laut.de-Kritik
Mit der Gitarre durch die Nacht.
Review von Martin LeuteDallas Green von Alexisonfire hat es getan, genauso wie Joey Cape von Lagwagon. Wie viele andere Kollegen haben sie sich entschieden, der harten Gangart ihrer angestammten Bands vorerst den Rücken zu kehren, um sich als Solokünstler ins Singer/Songwriter-Licht zu rücken.
Der Mainzer Tobias Heiland geht denselben Weg, nachdem er eigentlich in Hardcore-Bands wie A Sailor's Grave oder Proud Youth den unbändigen Shouter und Gitarristen gab. Als Ghost Of A Chance schnallt er sich seit 2007 die Akustische um, taucht in den getragenen Alternative Folk ein und klingt dabei derart stilsicher, als hätte er nie etwas anderes getan.
Sein Debüt "And Miles To Go Before I Sleep" zeichnet sich durch Transparenz aus, geprägt von schlicht geschlagener Rhythmusgitarre, unaufgeregten und doch ansteckenden Melodielinien sowie der sonoren, einnehmenden Stimme des Sängers.
Die Stärke dieser vermeintlich einseitigen Werks liegt gerade in seiner bruchlosen Unaufdringlichkeit, die der Singer/Songwriter aber immer wieder mit feinsinnigen Einlagen zu garnieren versteht. Maßvolle Melancholie paart sich hier fruchtbar mit kühler Sachlichkeit.
Neben unscheinbar gesetzten, elektronischen Klangflächen rankt sich mal eine E-Gitarrenlinie sanft an der Melodie entlang ("Transatlantic"), gibt ein weiches Schlagwerk den Takt vor, auf den ein Glockenspiel springt ("Things Worth Asking") oder kommentiert eine aus der Ferne kommende Sprechstimme das Stück ("Swan Song").
Daneben kombiniert Heiland beschaulichen Country mit einem spirituell tönenden Chor und Rumpelrhythmus ("Ghosttown"), überzeugt im Duett mit einer verzerrten weiblichen Gesangsstimme ("Hideout") und deutet im letzten Track mit einer gewitzten Stimmendoppelung an, dass er durchaus noch zu schreien imstande ist, wenn es das Gefühlsleben erfordert.
Mit "And Miles Before I Sleep" orientiert sich Heiland gekonnt am amerikanischen Folk und realisiert seine Vorstellungen eines urban anmutenden Neo Folk, der stimmungsvoll mit Assoziationen wie der nächtlichen Einsamkeit spielt, während anderswo das Leben tobt.
Zwischen flüssiger Beiläufigkeit und träger Eingängigkeit hält die Platte durchweg ein bemerkenswertes Niveau. Tobias Heiland alias Ghost Of A Chance drängt sich nicht auf, entpuppt sich aber nach mehrmaligem Durchlauf als äußerst angenehmer Weggefährte.
1 Kommentar
Ganz tolles Album, besonders zu dieser düsteren Jahreszeit.
Kann ich jedem empfehlen, der auch mal gerne schöne, melancholische Akustik-Songs hört.