12. Januar 2010

Hofbräu vs. Dinkelacker - 0:1

Interview geführt von

Nach zehn Jahren Tieflader und vier EPs haben es die Schwaben endlich mal geschafft, ein richtiges Album aufzunehmen.Grund genug, bei Bandleader und Gitarrist Alex Scholpp mal nachzufragen, warum das so lange gedauert hat, wie es sich als Tourgitarrist der ehemaligen Nightwish-Sängerin Tarja Turunen so lebt und was zur Hölle mit dem VfB los ist! Der Anruf aus der Schwaben-Metropole kommt pünktlich um halb acht, und Alex ist mal wieder bestens bei Laune.

Kein Wunder, mit "Geht Durch Die Wand" haben Tieflader ein starkes Album vorgelegt, die Frau kümmert sich um den Nachwuchs und Alex selbst ist gerade auf dem Sprung zur Probe, um sich auf den Release-Gig vorzubereiten.

Mahlzeit!

Ja, Mahlzeit ist genau richtig. Bei mir gab's grad Essen. Steak mit Salat und Kartoffeln, so richtig amerikanisch. Aber man muss ja ne Grundlage schaffen, nachher ist Probe mit Tieflader.

Aha, auf einmal ist große Aktivität angesagt. Naja wird auch Zeit nach vier EPs und zehn Jahren.

Ja, hast ja recht. Sogar das Stuttgarter Stadtmagazin Lift hat geschrieben: "Die Stuttgarter beschenken sich zu ihrem zehnjährigen Jubiläum mit ihrem Debütalbum" (lacht), das passt schon ganz gut. Naja, es gab in den zehn Jahren ja durchaus auch Besetzungswechsel und ich war auch nicht so ganz unschuldig dran, weil ich noch mit Farmer Boys aktiv war. Tieflader waren mir aber trotzdem immer wichtig, ich wollte das auch nie aufgeben. Leider haben wir es in den ersten zehn Jahren nie auf Albumlänge hinbekommen, sondern immer nur ein paar Songs gemacht und die dann gleich eingespielt. Die ganzen EPs davor waren ja immer so 'Ein-Tages-Aktionen' im Studio. Das ging alles immer recht schnell. Am einen Tag die Instrumente, am anderen noch der Gesang und fertig.

Klar, du als Mutter und Hausfrau warst da zeitlich natürlich immer eng dran.

Jahaha, genau! Aber dieses Mal haben wir uns etwas mehr Zeit genommen und eben unser Debüt eingezimmert. Wir haben da ein zwei Sachen ausprobiert und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Was mir natürlich gleich mal wieder aufgefallen ist, ist dein Festhalten an einer nicht existierenden Rhythmusgitarre unter deinen Soli. So was macht doch echt jeder im Studio, außer Pantera.

Hahaha, ich wusste, dass das jetzt kommt. NEIN!!! Sowas gibts bei mir nicht! Das ist ne Style-Frage. Live hast du ja auch keine Rhythmusgitarre, zumindest nicht bei uns oder anderen Bands mit nur einer Gitarre. Das habt ihr mit Purify doch auch nicht.

Ja, aber wenn wir was aufnehmen, spielen wir trotzdem ne Rhythmusspur ein.

Pfff, alles fake (lacht).

Ach komm, du hast auf "Geht Durch Die Wand" auch ein paar zweistimmige Leads drauf, die live in der Art wohl auch nicht machbar sind.

Verdammt, jetzt haste mich natürlich am Sack (lacht). So viel zum Thema Konsequenz. Ok, damit haste recht, aber bei einem Gitarrensolo find ich es einfach auch geil, wenn nur Bass und Schlagzeug alleine grooven. Und wenn die Gitarre dann wieder mit einsetzt, kracht das um so mehr.

Schon richtig, aber so ein wenig bremst das doch immer aus.

Klar, aber das find ich dann auch ok. Das ist durchaus beabsichtig, dass du während dem Solo einen Spannungsumschwung hast. Es geht kurz woanders hin und kommt dann um so brachialer wieder zurück. Klar, das ist Geschmackssache, aber das ist schon in der Pantera-Tradition gehalten, das haste schon richtig erkannt.

Auch manches Riff ist schwer in der Pantera-Tradition gehalten, hehe.

Keine Frage, aber Dimebag ist neben James Hetfield schon immer mein Lieblingsgitarrist gewesen. Das hört man meinem Sound und Stil schon an. Die Grooves, das Tempo, da ist schon deutlich, dass ich mich von seinem Gitarrenspiel hab inspirieren lassen. Aber ganz so einfach, dass ich Dime nur kopiere, ist es wohl auch nicht.

Nein, bestimmt nicht. Von einer Kopie kann keine Rede sein. Vor allem sind auch einige Riffs dabei, die durchaus an Farmer Boys erinnern. Was ich viel kritischer finde, ist es, eine Song wie "Stuttgart" zu veröffentlichen. Immerhin haben die gestern 1:0 gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth verloren!

Ich leg gleich auf (lacht). Sehr witzig, Eddy. Ich bin hier in tiefer Trauer und du bohrst noch in der Wunde! Scheiße, warum mussten wir das Interview auch noch mal verschieben. Hätten wir das nicht vor drei Wochen machen können? Da sah es beim VfB noch deutlich besser aus. Aber das war echt bitter gestern. Aber hilft ja nix, man muss halt zu seinem Verein und seiner Heimat stehen. Auch wenn's mal weh tut. Aber immerhin hat Jens Lehmann den Ball von dem Balljungen, der sich sehr anständig benommen hat, zurück bekommen (lacht).

Meine Fresse, das war so ne Sache. Ich dachte echt, jetzt frisst er ihn! Der Lehmann ist ja jetzt eh nicht für seinen umgänglichen Charakter bekannt.

Ja, das grenzte schon so ein wenig an Todessehnsucht bei dem Kleinen. Aber ich will nichts Schlechtes über den Lehmann sagen, weil der doch schon viel für den VfB in dieser Saison getan hat. Aber vom Typ her … naja, das haben Weltklasse-Torhüter wohl genetisch so an sich (lacht).

Stimmt schon. Der Kahn hätt ihn wahrscheinlich in einem weggenagt.

Jahaha, der hätte ihm den Kopf weggeschrien, oder ihn einfach aus dem Hemd gebrüllt. Aber ich bin ja schon ganz froh, dass die Mannschaft geschlossen dem Trainer das Vertrauen ausgesprochen hat und dass da nicht gleich wieder das Stühlerücken angesagt ist. Was kann denn der Trainer dafür, wenn die Lutscher auf dem Platz nichts auf die Reihe bekommen? Da müsste doch dann eigentlich eher der Manager mal dran glauben, der für die ganzen Einkäufe verantwortlich ist.

Hier in Mainz fühlt man sich ja mittlerweile als Trainerkiller. War neulich eine entsprechende Glosse in der Zeitung. Egal, ob Mainz verliert und dann den Trainer feuert, oder ob ein anderer Club gegen Mainz verliert. Im Anschluss ist immer der Trainer weg.

Ja, echt ne Unsitte. Was soll das? Sieht man doch grad wieder bei Bayern. Das, was die gerade anstellen, hätten sie mit dem Klinsmann auch geschafft. Den haben die gefeuert und dem Neuen erst mal sechs neue Spieler für 160 Millionen hingestellt und wo stehen sie in der Liga? Ist doch echt n Witz. Sind die da alle besoffen?

"Wir trinken gern Dinkelacker"

A propos besoffen. Ich hab gesehen, dass ihr von Dinkelacker gesponsert werdet.

Jawoll!

Wie erklärst du mir denn das bitteschön?

Öh, wir trinken gerne Bier!

Ja ok, und was hat das mit Dinkelacker zu tun?

Hey, wir trinken auch gern Dinkelacker.

Ja klar, jetzt schon.

Du Arsch (lacht)! Klar, trinken wir Dinkelacker, man kann ja nicht immer nur Stuttgarter Hofbräu trinken, weißte? Wie auch immer. Dinkelacker ist noch ne alteingesessene Privatbrauerei. Stuttgarter Hofbräu gehört ja mittlerweile zur Radeberger-Gruppe. Dinkelacker Schwabenbräu ist dagegen immer noch privat. So was find ich gut, das wird unterstützt.

Ok, das lass ich gelten. Ich war ja beinharter Haigerlocher-Fan. Aber das hatte auch schwer an Profil eingebüßt, nachdem es aufgekauft wurde.

Ja, siehste? Genauso ne Unsitte wie das Trainer-Feuern.

Kommen wir mal wieder zu eurer Scheibe zurück. Textlich ist "Hier Kommt Der Hammer" ja nicht wirklich der Hammer.

Ach komm, wieso denn? Das kommt textlich doch gut auf den Punkt.

Mit jedem zweiten Satz: "Hier kommt der Hammer!"

Ja klar, aber das ist doch ein Stilmittel. Das kommt vom ... äh … Schüttelreim, genau (lacht). Ne, dieses Mal haben wir uns echt deutlich mehr Mühe gegeben, was die Texte angeht. Die schreiben Patrick und Rob zusammen und ich hab auch einen geschrieben.

Lass mich raten, du hast bei "Stuttgart" ne Zeile mit getextet?

Ne, bei "Ich Will Wieder Heim" (lacht). Nein Quatsch, der ist komplett von Rob. "Abwärts" ist von mir. Die meisten Texte funktionieren dieses Mal schon auf mindestens zwei Ebenen und haben auch immer mal wieder ein Augenzwinkern dabei. Das war früher nicht immer so. Da haben wir eher selten zweimal überlegt, wie wir was formulieren könnten. Dieses Mal haben wir uns da richtig Mühe gegeben und da wurde auch bis kurz vor dem Einsingen noch einiges dran rumgeschraubt und verändert. Das lass ich dir nicht durchgehen, dass die total platt sind (lacht).

So hab ich das ja auch nicht gesagt. Jetzt leg mir doch nix in den Mund. Das mach ich höchstens bei dir, wenn ich das Interview abtippe.

Ja, genau so kenn ich dich! Journalistisch immer um darum bemüht, authentisch zu sein. Aber halt nur bemüht (lacht).

Was ist das eigentlich für ein Label auf dem ihr jetzt seid? Ratzer Records?

Jep, das ist sowas wie ein alteingesessenes Label hier in Stuttgart. Das ist auch ein Plattenladen, der jetzt 25-jähriges Jubiläum feiert. Der Typ, der den Laden schmeißt, ist ein guter Kumpel von mir und hat uns früher auch schon mit den Farmer Boys sehr gefördert. Der kennt sich halt gut aus und jetzt haben wir eben alles zusammen geworfen und mit ihm die Scheibe gemacht. Wir machen natürlich nach wie vor viel selber und auf eigene Faust, genau wie bei den EPs vorher. In Zeiten wie diesen musst du einfach sehr viel selbst übernehmen, damit du überhaupt letztendlich bei Null rauskommst.

Denkst du, dass man als Band noch groß auf Labels angewiesen ist, oder kann man mit einem guten Vertrieb weitgehend alles selber machen?

Puh, ich denke eigentlich, dass man als Band das meiste mittlerweile auch ohne Label durchziehen kann. Vor allem, weil man ja immer noch von manchen Labels hört, die sich die CDs schon fertig produziert von den Bands geben lassen, die Rechte an den Songs bekommen und letztendlich kaum was für die Band oder die Scheibe machen. Klar, ein großes Label hat immer noch Macht und auch das Geld, dich wirklich zu pushen und was aus deinem Sound zu machen, aber auf kleinerer Basis lässt sich auch ohne Label schon einiges bewegen. Die meisten Labels gehen ja nach dem Prinzip vor, wir schmeißen jetzt mal so viel wie möglich von einem gerade angesagten Trend an die Wand und was kleben bleibt, da pumpen wir auch für ein zweites Album Geld rein. Da hast du als kleine Band, die sich keinem Trend anbiedert, eh kaum ne Chance. Also warum nicht auf eigene Faust arbeiten und dabei dann wenigstens einigermaßen auf Null rauskommen.

"Wir spielen jetzt ein paar Konzerte. Und dann noch mehr Konzerte."

Du bist ja die letzten Tage auch gerade wieder als Gitarrist von Tarja unterwegs. Ist bestimmt eine entspanntere Sache, nur als 'Hired Gun' unterwegs zu sein, als wenn man sich als Bandchef um alles kümmern muss, oder?

Auf jeden Fall. Das ist natürlich auch ne extrem feine Sache mit solchen Musikern zu spielen wie dem Oliver Holzwarth am Bass (Blind Guardian/Ex-Sieges Even) oder dem Mike Terrana (Axel Rudi Pell/Ex-Rage) an den Drums. Das sind nicht nur Spitzenmusiker, sondern auch alles verdammt nette Leute, mit denen ich mich super verstehe. Man sitzt da schon recht lange und viel aufeinander, und das hat mit allen sehr gut funktioniert. Wenn man sich um nichts groß kümmern muss und nur Abends auf die Bühne geht und spielt, ist das natürlich ne sehr relaxte Sache. Auch mit Tarjas Mann und Manager. Ich versteh nicht, warum man mit denen irgendwelchen Stress haben sollte. Die sind da beide sehr entspannt und freundlich. Vor allem auch sie. Wir sind da als Musiker eigentlich weitgehend selbst für uns und unser Zeug verantwortlich und haben auch freie Hand. Es gib keinen Musical Director oder was in der Art, der alles vorgibt oder irgendwelche Vorschriften macht. Wir regeln das sozusagen unter uns, ob wir jetzt nen Stop machen, oder eine Fadeout, oder was auch immer. Das Meiste bleibt natürlich so wie auf CD, aber ein paar Kleinigkeiten können wir absolut unter uns ausmachen. Auf der letzten Tour hatten wir einen kleinen Akustik-Mittelteil, in dem eigentlich keine Gitarre auftaucht. Da hieß es dann einfach: "Spiel worauf du Bock hast."

Und dann stehst du nebendran und schnippst mit den Fingern.

Genau, wie James Last (lacht). Nö, ich hab mir während der Probe die Akkorde rausgehört und dann eben was dazu gespielt. Das war echt ne coole Sache. Mit den ganzen anderen Jungs war das kein Problem. Da kommt jeder perfekt vorbereitet zur Probe, Mike zählt an und los gehts.

Mal was ganz anderes: Wie wichtig ist ein Plattform wie MySpace für euch?

Sollte man schon haben und ist ne feine Sache für die Leute, die mal ein paar Bands anchecken wollen. Da ist genau das drauf, was man als Band braucht: Musik, Video, Bilder und Text. Am Anfang fand ich das eine richtig spannende Sache, aber mittlerweile geht es mir auch stellenweise ganz schön auf den Sack. Vor allem, wenn du ständig irgendwelche Freundesanfragen von Bands bekommst, wo in Klammern dann noch 'writing new songs' steht. Äh, who gives a fuck? (lacht). Man kann Mitteilungsbedürfnisse auch übertreiben. In dem Zusammenhang sei auch Twitter erwähnt. Geht's eigentlich noch? Also MySpace ist schon gut, sollte man als Band haben, aber wir legen auch Wert auf eine eigene Heimat im Netz.

Ich hab neulich mit Daniel Wirtz ebenfalls drüber gesprochen. Der hat sich ja mehr oder minder über MySpace erst mit seiner Band aufgebaut und ist da täglich mehrere Stunden online, um ganz nah am Fan zu sein.

Ja, wenn das für ihn so funktioniert ist das super. Wenn ich mich richtig erinnere, war der mit seinem Video schon bei der ersten Scheibe direkt auf der Startseite bei MySpace. Das ist echt klasse, wenn das bei ihm so funktioniert, aber ich denke, das wird auch von Künstler zu Künstler verschieden sein. Manche Themen sind auf MySpace einfach zugänglicher als andere und wenn das bei ihm so toll geklappt hat, cool! Hm, vielleicht sollte ich das auch mal machen (lacht).

Du musst das delegieren und einen von deinen Jungs zur MySpace-Arbeit einteilen.

Freunde anwerben, überall in Klammer schreiben, dass wir an neuen Songs arbeiten ... und das Geilste überhaupt find ich ja, wenn dir Leute Comments posten mit Videos, die selber starten. Da könnte ich direkt mit dem Hammer drauf hauen. Das Video kann noch so gut sein, die sind für mich von vornherein gestorben.

Wie geht's bei Tieflader weiter?

Wir spielen jetzt ein paar Konzerte. Und – dann schauen wir, dass wir noch mehr Konzerte spielen. Und dann machen wir uns auch gleich mal ans neue Album, damit wir zum 20-jährigen Jubiläum was nachlegen können (lacht). Oder vielleicht auch zum 25-Jährigen. Nein, das neue Album soll natürlich deutlich schneller hinterher kommen. Das sollte in ein, zwei Jahren durchaus drin sein.

Klingt doch sehr gut. Was macht denn der Nachwuchs? Pennt der schon?

Ne, die is noch wach. Aber wir waren heute auf Kindergartensuche und haben da heute nen VfB-Spieler getroffen, der sich den auch angeschaut hat. Den hab ich direkt niedergeschlagen (lacht). Ne, der is leider ganz schnell wieder verschwunden, dabei hätte ich mich gern mal mit dem unterhalten. Naja, egal. Das war jetzt ein zweisprachiger Kindergarten, aber das ist nicht zwingend notwendig. Sie wächst ja zweisprachig zu Hause auf (Alex Frau Dacia ist Amerikanerin, d. Verf.). Aber um Kindergärten und so was muss man sich echt rechtzeitig kümmern. Am besten noch vor der Geburt (lacht). Wir waren danach noch ein bisschen unterwegs und jetzt muss die Kleine erst mal wieder runterfahren. Babys haben anscheinend immer Angst, dass sie irgendwas verpassen. Deswegen will sie auch nicht schlafen.

Ach, mach ihr einfach auch n Dinkelacker auf, dann klappt das schon.

Jahaha, genau. Wie sieht's denn bei dir aus mit Nachwuchs?

Keiner, von dem ich wüsste oder der mir nachgewiesen werden kann.

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