laut.de-Kritik

Allem Willen zur Party zum Trotz ein todtrauriges Album.

Review von

Ach, Troye! Was für ein schönes, sensibles, ausdrucksstarkes Cover für "Something To Give Each Other", bei dem man Perfume Genius förmlich riechen kann. Und das war doch eigentlich immer das Versprechen: Dieser Australier ist mehr als nur normschwule Ästhetik auf Teenie-Star-Beinen, der kann was, der hat ein Gespür für Musik und Melodie, das ihn über diese identitären Tags hinaushebt. "Bloom" deutete es schon an, vielleicht erfüllt "Something To Give Each Other" ja die Verheißungen.

Stattdessen kommt die Single "Rush" samt Berlin-Party-Video, und die kritischen Stimmen kann man gut nachvollziehen: zu normativ, zu luxus-hedonistisch. Das wäre mir ja alles völlig wurscht, wäre es nicht so sterbenslangweilig. Eine sehr gekünstelte Party mit offensichtlich zusammenbestellten Tänzern, wo etwas lasziv gezüngelt wird. Freunde, dieses Level an braver Laszivität entfaltet ein Le1f schon, wenn er nur beim Mäcces um die Ecke einen Big Mac holt. Und der dazugehörige Song hat genau sechs interessante Sekunden: 2:44-2:49. Da endlich begräbt Sivans lustloses Geträller nicht den Beat, der sich mal kurz zu strecken traut. Ja, der Song handelt von Poppers, und ich glaube Sivan schon, dass er gerne schnackselt, nur bringt er das leider nicht so richtig rüber, beziehungsweise komme ich davon nicht wirklich in Stimmung.

"Still Got It" ist allerdings gottlob eine ganz andere Nummer. Frank Ocean auf Schifferklavier, mit angenehmem Bei-Noise und einer coolen Souveränität. Troye schmiegt sich an das Hymnische des Tracks wie ein Ozelot. Er ist keiner, der Songs trägt, er scharwenzelt eher drumherum, bis er im richtigen Moment zupackt und dann rasch wieder im Dickicht verschwindet. Dabei profitiert er sehr davon, wenn ein gelungenes Element ihn unterstützt, wenn er sich an einer Idee festhalten kann. Bei "Still Got It" ist das das die Hammond-Orgel, beim noch deutlich gelungeneren Albumhighlight "Can't Go Back, Baby" der Loop von Jessica Pratt. Oscar Görres ist der wichtigste musikalische Unterstützer und Produzent des Albums, das sich wahnsinnig homogen anhört – fast schon uniform.

Fehlt eine solche dominante Songidee, dann gerät wie auf "One Of Your Girls" der Refrain schwach oder bei "Got Me Started" umgekehrt die schier endlose Strophe, bis die Melodie im Refrain endlich wiederauftaucht; dazwischen ist Langeweile angesagt, auf "Honey" komplett. In diesen schwachen Passagen steht Sivans Stimme im Vordergrund, was nicht klappt, wenn er stets gleich haucht und so wenig Emotion in die Herzen wispert. "One Of Your Girls" ist, von den vordergründigen LGBT-Motiven abgesehen, übrigens wie ein Großteil des Albums todtraurig, "Give me a call / if you ever get desperate" ist ein Hinwerfen an einen potenziellen Partner, der einen schon abgelehnt hatte und trotzdem die volle Verfügungsgewalt behält. Troye macht Party, aber ist dabei quasi durchgehend scheiße drauf.

"What's The Time Where You Are?" ist ein netter Song, mehr aber nicht. Es plätschert dahin, es fehlt Wumms, und für eine sphärische Leichtigkeit fehlt wiederum Komplexität oder eben die gute Laune. Und Schwung fehlt auch, das merkt man auf "In My Room" mit Guitarricadelafuente, das an Standard-Girl-Pop der 00er erinnert. Troye tanzt sich in seinen Videos die Seele raus, aber zu dieser Musik möchte man eher mit heißer Schoki weinen. Die suave Smoothness von "How To Stay With You", ein versöhnlicher Abschluss, findet man auf dieser Scheibe sonst nicht.

Trackliste

  1. 1. Rush
  2. 2. What's The Time Where You Are?
  3. 3. One Of Your Girls
  4. 4. In My Room
  5. 5. Still Got It
  6. 6. Can't Go Back, Baby
  7. 7. Got Me Started
  8. 8. Silly
  9. 9. Honey
  10. 10. How To Stay With You

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