geschichten. Seine Themen wirken wenig revolutionär. Sie beziehen vielmehr einen Teil ihrer Wirkung eben aus dieser Vertrautheit, dem großen Genau-so-isses-Gefühl, zu dem jeder leicht seinen eigenen Zugang findet.

Zum Schluss prescht EstA noch einmal nach vorne: "Ich hab' immer noch sowas von Bock auf den Scheiß." Hätte er gar nicht extra betonen müssen. Das hört man auch so. Selbst schuld: An Album Nummer drei hab' ich jetzt tatsächlich Erwartungen.

Trackliste

  1. 1. Hallo Fans (Intro)
  2. 2. Sex Mit Der Ex
  3. 3. Was Da Los
  4. 4. Alles Ist Okay
  5. 5. Ohne Dich
  6. 6. Immer Noch Der Selbe
  7. 7. Hinter Den Kulissen
  8. 8. Club 27
  9. 9. Hier Und Jetzt
  10. 10. So Bin Ich Nicht
  11. 11. Ich Muss Raus
  12. 12. Tunnelblick
  13. 13. Freundeskreis feat. Nima
  14. 14. Ja Oder Nein
  15. 15. Highmat
  16. 16. Besta (Outro)

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Im September 2010 veröffentlicht EstA seinen ersten Titel auf YouTube. Der Track heißt "Immer Noch ..." und bleibt vorerst ein Einzelstück. Jedoch …

2 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Soll ich mir nun dieses Esta Album kaufen oder doch lieber das von Lumaraa ich kann mich echt nicht entscheiden. Geb mir wohl erstmal den neuen Lifestyleblog von Simon Desue während ich weiterhin über dieser schweren Kaufentscheidung brüte.

  • Vor 8 Jahren

    Kennt noch irgendwer EstA? Der ehemalige VBT-Gewinner, der nach einigen Jahren die heimelige Video-Battle-Welt verließ, konnte seine zumeist jugendliche Fanbase beim Solo-Werk nicht davon überzeugen Euros anstatt Klicks zu geben. Wie schon bei einigen berüchtigen Rappern dieser Szene zuvor war der Sprung von der lauschigen Battleoase hin ins ungemütliche Haifischbecken Musikindustrie zu groß und sein Debut wurde fachgemäß zerissen. Die verstreuten Gräten eingesammelt, Selbsreflexion durchgeführt und neu motiviert präsentiert EstA nun den Nachfolger des so gar nicht "Estatainment" versprühenden Erstlings.

    Im battlelastigen" Intro" grüßt er die Fans und schenkt ihnen vertraute und erwünschte textliche Dynamik wie man es aus Zeiten seiner Online-Runden kennt.

    "Liebe Eltern guckt mal eure Kinder fordern, dass ich fluche
    Also gibt es Provokantes auf die Ohren, bis sie bluten!"

    Stimmlich klingt er hier leicht nach Fiksch, dem normalen Rapauftritt von Battle Boi Basti (um hier mal den gelangweilten Szenekenner zu markieren) und passt sich tempomäßig dem treibenden Beat an. Der Zielgruppe vor den Monitoren wird es zusagen, der Rest hat lieber "Sex mit der Ex" samt säuselnder Hook.

    Zu poppiger Musik wird auf halbwegs witzige Art versucht diese Thematik dem Hörer näherzubringen ohne eine neue Idee miteinfließen zu lassen. Dann doch lieber Handbetrieb und zwar per Umschaltemanöver.

    "Was da los"? Ein pulsierender Beat trifft auf mit Elan vorgetragene Zeilen.
    "Ich sag es nochma' fick dich Vollidiot so locker
    Deine Freundin hat mehr Bizeps - so als wärst du Oli Pocher
    Und ganz egal wie groß du bist
    Ich sorg' dafür, dass deine Fresse auf den Boden schneller aufschlägt als Djokovic"

    Nun, wieder die bewährte Battleschiene, doch will ich nicht um deepe Tracks betteln, denn die scheinen nach diesem etwas lebhaften Einstieg nun doch zu drohen.

    Vorsichtig blicke ich um die Ecke. Doch "Alles ist Okay"! Kein Kalkül-Kitsch sondern rockige Belanglosigkeit mit nervtötenden Tönen, die einen dennoch beruhigt weiterskippen lassen.

    Das folgende "Ohne Dich" bietet eine fröhliche Musikuntermalung und seichte, doch recht humorvolle Lines über eine Beziehung, die ihr Frischhaltedatum längst überschritten hat.
    "Ohne Dich Hätt' ich Silvester mit den Freunden verbracht
    Und nicht bei irgendwelchen Leuten, die ich heute noch hass'
    Bräuchte ich dir keine Schmerzen zu bereiten
    Solltest du mal ungefragt nach der Fernbedienung greifen"

    Nach so viel Spiel, Spaß und Schokolade werden aggressivere Klänge angestimmt. EstA ist "Immer noch der Selbe", gibt sich kampfeslustig "Und im Endeffekt sind [s]eine Songs so wie Leute Die Hörbücher aufnehmen, weil sie halt Bände sprechen"

    "Hinter der Kulissen" ist eingängig produziert und Energytrinker Es zum tA erzählt rückblickend von der schwierigen Produktionsphase des Vorgängeralbums, die einige Einschränkungen in seinem Leben mit sich führte. Auch sinniert er über seine eigene Person und Status.

    "Ich geb' immer noch ein Fuck auf den ganzen Hype
    Es zähl'n nur Freunde, die für mich da war'n in der Vergangenheit
    Bleibe auf dem Boden, nein das habt ihr nicht erwartet
    Denn wenn man zu hoch fliegt kann man nicht mehr atmen"

    Weiter geht die Reise und führt in den "Club 27", der neben recht atmosphärischen doch schlichten Tönen, vielen recht einfachen Wie-Vergleichen (die sich konsequent durchs Album ziehen) und einer nachdenklichen Grundstimmung versucht eine suizale, versoftete Gedankenwelt aufzubauen. Zur Sperrstunde verlasse ich diesen melancholischen Club aber auf schnellen Schritten und widme mich lieber dem "Hier und jetzt".

    Selbiger positiv eingestimmte Track bietet gut eingerappe Zeilen, ein solides Beatgerüst und eine recht flüssige Hook und hält das Rapniveau hin zum anschließenden "So bin ich nicht", das wieder kontrastmäßig nachdenkliche Gedanken schildert, die jedoch wieder recht einfach strukturiert ausfallen.

    "Ganz egal, wie du mich haben willst, so bin ich nicht
    Oft pessimistisch - mal' mit schwarz, sowie ein Tintenfisch
    Komm' nicht weiter grade, irgendetwas hindert mich
    Vielleicht muss ich die Zeichen einfach fühl'n - wie Blindenschrift"

    "Ich muss raus"! Oh ja, zu fluffig-banalen Beat mutiert EstA fortan zum Panda und ich bekomme den "Tunnelblick", der doch ein musikalisch viel besserer Bild liefert. Beattechnisch ist der Song gelungen und auch textlich zeigt EstA mehr Biss, den er im nachfolgenden Stück wieder etwas verliert.

    Das Thema des sich in alle Winde verstreuenden "Freundeskreis" wird von Feature Nima in der Hook recht austauschbar besungen, auch sonst ist der Track eher öde, auch vom musikalischen Gewand her.

    Abrupt gibts recht uninspirierte Club-Sounds und eine textliche Leere bei "Ja oder Nein". Ich wähle letzteres bei der Frage nach dem Replay-Wert. Bei "Highmat" gibts nochmal eine Packung einfacher Wie-Vergleiche und einen überladenen Beat mit einigen guten Elementen. "Damit aufzuhören ging nicht leicht wie mit Elefantenbeinen" Doch wir müssen zum Outro. Hat dieses etwa "einen Haken wie eine Angelleine"?

    Beim Schlussakkord gibts nochmal einen recht monotonen Beat und Battlerhymes voller Selbstvertrauen.
    "Ist schon geil, yeah - an sowas war vor Jahren nicht zu denken
    Mittlerweile werd' ich produziert von Platin-Produzenten
    Doch immer noch der gleiche Umgangston, hundertpro!
    Rappe Texte straight in die Fresse mit einem runden Flow
    Und jetzt könn' die echten Rapfans mal dankbar sein
    Denn ich hab' immer noch ne Flatrate für Mama-Lines!"

    Und ich die Wertung: 2/5

    EstA gibt ein streckenweise raptechnisch sehr passables Bild ab, vorallem auf den ruhigeren Songs die erfreulich kitschbefreit sind und beweist viel Humor.
    Die teils gezwungenen Vergleiche und manch eintönige Passagen und Songkonzepte sollten noch einmal überarbeitet werden, auch gibt es sehr wenig echte Höhepunkte. So richtig uneingeschränkt empfehlenswert ist das Album aufgrund der angesprochenen Makel nicht, dennoch ist es ein solide Album geworden, dessen Kritikern EstA die richtige Antwort gegeben hat.
    In Hinblick auf die fragwürdige langfristige Unterhaltung des Albums gibt es aber die schlechtere Wertung

    • Vor 8 Jahren

      Schöne Review, aber ein VBT gewonnen hat EstA nie :)

    • Vor 8 Jahren

      oh ja stimmt ;) Er war lediglich im Finale
      mea culpa

    • Vor 8 Jahren

      Dass du dir die meiste Zeit für ziemlichen Rotz die Zeit nimmst, so viel zu schreiben, ist befremdlich, aber dennoch oft der einzige Beitrag hier, den man als Review bezeichnen kann.
      Zu EstA: komischer Typ, teilweiser netter Flow, aber wie alle VBTler leicht charakter- und imagelos (nicht ganz so schlimm wie BBB oder Weekend), naja der Weggang von der Halunkenbande kann jedem nur gut tun, auch wenn jetzt die Potte wohl schmaler wird, wo er keinen Ghostwriting-Job mehr hat. Ach ne, Saad bezahlt ja eh nichts und niemanden.

    • Vor 8 Jahren

      Danke für die warmen Worte. Das geht befremdlich runter wie Öl

    • Vor 8 Jahren

      Denke Garri macht den Anwalt und strebt das Leben eines Publizisten an.