laut.de-Kritik

Der Ex-Drogenbaron von Ike Turners Gnaden fährt lieber Cabrio als Gehwagen.

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Spätestens 2007 musste sich der überschaubare Zirkel von Andre Williams-Verehrern anhand dessen Livegigs eingestehen, dass auch diese unkaputtbare Gestalt der 60er Jahre Detroit Soul-Szene langsam angezählt ist.

Wer wollte, registrierte seinerzeit bei 'Dre' erhebliche Textunsicherheiten, die in Verbindung mit seiner zusehends matteren Stimme und dem altersmilden "Aphrodisiac"-Album ein unrühmliches Ende dieser großen (Nicht-) Karriere zumindest erahnen ließen.

Doch nur ein Jahr später raunzte der damals 72-Jährige allen Skeptikern auf seiner neuen Platte unmissverständlich entgegen: "Habt ihr sie noch alle? Geht ein Typ wie ich etwa ins Altenteil? Ich bin mit 72 noch fitter als ihr Jungspunde zusammen!". Oder in seinen Worten: "Can You Deal With It?"

Keine Frage: Der Ex-Drogenbaron von Ike Turners Gnaden hatte seinen inneren Reset-Knopf gedrückt und fährt lieber Cabrio als Gehwagen. "That's All I Need" macht erfreulicherweise genau da weiter, wo der Vorgänger 2008 aufhörte.

Anstelle des ungestümen Kick Ass-Rock'n'Rolls watet Williams nun allerdings wieder knietief in Rhythm'n'Blues-Sümpfen, denen er in ähnlicher Form vor einem halben Jahrhundert als junger Hustler entstiegen ist.

Dass zu seiner neuen Begleitband Mitglieder von tighten Bands wie The Dirtbombs und Electric Six zählen, ist ein Erklärungsansatz für den gnadenlos flüssigen Album-Groove.

Doch auch Dre selbst gibt sich keine Blöße. Sei es im lässigen Psycho Soul-Opener "My Time Will Come", in dem er mit selbstironischem Augenzwinkern verkündet, irgendwann noch groß rauszukommen oder im darauffolgenden "America", dessen Funk-Spirit erklärt, warum er in den 70ern auch für Parliament/Funkadelic schreiben durfte.

Das Soundbild allein ist herrlich antik gehalten, circa Anfang/Mitte der 70er Jahre, und fügt sich hervorragend mit dem rauen Vortragsstil von Williams zusammen. Höhepunkte sind das manische "Tricks", ein staubtrockener Funkrock-Klopfer mit heulendem Velvet Underground-Solo, der lodernde Blues in "When Love Shoots You In The Foot" oder das für sich sprechende "There Ain't No Such Thing As Good Dope". Spätestens hier fragt man sich, wann Jack White endlich auf diesen Mann aufmerksam wird.

"I've been inside of a jail / I've been inside of a church": Selbstredend ist Dre mit seinen 73 Jahren in erster Linie ein großer Geschichtenerzähler, dessen Texte uns besonders eindrücklich an den zahllosen Fallen teilhaben lassen, die sein Leben für ihn bereit hielt. So kommt man nicht umhin, seine Tränen zurück zu halten, wenn der ewige Weiberheld in der abschließenden Akustik-Ballade "Amends" urplötzlich seine verletzliche Seite zeigt und den Büßerweg einschlägt.

Man spürt förmlich, wie schwer es ihm fällt, all die Fehler seines Lebens zu addieren, um seiner ehemaligen Herzdame nachträglich seine Liebe zu gestehen: "I know I don't deserve your love anymore / after all the things I've put you through (...) so I wish you happiness in your new life / cause baby you deserve it".

Es wäre ein Jammer, wenn dieser Mann nur dafür in Erinnerung bleiben würde, mit "Jail Bait" einen der ewigen Lieblingssongs von Keith Richards geschrieben zu haben. Ein neues Album ist bereits in Arbeit.

Trackliste

  1. 1. My Time Will Come
  2. 2. America
  3. 3. That's All I Need
  4. 4. Just Call Me
  5. 5. Tricks
  6. 6. When Love Shoots You In The Foot
  7. 7. Cigarettes And My Old Lady
  8. 8. There Ain't No Such Thing As Good Dope
  9. 9. Too Light To Fight
  10. 10. Amends

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