5. Dezember 2003

"Wir sind die, die für die reichen Weißen sterben"

Interview geführt von

Spätestens nach einem Blick auf die Biographie und seine offizielle Homepage sollte klar sein, dass Polit-Rapper Paris etwas zu sagen hat. Die Gelegenheit zum Mail-Interview ließ sich die LAUT-Redaktion natürlich nicht entgehen. Die Fragen waren sofort geschrieben und Paris Antworten ebenso flux wieder zurück. Ob seine Aussagen den "Warning: Contains Hard Truth"-Sticker auf seiner aktuellen Platte rechtfertigen? Lest selbst.

Du bist nach der Hauptstadt Frankreichs benannt. Wieso?

Ich bin nicht nach der Hauptstadt Frankreichs benannt. Aber ich habe diesen Namen gewählt, weil die Wut, die meine Musik reflektiert, ein direktes Resultat der weißen, amerikanischen Vorherrschafts-Ideale ist. Dieser Name repräsentiert diese Ideale. Es ist ein Weg zu sagen, dass ich den Hass repräsentiere, den Hass geschaffen hat. (Anm.: "The Hate That Hate Made" war die erste Single Paris', die ihn bekannt gemacht hat.)

Könntest du mir etwas über den Beginn deiner Karriere erzählen, und wie du mit Hip Hop in Kontakt gekommen bist?

Ich kam zum Hip Hop, weil ich diese Art von Musik liebe und weil ich Musik machen will, die etwas zu sagen hat. Hip Hop spricht direkt zur ganzen Welt. Ich habe immer geglaubt, dass Hip Hop eine unterhaltsame und notwendige Stimme der schwarzen Gemeinschaft darstellt.

Was hältst du von dem momentanen Stand des Hip Hops mit all dem Beef und den Streitereien?

Der derzeitige Stand von Hip Hop ist, dass alles zum Geschäft geworden ist. Die Unternehmen haben erkannt, dass Hip Hop ein kultur-definierendes Medium ist. Nicht nur für die schwarzen Bevölkerung, sondern für alle. Deswegen wird der Inhalt jetzt einzig und allein von denen reguliert, die die Fäden in der Hand haben. Es ist sehr leicht für sie, von der derzeitigen Erniedrigung unserer Gemeinschaft zu profitieren und das "business-as-usual"-Bild, wie Hip Hop und das schwarze Amerika repräsentiert wird, nachzuahmen. Leichter, als zu versuchen, eine Veränderung durch Künstler und Material zu fördern, was wiederum zum Denken anregen würde. Man muss wissen, dass Plattenfirmen und die meisten Künstler keine großen Freunde der schwarzen Gemeinschaft sind.

Wo sind die politischen Musiker derzeit? Sollte etwa jemand wie Jay-Z seine Macht eher in dem Sinne Chuck Ds (Anm.: Rapper von Public Enemy) gebrauchen?

Ich, Public Enemy, Dead Prez, Blackalicious, Zion-I, KRS 1, Talib (Anm.: Kweli), Mos Def, Common, Erykah Badu: wir sind eine ganze Bande politisch motivierter Künstler. Es ist allerdings schwierig für viele von uns in dieser politischen Umgebung gehört zu werden.

Was ist deine Meinung zu Dead Prez? Sollten sie bei einem Major Label unterschreiben?

Sie sollten bei Guerrilla Funk unterschreiben oder ihr eigenes Independent-Ding machen. Ein Major wird ihnen niemals die Liebe entgegen bringen, die sie verdienen.

Engagierst du dich noch anderweitig politisch, außer in der Musik?

Nein. Nur mit meiner Website und den Informationen, die ich dort verbreite (www.guerrillafunk.com). Das ist wirklich eine Voll-Zeit-Beschäftigung. Wir haben da so viel Info. Von unterhaltsamen Nachrichten, politischen Kommentaren, finanziellen Hilfeleistungen, Video-Dokumentationen, MP3s bis zu Vermögens- und Verwaltungstipps. Das nimmt schon sehr viel meiner Zeit in Anspruch.

Glaubst du nicht, dass du die Menschen mit deinen radikalen Ansichten eher erschreckst, als dass du sie auf Ungerechtigkeiten aufmerksam machst?

Ist die Wahrheit radikal? Ich glaube nicht, dass ich die Menschen erschrecke. Ich glaube, ich nehme ihnen etwas ab. Ich helfe ihnen, nicht Opfer der Propaganda zu werden, der sie Tag aus, Tag ein durch die Medien ausgesetzt sind. Diejenigen, die erschreckt sind, müssen wahrscheinlich erschreckt werden. Meine Musik zielt darauf ab, alles ein wenig auf den Kopf zu stellen.

Was war und ist deine Meinung über die weltweite Anti-Kriegs-Bewegung während des Irak-Krieges?

Ich bin grundsätzlich gegen alle Kriege, die die Vereinigten Staaten gegen den Rest der Welt führen. So läuft das von Anfang an. Außerdem richten sich die Kriege fast ausschließlich gegen Farbige. Ich bin ein überzeugter Gegner der Bush-Agenda. Ich bin sogar der Überzeugung, dass die Regierung verantwortlich für die Leitung der Angriffe am 11. September war. Mit meiner Hilfe entstand in Zusammenarbeit mit GNN (Anm.: Guerrilla News Network) eine Video-Dokumentation, in der wir Fragen über den 11. September 2001 aufwerfen und erklären. Die Massenmedien hatten sich dazu entschieden, diese Fragen zu ignorieren. Was hat die Bush-Regierung gewusst und wann? Wieso war das US-Militär nicht in der Lage, die gekidnappten Flugzeuge zu stoppen? Welche Verbindungen hatten die US-Regierung und das CIA zu den Terroristen und ihren Unterstützern? Was haben derzeitige Gesetze, wie der Patriot Act und der Homeland Security Gesetzesentwurf für Auswirkungen auf das Leben der Amerikaner? Das sind alles wichtige Fragen, die gestellt werden und von uns allen, speziell der Hip Hop-Community, beantwortet werden müssen. Weil genau wir diejenigen sind, die in Kriegen rund um die Welt für die reichen weißen Leute sterben. Wie ich schon gesagt habe, ich bin der Meinung, dass die Angriffe vom 11. September von unserer eigenen Regierung geleitet wurden. Den Gründen dafür gehe ich in dem Thought Box-Abschnitt auf www.guerrillafunk.com auf den Grund. Dort ist das Video auch auf DVD erhältlich. Ich lege allen nahe, bei uns mal vorbeizuschauen und sich uns anzuschließen!

Wenn du mit der US-Regierung nicht einverstanden bist, wieso verlässt du dann nicht einfach das Land?

Lass mich ganz deutlich sagen, dass ich Amerika nicht hasse. Ich hasse jedoch die ungerechten und unterdrückenden Vorgehensweisen, wie Amerika mit den eigenen Einwohnern und den Bewohnern anderswo umgeht. Und obwohl ich das Land liebe, in dem ich lebe, und keinerlei Verlangen habe, irgendwo anders zu wohnen, weiß ich, dass es sich nicht um die perfekte Welt handelt. Außerdem finden Bürger immer Probleme, die sie verbessern wollen, egal wo sie leben. Vor diesen Problemen wegzurennen, wird sie sowieso nicht lösen. Wahrscheinlich hätte ich mit manchen Problemen, besonders dem Militarismus und der wirtschaftlichen Ausbeutung, anderswo mehr zu kämpfen als hier.

Hattest du Probleme, dein Album zu veröffentlichen?

Ja, natürlich. Eigentlich war alles um die Veröffentlichung von "Sonic Jihad" ein Riesenstress. Nahezu alle Medien haben mich nicht unterstützt, und alle Plattenfirmen und Vertriebe haben mich ignoriert. Fast alle Formen der geläufigen Medien haben eine konservative Tendenz. Alle unterstützen offensichtlich die Agenda der Bush-Regierung und machen dabei oft schlicht die Öffentlichkeitsarbeit für die Regierung. Und seit die Regierung die Machenschaften der konservativen Elite in den höchsten Tönen lobt, gibt es sehr wenig Platz für Künstler, die außerhalb dieser Fehl-Informations-Kiste handeln, gehört zu werden. Deswegen habe ich Guerrilla Funk ins Leben gerufen. Bis jetzt waren die Reaktionen auf die veröffentlichen Singles überwältigend positiv. Die Menschen lechzen förmlich nach mehr in ihrer Unterhaltung. Außerdem hasst der ganze Planet diese Regierung ... das Publikum ist also auf jeden Fall vorhanden.

Was hältst du von Arnold Schwarzenegger als Gouverneur von Kalifornien?

Er ist Republikaner, und ich unterstütze diese Partei wegen ihrer rassistischen und ausgrenzenden Vorgehensweisen nicht.

Wie siehst du die Zensur in den USA?

Das ist ein richtiges Problem. Und mit den ganzen Unternehmenszusammenschlüssen wird es noch schlimmer. Es herrscht eine sehr beengende Stimmung, und die Unternehmen sind besorgt. Eigentlich fürchten sie sich aber nur vor der Wahrheit. Es scheint so, als ob sie kein Problem damit hätten, negative Stereotypen wieder anzuleiern oder etwa Gewalt und Frauenhass von Schwarzen gegenüber Schwarzen zu fördern.

Was hältst du von Michael Moore und seiner satirischen Herangehensweise?

Ich habe mich mit seinen Arbeiten auseinandergesetzt und glaube, man braucht ihn im Moment. Man muss dabei wissen, dass er seine Filme nur durch finanzielle Hilfe aus Kanada produzieren konnte, weil die Firmen hierzulande einfach ein Haufen Scheiße sind.

Gibt es Künstler, mit denen du gerne arbeiten würdest?

Ich habe mit den Künstlern, mit denen ich gemeinsam etwas machen will, auf "Sonic Jihad" zusammen gearbeitet.

Wer ist dein Lieblings-MC?

Ich.

Das Interview führte Alexander Engelen

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