laut.de-Kritik

In der Ruhe liegt die Kraft - gemosht werden darf trotzdem.

Review von

Supergroups sind so eine Sache. Oft werden sie bejubelt, um nach einem Album wieder in der Versenkung zu verschwinden, man denke etwa an Them Crooked Vultures. Auf Trade Wind trifft dies nicht zu. Nach einer EP und dem Debüt "You Make Everything Disappear" (2016) meldet sich die Band um Sänger Jesse Barnett (Stick To Your Guns) und Gitarrist Tom Williams (Stray From The Path) mit einem weiteren Silberling zurück.

"Certain Freedoms" gerät nun um einiges ruhiger und zurückhaltender als der Vorgänger. Trade Wind setzen vermehrt auf Klangteppiche, verzerrte Powerchords weichen zarten, hallenden Melodien. Das zeigt sich schon im Opener "Surrender": Eine apathisch geloopte Melodielinie bildet die Basis, auf der einzelne Gitarrenakkorde sowie Barnetts Gesang aufbauen. Ein Schlagzeug ist in dem knapp vier Minuten langen Song nicht zu hören.

"Surrender" ist so auch ein Statement für das gesamte Album: Sicher, Trade Wind können noch immer raubeinig, nicht nur einmal brüllen einem die Gitarrenbretter entgegen. Der Großteil des Albums kommt aber leichtfüßig daher, die Arrangements wirken cleverer, die Songs erzielen eine größere Wirkung - ganz ohne maximal aufgedrehte Verzerrung.

Bei "No King But Me" setzt sich Drummer Andrew McEnaney dann doch hinter die Schießbude und knüppelt hyperaktiv los. Travis Barker wäre stolz auf diese Grooves! Gerade der Refrain erinnert dank seinen Harmonien und dem gebrüllten Text an die Foo Fighters.

"Close Encounters" wiederum klingt so, als hätte man den Gesang von Biffy Clyro mit Thrice in einen Mixer geworfen und kräftig püriert. Abgespeckte Gitarrenklänge treffen auf einen treibenden Tom-Groove, der sich zielsicher durch den Song prügelt. Den Chorus prägt ein fetter Breakdown-Groove, dessen Akzente der Bass unterlegt. Die Gitarren spuken im Hintergrund, Barnett brüllt sich ein weiteres Mal die Seele aus dem Leib. Schade nur, dass der Song nach nicht mal drei Minuten endet - gerade dann, wenn man die Auflösung der sich so langsam angebahnten Spannung erwartet.

Bei "I Can't Believe You're Gone" wagen sich Trade Wind am weitesten aus ihrer Komfortzone heraus: Ein Piano setzt Jazz-Chords, die Drums werden (zumindest bis zum Refrain) durch elektronische Sounds angereichert. Das Ergebnis klingt zwar erfrischend anders, aber man wird das Gefühl nicht los, dass die Band selbst nicht so genau wusste, wohin die Reise gehen soll.

Absolute Highlights der Platte bleiben der Titeltrack sowie "Moonshot" und "Cut". Hier halten die Musiker ganz klar die Fäden in der Hand, die Arrangements klingen stimmig und powervoll. "Certain Freedoms" setzt erneut auf klagende Gitarrenriffs, die clever von Drums und dezent gesetzten Handclaps unterstützt werden. Thematisiert wird die Unsicherheit einer Generation, die so viele Optionen hat, dass es leicht fällt, sich zu verrennen: "Certain freedoms drift me and wash me away / Honest feeling, lift me and help me reclaim".

"Moonshot" präsentiert sich mit leichten Lofi-Anleihen: Träge Jazz-Chords, ein Laid-back Schlagzeug mit Shakern, dazu murmelt Barnett wehmütig: "Shoot me straight to the moon, where I belong, far from you". "Cut" ist mit geshuffeltem Beat und eingängigen Gitarrenmelodien wiederum ein schönes Beispiel dafür, wie geschickt Trade Wind ihre Arrangements handhaben.

Der Titel der neuen Scheibe könnte treffender nicht gewählt sein: Tatsächlich trauten sich die Musiker wesentlich mehr Experimente zu als auf dem Debüt. Und sie beweisen eindrücklich, dass powervolle Songs nicht immmer nur über Gebrüll und maximale Lautstärke funktionieren müssen. Aber keine Sorge, liebe Freunde des gepflegten Moshpits: Zahm geworden sind Trade Wind deswegen noch lange nicht!

Trackliste

  1. 1. Surrender
  2. 2. No King But Me
  3. 3. Close Encounters (of the 3rd floor)
  4. 4. I Can't Believe You're Gone
  5. 5. Certain Freedoms
  6. 6. Moonshot
  7. 7. How's Your Head
  8. 8. Cut
  9. 9. Flower Machine
  10. 10. Untitled II
  11. 11. Beige
  12. 12. Nashinga

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