laut.de-Kritik

So schön bläst sonst niemand Trübsal.

Review von

Binki Shapiro – duh, sowieso, Adam Greens BFF. Turner Cody, deren Freundschaft kannte man auch. Ben Kweller, klar, Freunde. Aber The Libertines? Sean Ono Lennon? Lou Barlow? Kyp Malone? Herman Düne? Dass man diese Truppe mal auf einem Album hört, allein dafür gebührt "Moping In Style: A Tribute To Adam Green" schon Respekt. Dass Adam Green ein Tribut-Album gebührt, dürfte alleine schon angesichts des Großwerks "Minor Love" unumstritten sein. Zumal sein Stil, wie er schon im Albumtitel angesprochen wird, nun mal wirklich recht unverwechselbar ist. Green selbst fragte die Musiker an, ob sie mitmachen wollten, dementsprechend legitim kommt das Album daher.

Was Green aber nicht tat, war, den Künstlern reinzureden: Weder in der Auswahl der Songs noch in der Umsetzung. Das zeigt sich zum einen in einem klaren Übergewicht früher Songs, andererseits in mehreren brillanten Alternativ-Versionen, teils sehr geglückten Liedern, die mit der Ausgangsbasis nichts zu tun haben, in handwerklich gelungenen, aber viel zu braven Adaptionen, in natürlich scheiternden Imitationen von Adam und in ein paar einfach nicht so guten Songs. Warum beispielsweise The Cribs "My Shadow Tags On Behind" keine Frischzellenkur verpassen, sondern den Song vom Debüt in ungelenkem Lo-Fi nachäffen, muss ihr Geheimnis bleiben. Im Ergebnis bedeutet das: Um eine Einzelanalyse der Songs führt kaum ein Weg vorbei, kohärent ist hier gar nichts.

In Ehrfurcht zu erstarren ist bekanntermaßen auch eine schlechte Idee. Greife in kein Wespennest, doch wenn du greifst, dann greife fest, sagt das alte Sprichwort. Einen quasi perfekten Song wie "Breaking Locks" auszusuchen, spricht für Jenny Lewis' Geschmack, die viel zu coole Umsetzung hört sich an, als würde die Prom-Queen versuchen, auf einem Schulkonzert edgy zu wirken. Die stets überschätzte Regina Spektor bestätigt diese Vorurteile über sie, indem sie nicht weiß, was sie mit "We're Not Supposed To Lovers" anfangen will; ihr Co-Sänger Jack Dishel darf auch nur mitmachen, weil er mal bei Moldy Peaches war.

Father John Misty wirkt nicht bereit, sich mit Green auseinanderzusetzen und macht "Musical Ladders" so zu einem lahmen Salon-Pop, wie er ihn im eigenen Werk gottlob schon ausgemerzt hat. Die Verzweiflung des Jungen, der den Eltern seiner Freundin von deren Schwangerschaft erzählen muss, kommt null rüber. Dass er beim Closer "The Dooors" nochmal ran darf, macht die Sache und seine ewige Selbstverliebtheit nicht besser. Die großartige Frankie Cosmos ist auf "Secret Tongues" gar nicht mal so großartig, sondern verhuscht und wenig mutig. Jonathan Rado scheitert am lebendigen "Emily" spektakulär, so linkisch verhebt er sich in seinem Versuch, cool zu klingen. Der theologischen Verlockung von "Dreidels Of Fire" konnte Ben Lee als Jude scheinbar nicht widerstehen. Wie so oft hat er aber nicht genug Tiefe und Dimensionen für so einen komplex angelegten und tief in der Green'schen Identität wühlenden Song, er rockt ihn halt runter, wie er das immer macht. Vincent Delerm unterliegt auf "Friends Of Mine", wie so mancher Franzose, der Fehlannahme, dass etwas französisches maskulines Parlieren schon coole Musik sei – aber mes amis, ihr seid nicht alle Baxter Dury, desolé.

Das gute an dem 26 Songs 'schlanken' Album ist, dass diese Unverständlichkeiten und Unpässlichkeiten von anderen Künstlern mehr als ausgeglichen werden. Dazu gehört unter anderem die weniger erfolgreiche, persönlich schwierigere Version von Adam Green, nämlich Ben Kweller. Der ist auf der Linie zwischen Genie und Wahnsinn zuhause und macht aus "Her Father And Her" vom Debüt einen Teenage-Angst-Emo-Druck-Song, der schlicht grandios ausfällt und der die Essenz dieses tieftraurigen Frühwerks "And everyone has hands just to use someone/ And it makes me feel just like old gum" perfekt einfängt. The Lemon Twigs ziehen ihr sauseltsames 70s-Ding auf "Baby's Gonna Die Tonight" herrlich durch und gewinnen so einem der besten Songs Greens neue Aspekte ab, ohne ihn unkenntlich zu machen. Devendra Banhart tut macht aus dem schwachen "Pay The Toll" ein verträumtes, schwermütiges Zauberlied, ähnlich wie Shapiro das im Original etwas lahme "Getting Led" in ganz andere, flirrende Sphären führt.

Dass es Green gelang, The Lemonheads auszugraben, ist großartig, mit "Losing On A Tuesday" übernehmen sie den Song, dem die Zeile "Moping In Style" entnommen ist. Als Großväter aller Slacker zeigen sie dementsprechend souverän, mit wie wenig Interesse man sehr gute Musik spielen kann. "Jessica" Simpson verlangte eigentlich schon immer nach Carls und Peters schnorrigen Stimmen und so hört sich diese Penner-Mundharmonika-Version dann auch an. Jessica ist bestimmt begeistert, dass nochmal eine ganz andere Generation ihre elegante, hundsgemeine Beschimpfung erlernt. Mit schwierigen Typen kann Green anscheinend ganz gut, der geniale Barlow sucht sich mit der Faulenzer-Hymne "Never Lift A Finger" eine Green'sche Großtat aus und haucht ihr noch mehr Wärme und den schönsten Melodica-Einsatz seit Albert Hammond Jr. ein. Rodrigo Aramente holt den "Birthday Mambo" aus der cultural appropriation und belässt ihn wohltuend im Vollquatsch.

Der berühmteste Sohn nach Duncan Jones und Michael Douglas vergreift sich am im Original herausragenden "That Fucking Feeling" und beweist viel Gespür darin, den Song auf links zu drehen und die Grundfigur in anderer Gestalt zu belassen. Man sollte mehr von Sean Ono Lennon verhemen, der nur selten von sich hören lässt. Kyp Malone zwingt "Drugs" in sein Soundkorsett, was toll funktioniert, weil er dafür genau den richtigen Song ausgesucht hat. Dasselbe gilt, ein klein bisschen weniger klasse, aber immer noch recht gut, für Hubert Lenoir, der "Stadium Soul" in sein frankokanadisches Reich entführt. Die guten, wenig erfolgreichen und sehr seltsamen The Pirouettes haben "Hard To Be A Girl" ausgewählt und es noch viel seltsamer gemacht, exzellent. Seltsam (und wenig erfolgreich) kann Joanna Sternberg auch ganz gut, und dass sie sich angesichts ihrer normalen Topi "Dance With Me" vornimmt: geradezu irre. Die Fallhöhe ist so groß, das musste ja fast schon funktionieren, und tut es auch. Der sträflich unterschätzte Cut Worms macht sich mit "Cigarette Burns Forever" einen Song auf beeindruckende Weise Untertan, der sicherlich zu Greens Top fünf zählt. Eigen, kaum fassbar noch cooler und der Drogenhymne ausgesprochen werktreu.

Der tolle Turner Cody aktiviert seine The Soldiers Of Love für "Hairy Women" und destilliert den Anti-Folk des schon im Original windschiefen Tracks. Wo wir dabei sind: Der personifizierte Anti-Folk, Jeffrey Lewis, darf hier natürlich nicht fehlen und macht, was er immer macht: Tolle Musik, die einen verwirrt zurücklässt. Apropos komische Kerle: Wer könnte besser "Buddy Bradley" fühlen als der von seinen Brüdern peu à peu verlassene Herman Düne aka David Ivar? Er fährt das Lied unnachahmlich mindestens vier Mal gegen die Wand, nur um es immer wieder doch noch zu retten und am Schluss als glänzender Sieger hervorzugehen. Gewonnen hat auch Adam Green, der zu weiten Teilen das ihm zustehende spektakuläre, ehrerbietige Tribute-Album bekommen hat, das seinem Werk neue Aspekte abgewinnt und schlicht sehr viel sehr gute Musik – und einiges an unnützem Beifang, der aber auch nur zeigt, wie hoch der Maestro die Messlatte selbst legte.

Trackliste

  1. 1. Regina Spektor & Jack Dishel: We're Not Supposed to Be Lovers
  2. 2. Lemontwigs: Baby's Gonna die Tonight
  3. 3. Father John Misty: Musical Ladders
  4. 4. Frankie Cosmos (Greta Kline): Secret Tongues
  5. 5. Devendra Banhart: Pay the Toll
  6. 6. Binki Shapiro: Getting Led
  7. 7. The Cribs: My Shadow Tags on Behind
  8. 8. Ben Kweller: Her Father and Her
  9. 9. Jenny Lewis (Rilo Kiley): Breaking Locks
  10. 10. The Lemonheads: Losing on a Tuesday
  11. 11. The Libertines: Jessica
  12. 12. Lou Barlow (Dinosaur Jr): Never Lift a Finger
  13. 13. Rodrigo Amarante (Los Hermanos): Birthday Mambo
  14. 14. Sean Ono Lennon: That Fucking Feeling
  15. 15. Jonathan Rado (Foxygen): Emily
  16. 16. Kyp Malone (Tv on the Radio): Drugs
  17. 17. Hubert Lenoir: Stadium Soul
  18. 18. The Pirouettes: Hard to Be a Girl
  19. 19. Joanna Sternberg: Dance with Me
  20. 20. Ben Lee: Driedels of Fire
  21. 21. Vincent Delerm: Friends of Mine
  22. 22. Cut Worms: Cigarette Burns Forever
  23. 23. Turner Cody & the Soldiers of Love: Hairy Women
  24. 24. Herman Dune (aka Herman Düne): Buddy Bradley
  25. 25. Jeffrey Lewis: Bartholomew
  26. 26. The Dooors: Musical Ladders (alt take)

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