laut.de-Kritik

Bowieesque Gebärden statt Mainstream-Kompromiss.

Review von

Es ist unfassbar, in welchen Intervallen Portugal. The Man seit ihrem Debüt 2006 Alben auf den Markt werfen: Im Jahrestakt warten die vier Jungs aus Alaska mit Outputs auf. Allein diese schier unerschöpfliche Kreativquelle verdient Respekt.

Auch vor dem Wechsel vom Indielabel zum Major Atlantic muss man sich verbeugen. Nicht aufgrund der Tatsache an sich, sondern deshalb, weil das sechste Studioalbum kein mainstreamtauglicher Kompromiss geworden ist, auf dem die Band ihre Freude an Experiment und Psychedelica gegen poppigen Einklang eingetauscht hat.

Alles andere als das: Zwar schlagen sie immer noch den Bogen zum Indie-Rock-Pop. Doch trotz Eingängigkeit flicht die Band immer wieder ungewöhnliche Motive und effektvolle Spielereien in breit angelegte, hochtrabende Arrangements.

Bezüge zu üppigen Gesten und Bowieesquen Gebärden schwingen schon im Opener mit: Das Major-Tom-Intro von "So American", die fistelige Stimme von John Gourley, die erschöpfenden Gitarren, die Streicher und das vibrierende Keyboard rufen den Glam der frühen 70er in Erinnerung, als man im britischen Rock gleichermaßen mit glitzerndem Pathos wie mit Geschlechterrollen spielte.

Die Tendenz zu Pompösem und Choralem, verbunden mit einer hörbaren Liebe zu den Beatles und den Beach Boys, eint die Dichotomie aus Schwere und Leichtigkeit, aus Rohheit und Feinsinn, zu einem stimmigen Klangbild. Die Songs geraten melodiös, aber nicht anbiedernd, schroff und trotzdem filigran.

"Senseless" gibt Zeugnis von solchen Widersprüchen: "Sad inconsistencies we see / When you find yourself lonely but right next to me". Ein drückendes Riff steht massiv gegen Gourley's Höhenlagen an, Klavier macht einem Gitarrensolo Platz, bis alles in rauschendem Hall ineinanderläuft und unvermittelt innehält.

Die Schörkel punktgenau in die Kompositionen eingepasst, sind die Songs von einem euphonischen Wohlklang, der vielschichtige Instrumentation und verschiedene Stilelemente unterbringt. Aus weitschweifigen Songideen fügen Portugal. The Man ein Albumganzes zusammen, das trotz taktweiser Konstrukthaftigkeit geschlossen klingt.

"There's a madness in us all" - Aus diesem dem Menschen innewohnenden Wahnsinn schöpft die Band 45 Minuten voll grober Gitarren und fragiler Geigen, wirrer Synthgebilde und fisteligem Gesang.

Was auf "Once Was One" als Country-Blues-Rock beginnt, erhebt sich aus verhallten Stimmspuren und schwelendem Refrain zu einer wuchtigen Eloge. Mit finsterem Synthie-Riff und schleppendem Rhythmus arbeitet sich das ungewohnt düstere "All Your Light (Times Like These)" zu einem Instrumental-Intermezzo vor, das dem Song einen gewaltigen Stoß Richtung Prog-Rock versetzt. Wie hier birgt auch das gesamte Album zahlreiche Schrägen und Gefälle, die zugleich durch Zartheit bestechen.

Die Streicher sanft und bestimmend zur selben Zeit, kostet "Sleep Forever" den Reiz der Spannungskurve aus. Die Band vermeidet Eskalation, wo man sie vermuten würde, und zelebriert sie dort, wo das Einheitsbrei geschulte Ohr sie sonst erwartet hätte. Das über sechs Minuten dauernde Schlussstück verdichtet diese Diskrepanzen, nur um dann urplötzlich, scheinbar mitten im Outro, abzubrechen. So endet eine Platte, die Negation von Erwartungshaltung und Bejahung der Gefälligkeit perfekt zusammenzubringen weiß.

Trackliste

  1. 1. So American
  2. 2. Floating (Time Isn't Working My Side)
  3. 3. Got It All (This Can't Be Living Now)
  4. 4. Senseless
  5. 5. Head Is A Flame (Cool With It)
  6. 6. You Carried Us (Share With Me The Sun)
  7. 7. Everything You See (Kids Count Hallelujahs)
  8. 8. All Your Light (Times Like These)
  9. 9. Once Was One
  10. 10. Share With Me The Sun
  11. 11. Sleep Forever

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5 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    Ich mag ihren Stil, Fr. Nußbaum, auch oder gerade weil ich die Rezension wahrscheinlich lieber selbst geschrieben hätte ;)
    "The satanic Satanist" konnte mich nicht mehr ganz so überzeugen wie die Anfangswerke wie "Waiter: You Vultures!" oder "Church Mouth", dennoch gibt es in diesem "Segment" (ja, was ist denn eigentlich ihr Segment?) kaum eine kreativere und unabhängigere Band, weswegen ich mir recht unkritisch auch die bisherigen Nachfolger zulegte.
    Die machen halt gerade das, was ihnen gefällt - und meistens gefällt das mir dann auch. Platte ist Pflichtkauf - allein der Vollständigkeit seit 2006 halber ;)

  • Vor 12 Jahren

    Ich verstehe bis heute nicht wie man keine Rezension von Censored Colors schreiben konnte.Defintiv mit In The Mountain In The Cloud ihr Schaffenshöhepunkt.Portugal.The Man ist eine Band die mich nach fast 6 Jahre nicht einmal enttäuscht hat und vor allem Live nicht.Immer wieder ein Erlebnis.Ich würde der Platte 5 von 5 geben.Ganz klar.

  • Vor 12 Jahren

    so ganz kommt die neue platte nicht an ihr meisterwerk satanic satanist heran. ich bin jedoch froh das der sprung zum major gelungen ist ohne das die qualität darunter zu leiden hat.
    ganz tolles album !

  • Vor 12 Jahren

    der bandname ist so ekelhaft prätentios wie soulburns schreibstil

  • Vor 12 Jahren

    "Sie tourten bisher mit Bands wie The Fall of Troy, Damiera, Action Action, The Matches, Gatsbys American Dream, HORSE the Band, Circa Survive und Rx Bandits."
    fehlt nur noch ¡forward, russia!