laut.de-Kritik

Feine Risse im Designergewand.

Review von

"Von Risiken Und Nebenwirkungen" - wer gerade keinen Arzt oder Apotheker zur Hand hat, möge sich einfach bei Yin Kalle melden. Der Berliner erzählt auf seinem neuesten Tape gerne von den Ups und Downs, die das Leben als junger Trapstar so mit sich bringt.

Wobei geschlossene Erzählungen nach wie vor nicht zum Repertoire gehören. Assoziativ springt der Rapper durch das Leben der letzten Jahre: Schule, durchgemachte Nächte und Konflikte mit den Eltern verrührt er zu einer wilden Suppe, gewürzt - wie immer - mit ordentlich Adlibs.

Auch bei der Produktion setzt er auf Altbewährtes. KazOnDaBeat zeichnet für das Grundgerüst verantwortlich, mächtige Bässe drücken durch den Mix. Hin und wieder verirrt sich jedoch auch ein Pianosample zwischen die 808s. Weniger Trap, mehr direkte Rhythmen und ratternde Hihats dominieren das Tape. "Edel" zeigt einen Producer, der in kleinen Details immer wieder eine besondere Note in seine Beats einfließen lässt.

Auch textlich setzt Kalle andere Akzente. Gerade in der ersten Hälfte finden sich einige fast introvertierten Lines. Es schleichen sich reflektierte Gedanken ein, die so auf den "Kalle x Kaz"-Mixtapes noch rar waren. Auf "Kaffee" zeichnet Kalle einen Tag nach und räumt ein, dieses Leben wie ein Kind zu leben. Diese Einsicht mag noch keinen Wandel bedeuten, doch zeigt sie einen gewissen Emanzipationsprozess vom reinen Hedonismus. Gleichzeitig stellt sie aber auch eine gewisse Hilflosigkeit dar, aus der der Ausweg nicht die Resignation sein sollte.

Die Frage: Ist das authentisch? Sehen wir hier einen Menschen, der durch all die Schichten von Designermode einen echten Blick auf sein Leben wirft? Oder spricht der benebelte Kopf, der sich auf dieser Einsicht ausruhen möchte, um dann weiterzumachen? "Denk nicht nach, das ist tabu", rappt er auf "Augen Zu" und bleibt damit schön vage.

Viel mehr Nähe lässt das Tape mit seiner kurzen Laufzeit nicht zu, auch wenn schon deutlich mehr Strophen zu hören sind als in der Vergangenheit. Zu Lasten der Eingängigkeit geht dies jedoch nicht, Yin Kalle lässt trotz der scheinbaren Nahbarkeit auch hier keine Gelegenheit ungenutzt, einen drauf zu machen.

"Dope Fiend Banger" bewegt sich ganz in vertrauter Umgebung. Ferragamo-Lines und ein Flow, der deutlich macht: Hier gibt es viel zu sehen, gehen Sie trotzdem weier. Arroganz mögen viele Rapper für sich reklamieren, doch allein mit seiner Delivery gelingt Kalle wieder und wieder die Deklassierung seiner Rivalen. Hier liegt ohne Zweifel eine große Stärke: komplett mühelos eine beeindruckende Stimmung zu kreieren.

Was Yin Kalle auf jeden Fall nicht macht, ist, die um ihn errichtete Mauern aus Geld, VVS-Diamanten und Sedativen niederzureißen. Aber hin und wieder gelingt ihm ein Blick auf diese Konstrukte, in denen er seinen Lifestyle reflektiert.

Die Soundästhetik des Gespanns Kalle und Kaz verändert sich dabei wenig, genau deshalb zünden auch Songs wie "KitKat Rmx". Kalles gelangweilter Flow, der trotzdem erstaunlich variabel erscheint, geht auch auf "Von Risiken Und Nebenwirkungen" gut ins Ohr. Musikalisch und inhaltlich eher eine sanfte Weiterentwicklung, zeigen sich zwei Musiker hier mit einem soliden Tape und viel Dedication.

Trackliste

  1. 1. KitKat Rmx
  2. 2. Dänemark
  3. 3. Augen Zu
  4. 4. Dämmerung
  5. 5. Fragen
  6. 6. Dope Fiend Banger
  7. 7. Edel
  8. 8. Kaffee
  9. 9. Samba feat. Monk

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2 Kommentare

  • Vor 2 Jahren

    Grundsätzlich wäre Potenzial da, aber Yin Kalle dreht sich irgendwie im Kreis. Es gibt auf dem neuen Tape viele Lines, die man so oder so ähnlich schon mal von ihm gehört hat, dazu die ständig gleichen Themen (Designermode, Kodein/Gras, Geld etc.). Leichte Ansätze sind da, aber es braucht einfach mal eine Weiterentwicklung, es wird langsam langweilig.

  • Vor 2 Jahren

    Egale Scheißmusik über egale Scheißthemen, dessen einziger Impact ist, dass irgendwelche Kevins auch mal Tilidin und Lean ausprobieren. Kann weg.