laut.de-Kritik

Die wahre Symbiose von Country und Rap.

Review von

Als 2011 sein Debüt "Radioactive" erscheint, verspürt Yelawolf zunächst großen Stolz. Auf seine Leistung, seine Entwicklung, seinen Willen, und eben auf sein Album. Trotzdem macht sich daneben noch ein anderes Gefühl breit: Unzufriedenheit. "Ich dachte mir: 'Fuck! Vieles auf der Platte hätte anders sein müssen.' Ich fühlte zu dem Album keine wirkliche persönliche Verbindung", sagt er im Nachhinein.

Genau diese Unzufriedenheit trieb ihn seitdem an, ein Album aufzunehmen, das möglichst vollkommen, möglichst einzigartig und vor allem nach nichts anderem als nach Yelawolf klingt. Kaum verwunderlich, dass ihn die musikalische Suche nach sich selbst ins legendäre Nashville, Tennessee führte. In den Aufnahmesessions dort ist er zweifellos fündig geworden, wie sein neues Album "Love Story" eindrucksvoll bezeugt.

Die wuchtigen Singles "Whiskey In A Bottle" und "Till It's Gone" deuteten bereits an, dass sich Yelawolfs Sound wesentlich stärker Richtung Country und Rock bewegen wird. So zeichnen die 18 Tracks vorrangig Westerngitarren, Violinen und organische Drums aus, während Snares und Synthies wie schon auf seinen letzten Mixtapes eine untergeordnete Rolle spielen.

"Love Story" schlicht als Country-Rap abzustempeln, wird jedoch weder den Produktionen noch Yelas Vortrag auch nur im Ansatz gerecht. Schon der sanfte Southern Rock-Tune "American You" hat nämlich wesentlich mehr zu bieten als kitschigen Nelly-Sound und steht nebenbei stellvertretend für einen Eindruck, der sich auf dem Rest des Albums fortsetzt: Man hört Yelawolf fast noch lieber singen als rappen.

Das liegt unter anderem an dem stimmungsvollen "Devil In My Veins", das sich vollkommen dem Country verschreibt. Simple Gitarren-Akkorde und erdrückend schwere Streicher lassen keinerlei Platz für aggressives Gespitte. Stattdessen entfaltet Yelawolf sein gesamtes Stimmpotenzial, das weit über zweizeilige Hooks hinausgeht, und blickt mit Reue auf die eigene Vergangenheit zurück: "Crimson tears falling and my shirt is blood-stained / And the devil's forever in my veins."

White Trash, Problemschüler, Obdachlosigkeit - aus jener Vergangenheit hat Yelawolf einiges zu erzählen. Das tut er nicht nur in "Ball And Chain", das, eigentlich nur als Interlude aufgeführt, besondere Aussagekraft besitzt. Wie aus einem Loser ein Star wurde, kann man allen Zweiflern eben nicht nur mit mächtigen 16ern, sondern auch in ruhigen, gitarrenunterlegten Zeilen unter die Nase reiben: "You called me names till I became a name [...] Now the joke's on you cause the whole damn world's at the palm of the fool's hand."

Trotzdem bleibt Yelawolf in letzter Konsequenz Rapper und ist "still ridin' dirty with 8 Ball, M, J and G", weshalb Labelboss Eminem ihm für "Heart Break" klassischen Boom-Bap mit eingängigem Piano-Loop bastelt. Darauf antwortet der MC mit gewohnt feurig vorgetragenen Zeilen über die geldgierige Baby-Mama und einer echten Gänsehaut-Hook.

Die Zusammenarbeit mit seinem Förderer hat sich für Yelawolf natürlich schon lange vor "Heart Break" stets bezahlt gemacht. Grund genug, Eminem für "Best Friend" gleich noch einmal ins Boot zu holen, hier allerdings nicht nur als Produzent, sondern auch als einzigen musikalischen Gast auf dem gesamten Album. Während Yela mit Justin Timberlake-Vibe in gläubigen, aber keineswegs aufdringlich religiösen Parts zu Gott findet, erleuchtet Em mit seinem über neunzig-sekündigen Dauerfeuer sogar die Heiligen im Himmel.

Die Show stiehlt er seinem Schützling auf Albumlänge dennoch nicht. Zu stark sind Yelas Reime, sein Flow, seine Art, Geschichten und Gefühle zu transportieren. Ob eine Ode an seine Frau ("Tennessee Love"), das Text gewordene Lampenfieber in "Johnny Cash" oder die Fortsetzung der "Box Chevy"-Serie in "Box Chevy V": Stets zwischen Rap und Gesang pendelnd, sitzt fast jede Zeile perfekt.

Dazu gesellen sich die größtenteils von Will Power abgelieferten Produktionen, die mit Elementen aus Hip Hop, Country, Rock und Folk eine dichte, fast stickige Südstaaten-Atmosphäre erzeugen. Die steht dem Protagonisten natürlich gut zu Gesicht und wirkt gepaart mit dessen Herkunft, Geschichte und Stil äußerst authentisch.

Dass man es damit durchaus übertreiben kann, zeigt allerdings "Fiddle Me This". Das chaotische Gefidel ist zwar eher mit einem Augenzwinkern zu sehen, bildet zusammen mit dem etwas hochtrabenden "Disappear" aber einen nicht ganz so runden Abschluss, wie ihn "Love Story" eigentlich verdient gehabt hätte. Zu lang wirkt die Platte mit 18 Stücken dennoch nicht. Ansonsten lässt sich mit dem hektischen und deshalb deplatzierten Opener "Outer Space" nur noch ein weiterer schwächerer Track finden, den Ausnahmesongs wie "Till It's Gone" ohnehin schnell vergessen machen.

Eben jene Single, die ihre ganze Wucht vor allem als Soundtrack einer "Sons Of Anarchy"-Folge demonstrierte, spiegelt den Klang der gesamten Platte bestens wider. Als atmete er die Luft der Sumpfgebiete Alabamas, unterstreicht der Song, was "Love Story" eigentlich darstellt: keine einfache Mischung verschiedener Genres und Elemente, keine Aneinanderreihung von Rap- und Gesangsparts, sondern eine wahre Symbiose daraus.

Ob Yelawolf mit diesem Sound alte Fans vergrault? Gut möglich. Er wird aber auch viele dazugewinnen. Als größter Befürworter seines Stils fungiert ohnehin er selbst. Mit seinem zweiten Studioalbum hat er nämlich die Zufriedenheit erreicht, die "Radioactive" in ihm nie auslösen konnte:

"'Love Story' ist mein ganzer Stolz. Ich habe etwas geschaffen, das sich anfühlt, als habe ich meine Arbeit auf der Erde getan und könne nun sterben."

Trackliste

  1. 1. Outer Space
  2. 2. Change
  3. 3. American You
  4. 4. Whiskey In A Bottle
  5. 5. Ball And Chain
  6. 6. Till It's Gone
  7. 7. Devil In My Veins
  8. 8. Best Friend feat. Eminem
  9. 9. Empty Bottles
  10. 10. Heart Break
  11. 11. Tennessee Love
  12. 12. Box Chevy V
  13. 13. Love Story
  14. 14. Johnny Cash
  15. 15. Have A Great Flight
  16. 16. Sky's The Limit
  17. 17. Disappear
  18. 18. Fiddle Me This

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