Zwei Musikjournalisten versuchen sich an einem Porträt des Chefstylers. Vielleicht hätten sie mal mit ihm sprechen sollen ...

München (dani) - Mehr als zwei Jahrzehnte im Showgeschäft. Pionierarbeit für den deutschen Hip Hop. Dann sein verschlungener Weg aus der linksalternativen Hausbesetzer-WG über Reggae, Soul, Funk und Disco in die Arme des Mainstreams. Keine Frage: Jan Delays Lebenslauf gibt Einiges her, von dem es sich zu erzählen lohnte. Schade bloß, dass die Autoren Michael Fuchs-Gamböck und Thorsten Schatz, beide Musikjournalisten, jede Chance ungenutzt verstreichen lassen, sich dem Menschen hinter dem Pop-Phänomen auch nur ansatzweise zu nähern. Sie ergehen sich lieber in Faktenhuberei.

Fleißbildchen für die Autoren

"Jan Delay - Die Biografie" (Heyne, 224 Seiten, 8,99 Euro) wirkt, pardon, wie ein überambitioniertes Referat eines zwölfjährigen Fanboys. Die Herren Fuchs-Gamböck und Schatz haben zweifellos jeden Artikel, jedes Interview, jeden Featurebeitrag und jede Dokumentation über Jan Philipp Eißfeldt gelesen, gesehen, gehört, vermutlich sogar jeden ihn betreffenden Schnipsel aus Tageszeitungen und Magazinen ausgeschnitten und in umfangreiche Mappen geklebt. So haben wir das jedenfalls früher gemacht, als ich noch zwölf war. Dafür gibt es ein Fleißbildchen.

Informationen aus dritter Hand

Von jemandem, der sich anmaßt, eine "Biografie" zu verfassen, darf - nein! - muss man allerdings schon erwarten dürfen, dass er sich nicht lediglich aus dritter Hand informiert, sondern sich - wenigstens einmal kurz - persönlich mit dem Porträtierten auseinandersetzt, eigene Fragen stellt, eigene Schlüsse zieht.

Vergiss es! In nahezu hündischer Ergebenheit feiern Fuchs-Gamböck und Schatz stattdessen jede Veröffentlichung, jede Äußerung, jede Klamottenwahl Jan Delays als musikalische, politische oder style-technische Offenbarung. Die Kritiklosigkeit, mit der Schwächen im Delayschen Werk oder in seiner zuweilen ausgesprochen wackeligen politischen Argumentation nicht nur hin-, sondern gar nicht erst wahrgenommen werden: erschreckend.

Meilensteine, im Dutzend billiger

Wie oft - im Zusammenhang mit jeder Platte Delays, eigentlich - das Wort "Meilenstein" fiel: Ich habe irgendwo aufgehört zu zählen. Wer allen Ernstes uralte Samplerbeiträge oder die Debüt-EP "Grotting" über den Klee lobt oder den wirklich räudigen ersten Beginner-Longplayer "Flashnizm" als "DAS richtungsweisende deutschsprachige Hip Hop-Album der Neunzigerjahre überhaupt" fehlinterpretiert, empfiehlt sich nicht gerade dafür, ganz nebenbei - wie Fuchs-Gamböck und Schatz es versuchen - die Entwicklung des Deutschrap zusammenzufassen.

Das hätten die Herren dann doch lieber jemanden überlassen sollen, der wenigstens ein bisschen von der Materie versteht. "Blast Action Heroes", übrigens, "zeigte nicht nur die Beginner auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Es war das erste und wahrscheinlich auch letzte Mal, dass ein deutschsprachiges Hip-Hop-Album auf Anhieb die Spitze der Charts erstürmte". Ah, ja.

Kindische Seitenhiebe

Die aus jeder Zeile quellende Verehrung Jan Delays nervt nicht nur, sie verleitet die Autoren zudem ständig zu abwertenden Bemerkungen in Richtung der vermeintlichen Konkurrenz. Die Fantastischen Vier werden ausschließlich (!) als kommerzielle Spaßrapper, die Kollegen aus dem Hause Aggro Berlin ausschließlich (!) als homophobe Sexisten dargestellt. Der freimütig in die Runde gestreute Disrespekt wirkt erbärmlich kindisch, zumal er die zu erzählende Geschichte keinen Meter voran bringt.

Mumpitz!

Was sagt eigentlich Jan Delay selbst zu diesem Buch? "Das ist so ein zwielichtiger Bahnhofs-Buchhandlung-Schreiberling, der sich meinen Lebenslauf zusammengegooglet hat", empörte er sich jüngst via Facebook. "Ich habe nie mit dem gesprochen, ihn auch gebeten, das zu unterlassen, weil ich selber irgendwann mein eigenes Buch schreiben möchte. Aber verbieten kann ich's leider nicht. Also bitte nicht kaufen! Das ist Mumpitz."

Fotos

Jan Delay

Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Jan Delay,  | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof)

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24 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    Sehr schöner, informativer und lesenswerter Text (der von Dani, nicht das Buch (das ich sicher auch nicht lesen werde)). :D

    Jan Delay. Von meinem persönlichen Geschmack her sicher ein wenig artfremd, und was habe ich gegen ihn gewettert, gerade in den Anfangsjahren. Dann entwickelte er sich in meiner Wahrnehmung wegen verschiedener kleiner Sachen immer mehr zum Liebewicht ...

    Erinnere mich noch gut an seine Preisauszeichnung beim Hamburger HANS Award im letzten Jahr. Da kam richtig was rüber während seiner Dankesrede, die NICHT das übliche 08/15-Blabla enthielt, sondern sich aufrichtig mit den wichtigen Menschen befasste, die ihm - bis heute - seine Karriere erst möglich machten. Während ich da so vor der Bühne stand, kam er sehr vernünftig-sachlich rüber, sogar angenehm schüchtern, und bewusst sehr dankbar. Guter Typ.

  • Vor 12 Jahren

    Vielleicht sollte ich mal ein Buch über Dero herausbringen.... und dieses Buch würde er sich sicher kaufen, weil es ihm gefallen würde.

    Herr Andrack übrigens, gutes neues Jahr dir auch, und wenn du die alten Freunde von gromky wo auch mal wo siehst, richte ihnen auch schöne Grüße von mir aus. Speziell dem BRETTI, der cucu, der Thelema....auch natürlich der miss rammstein, falls du die noch wo siehst.... die sollen sich alle hier anmelden, wäre nett. danke.

  • Vor 12 Jahren

    klingt nach dem optimalen Buch für den stummen zeugen. schön kurz, nicht komplex, unreflektierte lobhudelei.