2. April 2015

"Ein fauler Apfel im Korb versaut die Ernte"

Interview geführt von

"Schau nach vorne, nicht zurück", empfahl Separate schon vor vielen Jahren. Sich daran zu halten, gelang ihm selbst nicht immer. Sein Album "Wahrheit" jedenfalls nutzte er noch einmal, um ausgiebig mit der Vergangenheit aufzuräumen.

Ob er inzwischen das eine oder andere Kapitel endlich schließen konnte? Wir wollen es ergründen und sprachen mit Separate nicht nur über "Wahrheit", sondern auch über lehrreiche Erfahrungen, übers Selbermachen, über verschiedene Strategien, um zu Geld zu kommen, übers Loslassen und Gönnen-Können und über den Erfolg von Chimperator, Cro, Vega und - vielleicht bald? - den von Separates neuem Label Dijital Resistance.

Im Lauf deiner langen Karriere hast du dich gefühlt schon mehrfach aus dem Geschäft zurückgezogen. Aber du bist jedes Mal wiedergekommen. Warum?

Ich hab' mich eigentlich nur einmal aus dem Geschäft zurück gezogen, und das in erster Linie, weil ich ein Studium fertig machen wollte. Und weil ich noch etwas anderes machen wollte außer Rap-Musik. Das einzige Mal, dass ich mich zurück gezogen hatte, war halt relativ lange, deswegen kommt einem das vielleicht vor wie mehrfach.

Tatsache. Mir kam das so vor. Sinngemäß hast du damals, kurz nach deinem Comeback, gesagt, du hast gar keine Lust mehr, Rap zu hören, weil dir das ganze Game so zuwider ist. Ist das immer noch so?

Äh ... nööö. Das ist nicht mehr so. Viele Sachen nerven mich natürlich immer noch. Vieles find' ich auch immer noch irgendwie behindert. Aber so ist das einfach. Ich mach' ja nicht die Regeln, nach denen das Spiel gespielt wird. Ich kann mitspielen, oder ich kann es bleiben lassen. Es bringt ja nichts, sich die ganze Zeit darüber zu beschweren.

Was genau nervt dich?

In erster Linie nervt mich auf jeden Fall, dass es in Deutschland so eine krasse Camp-Mentalität gibt. dass es verschiedene Camps gibt, die miteinander nichts zu tun haben, sondern nur untereinander kollaborieren. Wobei ich denke, dass alle davon profitieren könnten, wenn alle zusammen was machen würden. So ein bisschen wie bei den Amis: Das fände ich cooler. Wenn die Leute ein bisschen offener für wilde Kollabos wären. Ein gutes Beispiel, wie ich finde, sind da Haftbefehl und Marteria, das fand ich geil. Wie in Amerika, wenn Game und Kanye West was zusammen machen, zwei Leute, deren Musikrichtungen eigentlich stark auseinandergehen. Das fand ich ziemlich cool. So Sachen fänd' ich allgemein cooler. Was weiß ich, Cro mit Kollegah, zum Beispiel - das wär' doch 'ne geile Kombo.

Ich hab' eher den Eindruck, dass dieses Lagerdenken ein bisschen zurück gegangen ist. Es gibt doch eigentlich wieder eher mehr übergreifende Zusammenarbeit.

Wie ich das beobachtet habe: eher nicht. Aber keine Ahnung, es ist auch nicht so, dass ich mir jetzt jeden Tag alle News reinziehe, wer mit wem zusammenarbeitet. Auf jeden Fall ist das der Eindruck, den ich in den letzten Jahren bekommen habe.

Swiss, Tabletten-Rap-Punker aus Hamburg, hat letztens die Behauptung aufgestellt, Hip Hops sei BWLer-Sport geworden. Siehst du das ähnlich?

BWLer-Sport? Was soll das sein?

Eine Disziplin, eher geeignet für Wirtschaftswissenschaftler als für Musiker.

Ach, so. (Lacht) Ich glaub', ich versteh'. Wenn er damit meint, dass es sehr viel mehr um Marketing als um Rap geht, dann hat er damit Recht.

Viele deiner Kollegen machen nebenher einen auf Designer oder Fitnesstrainer oder Ernährungscoach ...

Das find' ich super! Ich weiß, was für ein struggle das ist, mit Musik Geld zu verdienen. Wenn da jeder von den Jungs, egal wer, Kohle extra machen kann, mit Bosstransformtion oder mit dem Maskulin-Label, dann kann ich das nur befürworten. Find' ich gut, dass die Jungs ihre Wirtschaftszweige ausweiten.

Hast du selbst Bestrebungen in die Richtung?

Ich muss jetzt erst mal meine Musik wieder richtig an den Start bringen, was bestimmt noch zwei, drei Jahre dauern kann. Aber wenn man dann eine Möglichkeit findet, noch mit anderen Sachen Geld zu verdienen, dann: natürlich. Es wär' ja irgendwie schwachsinnig zu sagen: Ich mach' das nicht. Ich find' das gut.

Was könntest du dir für dich vorstellen? Schon irgendeine Idee?

Klamotten zum Beispiel. Ich bin ja auch ein modischer Typ, so. Ich hab' viele verschiedene Klamotten und kuck' mir auch immer gerne Sachen an, die so aktuell sind. Ein cooles Klamottenlabel ist doch bestimmt was Interessantes. Ernährungsberatung ... da wär' ich jetzt nicht so der Richtige für. (Lacht) Außer vielleicht ein Pizza-Ratgeber oder so.

Dafür wär' ich Zielgruppe.

(Lacht) Ich bin Pizza-Experte! Keine Ahnung, ich hab' mir da jetzt noch nicht sooo viele Gedanken gemacht. KC Rebell hat ja zum Beispiel 'ne Shisha-Bar ... Ist doch gut, wenn die Jungs Business machen. Das sind halt nicht nur Rapper. Das sind alles Geschäftsmänner, die versuchen, Kohle zu generieren und genug Geld zu verdienen, um davon zu leben. Kann ich nur befürworten.

Das machen die Großen in den USA ja auch nicht anders.

Ganz genau. Außerdem haben Rapper in Deutschland so lange wenig verdient, dass das schon in Ordnung ist, wenn jetzt alle mal viel verdienen. Jeder, der am Start ist, hat eine lange Zeit hinter sich, in der hart gestrugglet hat, sehr wenig oder gar kein Geld verdient oder noch draufgezahlt hat. Keiner ist von heute auf morgen berühmt geworden. Alle haben einen harten Weg hinter sich. Deswegen sollen die ruhig alle ihre Kohle machen.

Das heißt: Zum Geldverdienen ist jedes Mittel recht?

Nee! Nicht jedes Mittel! Aber die Jungs verkaufen ja keine kambodschanischen Waisenkinder. Die verkaufen Supplements, oder hier so Bosstransformation, die verkaufen Shirts und Designerware, Klamotten ... Das ist ja nichts Schlechtes. Muss ja auch keiner kaufen, wenn er es nicht haben will.

Ein bisschen rätselhaft find' ich, dass die typischen Frauenzeitschrift-Themen - Klamotten und Schuhe, Ernährung, Aussehen – in den letzten Jahren zur Männersache mutiert sind. Wat is' eigentlich los mit euch?

Ist das so? So nah bin ich dann doch nicht am Geschehen. Aber, ja: Die Männer in Deutschland sind auf jeden Fall viel modebewusster geworden. Das ist mir auch aufgefallen.

Findest du das gut?

Ja, man sollte es nicht übertreiben. Ich bin der Meinung, Männer sollten sich schon ein bisschen maskuliner anziehen, nicht so extrem feminin, wie ich das manchmal sehe. Da steh' ich jetzt nicht so drauf. Aber wenn sich jemand cool anzieht: Ist doch absolut in Ordnung.

Zurück zu einem Thema, von dem ich ein bisschen mehr verstehe: Du hast mal erzählt, dass sich während deiner Auszeit ganz neue Freundeskreise gebildet haben und dass du als sehr angenehm empfunden hast, wenn die Leute nicht wussten, wer du bist und was du gemacht hast. Gilt das immer noch?

Ja, auf jeden. So bekannt bin ich ja jetzt noch nicht, das geht schon noch. Aber in der Regel muss immer jemand von meinen Freunden sofort erzählen, was ich alles gemacht hab'. Deswegen bleibt das nie lange unter Verschluss. Aber es ist einfach angenehm, wenn man ohne Vorurteile, egal ob negativ oder positiv, als Mensch wahrgenommen wird, weißte? Wenn man nur im Rap-Business zu tun hat, wo einen alle als Separate kennen lernen, ist das schon was anderes, als wenn du an der Uni bist und bist halt einer von fuffzich Studenten im Vorlesungssaal, von denen am Anfang vielleicht fünf Leute wissen, wer du überhaupt bist. Das fand ich cool.

Aber das Streben nach Ruhm gehört doch irgendwie schon dazu.

Ja, auf jeden. Klar, ich will ja mit Musik viel Geld verdienen und erfolgreich sein. Da gehört es halt auch dazu, sein Gesicht in die Kamera zu halten.

Wie siehst du denn dieses Maskending? Dass man seine Fresse eben NICHT in die Kamera hält, den Ruhm aber trotzdem abgreift? Wär' das nichts für dich - ganz abgesehen davon, dass es dafür zu spät ist?

Abgesehen davon, dass es zu spät ist: Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich das jetzt wahrscheinlich machen. (Lacht) Ich mein', man muss sich das mal vorstellen: Der Cro ist ein absoluter Superstar. Ich hab' letztens erst mit einem Freund darüber gesprochen: Der könnte jetzt hier einfach an uns vorbeilaufen, und keiner von uns beiden würde raffen, dass der das ist! Das ist unfassbar, was für einen Luxus der genießt! (Lacht) Das ist der absolute Wahnsinn. Cooler Move. Aber wenn ich drüber nachdenke: Ich stell' mir das supernervig vor, dann immer mit dieser Maske rumzulaufen. Wenn man mal irgendwo ist, als Cro. Also, ich hätte keinen Bock drauf, gerade auch auf der Bühne, wenn man Musik macht und so, da hab' ich das Gefühl, es könnte einen behindern. Aber okay, bei ihm hat es anscheinend nicht geschadet.

Die haben einfach alles richtig gemacht, bei Chimperator.

Ja, total genius. Das ist auch, was ich so unfassbar bewundere. Weil die ja quasi auch genau so angefangen haben wie wir mit Buckwheats, oder mit DR jetzt. Was die geleistet haben: absolut unfassbar. Das sind auch so Sachen, die sich überhaupt nicht träumen lassen, dass so etwas überhaupt möglich ist. Ich sehe: Bei anderen gehts. Vielleicht klappts, vielleicht nicht, aber die Möglichkeit besteht auf jeden Fall. Es muss ja jetzt nicht gleich so krass wie bei Cro sein. Aber es ist auf jeden Fall krass zu sehen, was junge Menschen leisten können. Gerade bei Chimperator, das beeindruckt mich schon extrem.

Denen gönn' ich das so dermaßen. Ich kann zwar mit Cro musikalisch nicht so viel anfangen, aber das ganze Drumherum ... wie gesagt: einfach alles richtig gemacht.

Ja. Auch super sympathische Außendarstellung, einfach von vorne bis hinten angenehm. Ich bin, ehrlich gesagt, kein Cro-Fan. Das ist nicht so die Mucke, die ich mir anhören würde. Aber wenn ich mal so einen Song höre, kann ich absolut nachvollziehen, warum die Leute so darauf abfahren. Es ist halt einfach nicht mein Style, ich hör' lieber Ami-Rap-Sachen. Aber wenn ich dann mal was höre, denk' ich immer sofort: Normal, dass der Typ Superstar ist. Das ist doch alles ganz offensichtlich.

Geht mir ganz genau so. Die Funkstille vor "Wahrheit" war nicht ganz so lang wie die vor "El Mariachi". Trotzdem: Eigentlich wolltest du die Platte Anfang November schon rausbringen.

August 2013 haben wir "El Mariachi" rausgebracht. "Wahrheit", ja ... anderthalb Jahre später, dann.

Warum hat es so lange gedauert?

Lange?! Ist das lange, anderthalb Jahre?

Na, aber doch zumindest länger als ursprünglich geplant.

Ich fand' das eigentlich ziemlich schnell. Gerade dafür, dass wir so ein Album abgeliefert haben - das du ja nicht so gefeiert hast. Hab' ich ja schon gelesen.

Stimmt doch gar nicht. Drei ist doch 'ne gute Note.

Ja, vielleicht in der Waldorfschule! Nee, eigentlich sollte es so ziemlich genau ein Jahr danach kommen. Aber ein paar Sachen haben vom Timing her nicht gepasst, deswegen haben wir gedacht, wir verschieben das jetzt lieber nochmal. Keine Ahnung, ich fand jetzt nicht, dass es lang gedauert hat.

Ich erinner' mich an ein extrem lustiges Interview, das Falk Schacht mit dir geführt hat. Darin hast du überdeutlich betont, dass dich die Business-Seite der Musik so abgefuckt hat, dass du auf gar keinen Fall wieder ein Label haben möchtest.

(Schallendes Gelächter) DAS hab' ich gesagt?! Oh, mein Gott, ey! Ich bin so ein Idiot.

Nun hast du wieder ein Label ...

Ja, was heißt Label ... Für mich erstmal nur, und für Ercan. Einen Künstler haben wir dann noch am Start, und vielleicht noch einen anderen. Adas, Ercan und ich - das ist jetzt nicht das überkrasse Label. Wir sind drei Jungs, die zusammen arbeiten, die alle Alben rausbringen wollen, bei denen jeder jedem hilft. Wir sind eher ein großes Team. Um zu sagen, wir sind jetzt Label ... dafür sind wir zu klein.

Glaubst du, du hast aus den Erfahrungen mit Buckwheats - etwa mit dem Finanzamt - gelernt? Hast du keine Angst, noch einmal mit einem Geschäft aufs Maul zu fallen wie damals?

Nee. Ich weiß ja jetzt die meisten Sachen. (Lacht) Überhaupt nicht, eigentlich. Ich weiß jetzt, dass man Geld fürs Finanzamt zurücklegen muss, dass Mehrwertsteuer bezahlt werden muss und wann. Nee, eigentlich hab' ich keine Angst. Ich hab' auf jeden Fall gut draus gelernt. Im Vergleich zu früher ist meine Finanzlage und die Art, wie ich die Sachen bearbeite, eine ganz andere. Früher hab' ich einfach alles in eine Tüte geschmissen. Das passiert jetzt nicht mehr.

Hoffentlich. Ich hab' selbst auch mal ein Geschäft an die Wand gefahren. Erfahrungen, die man eigentlich nicht braucht.

Nee. Aber man muss auch sagen, dass ich damals auf jeden Fall krass selbst dran schuld war. Weil ich mich überhaupt nicht gekümmert hab'. Ich hab' einfach total planlos drauf los gemacht, das war natürlich auch ein bisschen Harakiri.

Hattet ihr damals wirklich niemand, der euch sagt: Ey, Jungs, ihr müsst Steuern bezahlen! Oder sowas?

Äh ... jaaa ... (lacht) ich hatte jemanden in meinem familiären Umfeld, der das sogar relativ häufig gesagt hat. Aber ich hab' halt einfach nicht gehört.

Manches muss man offenbar auf die harte Tour lernen.

So siehts nämlich aus. Das muss ich mir seitdem auch öfters anhören.

Klingt, als sprichst du von meiner Mutter.

Ich sag' dazu lieber nichts! (Lacht)

Besser ist es. Euer Label heißt Dijital Resistance, da steckt der Widerstand schon im Namen. Widerstand wogegen?

Gegen alles mögliche. In erster Linie vielleicht gegen Normen. Wir machen einfach, was wir wollen. Das soll damit gesagt sein. Dass wir ein eigenes Label gründen, um unsere Mucke rauszubringen, anstatt uns bei anderen Labels anzubiedern. Ich hab' kein einziges Label gefragt, ob die meine Sachen rausbringen wollen, weil mir auch in meinem Umfeld viele gesagt haben, dass im Endeffekt kein Label etwas Großartiges für mich machen kann, das ich nicht selbst machen könnte. In diesem Underground-Bereich. Wenn nicht so ein krasses Label wie Chimperator oder was weiß ich wer kommen würde, würde es für mich wahrscheinlich keinen Sinn machen. Da verdien' ich lieber mehr Euro an der verkauften Einheit, arbeite viel mehr, mach' viel mehr selbst, organisiere mehr selbst, mit meinen Freunden oder meinem Team, statt viel weniger Geld pro Einheit zu verdienen. Ja, das ist einfach das Ding: Ich verdien' lieber einfach mehr Kohle an den verkauften CDs, als dass ich irgendwie Arbeit auslagere, wo ich mich am Ende dann noch darüber ärgere, dass die Arbeit nicht korrekt gemacht wurde. Ich bin da ganz schön anstrengend, bei sowas.

Soll das bedeuten, wenn jetzt jemand käme und dir einen Deal anbietet, würdest du sagen: Nö!?

Nö. Wenn das ein cooles Angebot ist und vor allem ein cooles Label, das coole Strukturen bietet, würde ich sofort zusagen! Weil ich sehr froh wäre, wenn ich mich mehr auf Musik konzentrieren könnte und weniger auf diese Business-Sache. Nur: Ich glaub' nicht, dass die Chancen besonders groß sind, dass Chimperator oder ... was gibts noch für andere Labels, die überhaupt in Frage kommen könnten ... mich signen werden. Deswegen mach' ich es lieber selbst, bevor ich zu 'nem anderen winzigkleinen Indie-Label geh'. Abgesehen davon, dass es auch Spaß macht, den ganzen Kram selber zu koordinieren und mit Groove Attack zusammen zu arbeiten und so ... Das macht auch richtig Spaß. So isses ja nicht.

Klingt nicht mehr so, als sei dir die Business-Seite so wahnsinnig zuwider.

Nö, überhaupt nicht. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass die Zahlen im Moment ganz gut sind. Wir sind zwar nicht gechartet, aber wir haben gut verkauft, in der ersten Woche. Es sieht auch so aus, als würde sich das weiter gut abverkaufen. Deswegen bin ich auf jeden Fall sehr zufrieden damit, wie das bisher gelaufen ist. Im Moment fuckt mich die Business-Seite überhaupt nicht ab. Mit Business-Seite hab' ich auch viele Sachen gemeint, mit denen man damals zu tun hatte, wo dann Sachen passiert sind, die einen total genervt haben. Deswegen hat mich diese Musik-Business-Seite sehr gestresst, damals. Heute ist das anders. Zum Beispiel: Sobald ich merk', dass es mit jemandem, mit dem ich zusammenarbeite, nicht so richtig klappt, dass der nicht die selbe Motivation hat oder sowas, dann lass' ich das auch relativ schnell wieder sein und such' mir jemand anderes, mit dem ich zusammen arbeiten kann. Das Wichtigste, ohne Scheiß, das hab' ich wirklich gelernt: Das Wichtigste ist, dass du ein funktionierendes Team um dich herum hast. Leute, die an die Sache glauben, die dafür was machen wollen, die da Bock drauf haben. Das ist, ohne Scheiß, das Allerwichtigste. Wenn du so einen faulen Apfel im Korb hast, das versaut dir schnell die ganze Ernte. Das ist einfach wirklich so.

Glaubst du, du könntest heute die faulen Äpfel schneller aussortieren? Bist du jemand, der sich trennen kann?

Nee, überhaupt nicht, eigentlich. Wenn ich jemanden mag, dann fällt es mir total schwer, überhaupt irgendwas Negatives zu sagen. Es fällt mir auch total schwer, mich von dem zu trennen, auch wenn ich merk', dass derjenige schlecht für mich ist. Gibt ja so Leute, die einen einfach immer negativ beeinflussen, kennt jeder. Da bin ich nicht so besonders gut drin, nee. Aber ich bin quasi gerade in der Phase, mir anzugewöhnen, dann auch lieber wieder Sachen selber zu machen, anstatt auf Leute Rücksicht nehmen zu müssen, die immer mit irgendwelchen Entschuldigungen kommen. Das geht nicht, das geht nicht, oder die immer schlechte Laune haben oder sowas. Ich hab' gemerkt, ich hab' so ein, zwei Leute in meinem Umfeld, die sind superpositiv und strahlen so mega die positive Energie aus. Wenn ich mit denen zusammen bin, dann färbt das voll krass auf mich ab und ich bin dann auch superengagiert bei allem. Aber genau so ist es auch andersrum. Wenn ich jemanden immer mitziehen muss, dann ist das einfach zu viel Ballast, auf Dauer.

Deine Strategie, um dich dahingehend abzusichern, heißt also: noch mehr selber machen.

Ich hab' ja Medienmanagement studiert, das ist ja perfekt für den Beruf, den ich gerade mache. Ich kann im Endeffekt wirklich alles selbst machen. Ich schneid' Videos für uns. Ich bearbeite Fotos. Ich kann Sachen designen. Ich kann ein bisschen HTML schreiben. Ich hab' also schon genau das Richtige studiert, lustigerweise, um selbständig das zu machen, das ich mache. Aber ich bin immer froh, wenn ich Leute hab', die mir Arbeit abnehmen können, und viele Leute können ja auch viele Sachen sehr viel besser als ich. Ich kann alles so ein bisschen, manches ganz gut, aber ich bin da jetzt auch nicht so der Profi drin. Deswegen bin ich immer froh, wenn ich gute Hilfe hab'. Aber mir ist lieber jemand, der vielleicht nicht ganz so gut, dafür aber motiviert ist, als einer, der richtig gut ist, der aber keinen Bock hat.

Alles selber machen ist ja auch ein elend einsames Geschäft.

Alles selber machen, das geht ja auch gar nicht. Ich hab' jemanden, der meine Cover macht, zum Beispiel. Da will ich mich überhaupt nicht drum kümmern, weil das viel zu zeitaufwändig wäre. Jemanden, der die Beats macht. Monroe macht die Beats, mischt alles ab und Sti mastert alles. Im Musikprozess muss ich eigentlich nur meine Vocals 'n bisschen arrangieren. Dann schick' ich die weg, und dann wird das alles gemacht. Aber so zum Beispiel ein Video schneiden oder so: Das mach' ich einfach ganz gerne mal, aber eher selten.

"Im Internet kriegen alle auf einmal dicke Eier"

Du hast vor Jahren schon gesagt, du hast "gelernt, auf alles zu scheißen und einen Fick zu geben". Hat sich daran etwas geändert?

Ja, natürlich. Mir fällt nicht mehr ein, in welchem Track das war. Keine Ahnung, was das für eine Aussage war! Das war vielleicht in irgendeiner Zeit, wo ich abgefuckt war, vom Leben, warum auch immer, Höhen und Tiefen. Jetzt im Moment scheiß' ich auf jeden Fall nicht auf alles.

Worauf ich hinaus will: Wie gehst du mit Kritik um? Interessiert dich, was die Leute über dich und deine Arbeit sagen?

Es gab eine Zeit, da hat mich das interessiert. Da musste ich mich immer mit beschäftigen, das hat mich auch auf eine bestimmte Art und Weise belastet. Deswegen interessiert es mich jetzt überhaupt nicht mehr. es ist mir so richtig übertrieben scheißegal. Ich denk' da überhaupt nicht drüber nach. Ich les' überhaupt keine YouTube-Kommentare. Ich hab' gemerkt, es ist egal, was ich mache. Wenn ich nett bin, sagen manche Schlechtes über mich, und meine Fans verteidigen mich. Wenn ich scheiße bin, sagen manche Schlechtes über mich, und meine Fans verteidigen mich. Egal, wie ich bin, egal, was ich mache: Es ist immer dieselbe Resonanz, im Endeffekt. Die ganzen Kolle-Fanboys des Grauens haten mich. Die Fans von mir verteidigen mich dann. Das ist zwar besser geworden, jetzt in der letzten Zeit. Es ist immer positiver geworden. Aber im Grunde genommen ist mir das alles scheißegal. Ich hab' in den letzten zwei Jahren zehn Videos rausgebracht, und unter allen stehen die selben Beleidigungen. Das les' ich mir doch jetzt wirklich nicht zum hundertsten Mal durch. Was für Pfeifen!

Und du begegnest dem, indem du dir Kommentare gleich gar nicht mehr gibst, oder wie?

Na, YouTube-Kommentare, das ist ja wohl eh das niederste Niveau, das es überhaupt gibt. Das les' ich überhaupt nicht. Früher, wenn hiphop.de oder so über mich 'ne News geschrieben haben, dann hab' ich mir immer gegeben, was die Leute über mich schreiben. Aber da steht ja eh immer dasselbe. Deswegen muss ich mir das auch nicht mehr durchlesen. Is' mir auch wirklich scheißegal. Man muss sich auch mal bewusst machen: In meinem ganzen Leben, noch nie, ist jemand auf der Straße zu mir gekommen und hat mich darauf negativ angesprochen. Noch nie, in meinem ganzen Leben! Das musst du dir mal vorstellen: Das ist noch nie passiert! Ich hab' auf der Straße immer nur Props gekriegt. Egal, wo ich war, egal, in welcher Stadt, hat noch nie jemand was Negatives zu mir gesagt. Aber im Internet kriegen die alle auf einmal dicke Eier und machen da halt Welle. Das sind alles Idioten. So. Im Internet über Leute herziehen, egal, über wen: Das hab' ich noch nie in meinem Leben gemacht. Deswegen werd' ich diesen Leuten jetzt auch nicht die Aufmerksamkeit schenken, dass ich mir das durchlese. Ich will Positives für die Leute um mich herum und für mich machen. Das geht nicht, wenn ich mich immer mit so negativen Sachen beschäftigen muss.

Du betonst auch auf deinem Album, dass du versuchst, positiv an Dinge heran zu gehen. Fällt dir das schwer?

Ja. (Überlegt) Mal mehr, mal weniger. Meistens. Ich kenn' so Leute, die wachen jeden Morgen auf, sind blendend gelaunt. So einer bin ich einfach nicht. War ich aber auch noch nie. Sagen wir mal: Drei Tage von sieben in der Woche bin ich sehr gut gelaunt, zwei Tage mittelmäßig und zwei Tage nicht so gut. So bin ich einfach. Ich hab' nicht immer die selbe Gemütslage, weißte? Die ist von vielen Dingen abhängig, bei mir. Manche Leute kenn' ich, die interessieren sich überhaupt nicht fürs Weltgeschehen. Wenn ich irgendwelche krassen Videos aus Syrien oder so sehe, dann kann es schon mal sein, dass es mir zwei, drei, vier Tage lang richtig im Magen liegt und mich beschäftigt. Das muss überhaupt nichts mit Musik zu tun haben. Das ist selten wegen Musik, eher wegen so Sachen, die mir im alltäglichen Leben passieren und die mich dann einfach mitnehmen.

Viel von deinem persönlichen Kampf steckt auch in deinen Texten. Du rappst zwar viel über Rap, aber schon oft mit Blick auf deine eigene Karriere.

Ja, ich wollte das jetzt mit diesem Album abschließen. Ich werd' immer darauf angesprochen, und ich wollte jetzt noch einmal alles, das es dazu zu sagen gibt, sagen, meine Story dazu erzählen, deswegen heißt das Album auch "Wahrheit". Aber das war jetzt ein Abschluss mit dem, das bisher passiert ist. In Zukunft will ich da nirgendwo mehr drüber rappen, außer vielleicht mal 'ne Zeile, wenn es sich cool anhört oder cool passt oder sonstwas. Aber diese ganzen Storytelling-Sachen: Da hab' ich jetzt keinen Bock mehr drauf. Einfach aber, weil ich mir von vorne herein gesagt hab', ich will mit diesem Album abschließen. Auch, damit ich nicht mehr ständig auf alles angesprochen werde, sondern einfach mal zu ein paar Sachen meine Meinung sage. Ich hoffe, dass das dann damit auch mal erledigt ist.

Glaubst du, du hast das jetzt geschafft? Ich das Kapitel für dich abgeschlossen?

Ja.

Empfindest du als Therapie, dich mit erlittenen Verletzungen zu befassen?

(Überlegt) Ja, ich hab' mich, glaube ich, auch ein bisschen gefühlt, als müsste ich mich rechtfertigen. Oder zumindest meine Sicht der Dinge ein bisschen erklären. Therapie ... weiß ich nicht. Ob Schreiben Therapie ist ... Die Leute sagen das zwar immer, aber das kann ich nicht behaupten. Ich weiß es nicht.

Ich stell' es mir echt schmerzhaft vor, alte Wunden immer wieder aufzureißen.

Eins kann ich dir auf jeden Fall sagen: Ich hab' diese hundert Bars sehr schnell geschrieben. Das ging relativ leicht von der Hand. Ich wusste ja, wie die Geschichte war, ich musste ihr nur einen Rahmen verpassen. Ich hab' da auch mit Absicht nicht so darauf geachtet, ob das jetzt die krassesten Rhymes sind. Da sollte einfach eine Story erzählt werden. Ich hab' das voll lange vor mir hergeschoben, weil ich keinen Bock drauf hatte. Und dann war es schon seit 'ner Ewigkeit angesagt: Am soundsovielten kommen die hundert Bars, und ich hab' die so ... was weiß ich ... vielleicht fünf Tage vorher erst fertig gemacht. Obwohl ich es zwei Monate vorher schon wusste. Weil ich einfach keinen Bock hatte, das zu schreiben. Mir hat das auch keinen großen Spaß gemacht, das zu schreiben. (Lacht)

"Ich bin auf keinen Fall ein Hater"

Ich hätte gern zum Chartseinstieg gratuliert. Hat aber wohl nicht ganz hingehauen.

Nee, hat nicht hingehauen. Aber das ist überhaupt nicht schlimm für mich, weil es von vorne herein relativ unrealistisch war, dass wir überhaupt in die Top 100 kommen. Dann haben wir bloß an den ersten Tagen so gut verkauft, dass es doch irgendwie möglich schien. Freitags waren wir richtig krass hoch, samstags noch in den Sechzigern, Montag, Dienstag noch in den Neunzigern und Mittwoch, Donnerstag dann leider raus. Aber das ist für mich überhaupt nicht schlimm, weil wir in der ersten Woche schon mehr CDs verkauft haben als von "El Mariachi" - jetzt nur von den physischen CDs gesprochen. Deswegen ist eine klare Steigerung zu sehen. Die Facebook-Likes gehen langsam nach oben, Tour ist in Planung, alles geht nach oben, deswegen ist das für mich alles cool.

Während du die Top 100 knapp verpasst hast, ist dein ehemaliger Labelschützling Vega auf der Eins eingestiegen. Tut das weh?

Nö. Ich hab' dem gratuliert. Es tut bei niemandem weh, wenn jemand, mit dem man früher zu tun hatte, auf der Eins einsteigt. Keine Ahnung. Das ist irgendwie so ein Denken, da kommen mir viele Leute mit, aber das ist bei mir einfach nicht vorhanden. Da könnt ihr alle lange genug danach fragen. Ich gönn' es dem zu hundert Prozent. Er hat auch hart dafür gearbeitet. Das gleiche will ich auch, und ich will, dass es mir die Leute dann auch gönnen und nicht sagen: Man, wieso ist der auf der Eins?

Du schätzt dich also als jemanden ein, der gönnen kann?

Auf jeden Fall. Ich bin auf keinen Fall ein Hater. Wenn ich was nicht mag, mag ich es nicht so. Aber dann ist es mir in der Regel auch scheißegal. Es gibt niemandem, dem ich es nicht gönne, viel mit Musik zu verdienen, weil ich weiß, was für ein Struggle das ist. Ganz einfach.

Dir ist es offensichtlich öfter passiert, dass du Leuten einen Gefallen getan hast und im Gegenzug nichts oder relativ wenig zurück bekommen hast. Sucht man den Fehler dann auch bei sich selbst?

Öhm ... wieso?

Na, wenn mir ähnliche Sachen immer wieder ähnlich schief gehen, frage ich mich schon, ob ich nicht vielleicht irgendwas falsch mache.

Ich hinterfrage mich eigentlich die ganze Zeit. Ich kucke, ob ich was richtig oder falsch mache und bin sehr kritisch mit mir.

Denkst du, dass deine Musik vielleicht einfach schwieriger zugänglich ist als die von anderen?

(Überlegt) Warum?

Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an "Zahltag" und daran, dass mir das beim ersten Drüberhören damals furchtbar langweilig vorkam und mir erst später aufgegangen ist, dass ich die Platte richtig, richtig gut finde.

Ja, das kann ich mir vorstellen. Keine Ahnung, aber da muss man sich ab und zu vielleicht erst so ein bisschen reinhören, um den Hintergedanken rauszufinden.

Inhaltlich, musikalisch oder beides?

Bei mir geht es in der Musik viel um Gefühl. Darum, ein Gefühl rüberzubringen, in einem Song. Das ist mir sehr wichtig, bei Musik. Deutscher Rap ist aber sonst mehr ausgelegt auf Drums, Synthies oder was weiß ich was und ganz eindeutige Lyrics, weißte? Deutscher Rap unterscheidet sich übertrieben vom Ami-Rap, der auch sehr auf die musikalische Seite ausgelegt ist. Das ist beim Deutschrap einfach nicht so. Beim Deutschrap gehts viel mehr um die Lyrics. Oder darum, wie der Rapper etwas ausspricht. Zum Beispiel, keine Ahnung, Veysel oder so Leute: Die sind einfach krass wegen der Art und Weise, wie die etwas rappen. Im Amiland gehts mehr so um das Komplett-Ding, um das musikalische Ding. Und darum gehts mir im Endeffekt auch: mehr um die musikalische Komponente, um den ganzen Song, um das Zusammenspiel von den Lyrics, auch von meiner Stimme, und dem Beat. Viele Rapper hören sich auf jedem Beat gleich an, gerade in Deutschland. Ich denke, dass ich mit meiner Stimme bei Songs auf jeden Fall mehr variieren kann - und auch mehr darauf achte, mehr zu variieren. Was war die Frage, nochmal? (Lacht)

Ob du deine Musik für weniger zugänglich hältst als die manch anderer.

Nee. Ich glaub', nicht weniger zugänglich. Ich glaub', dass es vielleicht nicht der typische Deutschrap ist, den der typische Deutschrap-Kunde hören will.

Liegt es daran, dass manche Erfolg haben und andere aus dem Untergrund einfach nicht rauskommen?

Nee, ich komm' schon noch aus dem Untergrund raus. Keine Sorge.

Okay, ich erwarte dich oben. Wie sehen die Pläne für die nächste Zeit aus?

Top 100 gehen, dann Top 50, dann Top 20. So ist der Plan. Monroe und ich sind gerade am Überlegen, was wir als nächstes machen. Auf jeden Fall noch irgendeinen Release vor dem nächsten Album. Wir sind im harten Arbeitsmodus. Da wird bestimmt noch Einiges kommen. Als nächstes kommt wahrscheinlich "Die Jagd Auf Den König 3" und das Album von Adas und Ercandize über Dijital raus.

Das wird dann alles auch nicht ganz so lange dauern?

Auf jeden Fall keine fünf Jahre. Das nächste Release kommt ganz sicher noch dieses Jahr.

Hui.

Ich werd' mich auf jeden Fall um das Ercandize-Album und um das Adas-Album kümmern. Die beiden Releases will ich in Zusammenarbeit mit Ercan raushauen. Dann schauen wir weiter. Es gibt auf jeden Fall ziemlich viel zu tun, dieses Jahr. Von Adas bin ich sehr überzeugt. Ich hoffe, dass die Leute das auch checken werden, wie gut der wirklich ist.

Gibts Zeithorizonte?

Alle drei Alben sollen dieses Jahr kommen.

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