laut.de-Kritik

Texas, damals und heute.

Review von

Texas-Rap ist auf der Karte. Nach ein paar Jahren Untergrund-Gebräu ging 2023 ein junger Mann viral, der seine Loyalität zum Lone Star schon in seinem Namen trägt. Sein Name steht nämlich für – kein Flax – That Mexican Outta Texas. Und das geklärt, begreift man auch einfacher, dass der OT nicht zur Mexican Regional-Szene gehört, sondern mit einem Song mit Texas-Legende Paul Wall durch die Decke geht. "Johnny Dang" und das zugehörige Tape "Lonestar Luchador" gehören zu den großen Come-Up-Stories des Jahres, und That Mexican OT könnte Champion einer neuen Rapwelle werden.

Wie macht er's also? "Texas Technician" ist auf eine magische Art und Weise gleichzeitig Newschool und Oldschool, und der Junge kann spitten, wie man lange niemanden mehr hat spitten hören. "Twisting Fingers" mit Moneybagg Yo wäre für Letzeres ein gutes Beispiel: Da setzt sich OT von oberflächlichen Vergleichspunkten wie Kevin Gates oder DaBaby ab, indem er seinen tief südlichen Groove ziemlich unwiderstehlich über eine Bassline gleiten lässt, reif für den Agenten-Thriller.

Offensichtlich stechen erst einmal seine Fähigkeiten für diegetische und musikalische Doubletimes auf. Das war schon in "Johnny Dang" wahrscheinlich der alles überdeckende Wow-Effekt, vor allem, wie er es mit seiner Ausspreche klingen lässt: Er hat diese Angewohnheit, nicht nur die R-Laute, sondern gefühlt jeden Konsonanten zu rollen. Niemand weiß, wie er es macht; er ist so etwas wie ein linguistisches Cryptid. Aber schwer zu leugnen, dass es ziemlich geil klingt. Trotz der Dichte von ziemlich teils legendären Feature-Artists wie Paul Wall, Slim Thug oder Z-Ro freut man sich doch fast auf allen Tracks am meisten auf den Gastgeber.

Der ist aber nun nicht nur Oldschool und Newschool, weil er der erste ist, der Doubletime nicht zum Rucksackträger beeindrucken, sondern wirklich musikalisch benutzen will. Er hat auch ein tolles Gefühl dafür, moderne musikalische Impulse mit klassischen Rapper-Vorbildern zu verbinden. Die kommen übrigens nicht nur aus Texas, sondern auch aus New York. Big L benennt er deutlich, auch Nas. Und auch, wenn dieses Level an Grit und Punchlines vielleicht ein bisschen zu viel der Lorbeeren wären, gibt es doch Momente, in denen herausbricht, dass er etwas zu sagen hat.

Das nach seinem Geburtstag benannte Intro "02.02.99" klingt, als würde da jemand ernst machen. Die Energie ist hoch, er baut den Flow super-konzentriert auf, die Hook ist ein Monster von einem Kopfnicker. Inhaltlich geht es nur tiefer, wenn er auf "Muchos Gracias" über seine sich verändernde Lebensrealität und den Tod seiner Mutter nachdenkt. OT schafft diese seltene Balance, ein absolut sympathischer, regelmäßig auch ziemlich lustiger Charakter zu sein, aber trotzdem zeigt er, dass er zu anderen Tracks fähig ist: Da finden sich Jersey Club über Mariachi-Gitarren mit Fredo Bang auf "Hola", smoothe Rider-Musik wie "Cowboy In A Escalade" und alberne Punchline-Massaker wie "Bull Riding".

Man merkt, dass OT hier Maßnahmen einleitet, dass Leute ihn nicht für einen One-Trick halten. Das Risiko ist nach "Texas Technician" gemindert, aber noch nicht ganz verschwunden. Er hat den Skill, er hat den Sound und es fühlt sich gut an, dass er sich nicht auf diesem gesegneten Handwerkszeug ausruht. Man kann nur gespannt sein, wie sich das in die Zukunft entwickeln wird; aber Stand jetzt ist That Mexican OT einer der aufregendsten neuen Rapper seiner Szene und "Texas Technician" schlicht ein Tape, das Spaß macht, egal wo oder wann man es auflegen möchte.

Trackliste

  1. 1. 02.99
  2. 2. Point Em Out (feat. DaBaby)
  3. 3. Chicken Strips & Ass (feat. Paul Wall)
  4. 4. Bull Riding (feat. DRODi & Slim Thug)
  5. 5. Wockhardt (feat. Le$)
  6. 6. Function (feat. Propain)
  7. 7. Texas Pledge (feat. Z-Ro)
  8. 8. Crooked Officer (feat. Z-Ro)
  9. 9. Cowboy In A Escalade (feat. Trapboy Freddy)
  10. 10. Comin Down (feat. OTB Fastlane & Hannah Everhart)
  11. 11. Glocks & Hammers
  12. 12. Twisting Fingers (feat. Moneybagg Yo)
  13. 13. Hola (feat. Fredo Bang)
  14. 14. In The Air (feat. Hogg Booma)
  15. 15. Mucho Gracias
  16. 16. Kick Doe Freestyle (feat. Homer & Mone)

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3 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor einem Monat

    Mal reingehört weil ich wissen wollte wie „Texas Rap“ klingt.
    Was soll ich sagen.
    Klingt wie alles andere was sich in den letzten 10 Jahren Rap schimpft.
    1/5 generischer Einheitsbrei

  • Vor einem Monat

    Wie Fler schon meinte: ihr checkt den Film nicht. Für euch sind Boots orthopädische Schuhe.

    Sein Werdegang ist eine Inspiration.
    Es ist eine Kunstfigur und wer darauf nicht klarkommt, der hat wahrscheinlich gar kein Gefühl für Kunst. Allein sein Backflip ist mind=blown. Anyway, er lebt seinen Traum.

  • Vor einem Monat

    Letztes Album noch ein Ticken besser gewesen nach meinem Geschmack, da mich Vorallem seine Musikalität überzeugt. Aber von den diesjährigen releases meine Nummer 1 und bislang spannender als schoolboy qs Platte, mit der ich mich noch nicht so richtig einlassen konnte. Dieses Album gespickt mit diesen htown Spielern ist ein wahrer Genuss 5/5