7. Juni 2010

"Im Herzen bin ich ein Rocker"

Interview geführt von

Unterwegs auf "John Bello 3"-Tour zusammen mit Kool Savas haben wir Oliver "Balboa" Otubanjo, den Mann mit dem Handtuch, beim Stopp in seiner Wahl-Heimat Köln nach einigem Hin und Her doch noch an die kabellose Strippe bekommen und mit ihm gesprochen – über Gott mehr, über die Welt weniger.Grüß Dich, Olli. Wie gehts Dir, wo treibst Du Dich rum?

Hallo Alter. Wir sind hier grade in Köln, bei der "John Bello"-Tour. Und ja ... wird gut heute, denk' ich.

Grade eben hast Du auch getwittert: "Ich liebe Köln!"

Ja klar, auf jeden Fall – ich bin froh, wieder hier zu sein. Ich war vorhin auch noch kurz zu Hause und ... nice.

Du wohnst in Köln?

Ja, seit acht Jahren wohn' ich hier. Hör' mal: Savas sitzt hier auch grade neben mir. Ich soll Dir sagen, er war sehr enttäuscht von Deiner Review für die "John Bello Story 3".

Och, das ist natürlich schade. Aber wie gesagt: Ich fand Teil Zwei einfach irgendwie besser. Ist halt auch immer ein persönliches Ding und so mit dem Geschmack ... aber schöne Grüße an ihn.

Ja natürlich, mach' ich.

Lass uns über Dich reden. Wo wir grade schon dabei waren: Du nutzt ja Twitter recht fleißig. Machst Du das gerne oder ist das für Dich eher so: Naja, mach ich halt auch mit.

Ich nutz' das super gerne, weil das der direkte Kontakt zu den Fans ist – direkte Kommunikation ohne irgendwelchen gefilterten Tools. Insofern ist das obergeil, ich feier' das.

Nutzt Du noch andere Online-Dienste?

Ich bin auch bei Facebook – da hab ich zwei private Seiten ... zwei, weil das eine Profil schon voll ist. Dann hab ich noch eine Fanseite und auf MySpace bin ich auch. Und wie gesagt – ich benutze das alles sehr gerne. Wenn ich Zeit hab', quatsch' ich da auch gerne mit den Leuten.

Jetzt momentan retweetest Du viele positive Fanreaktionen auf Dein neues Album "Kopfdisco" – von denen mal abgesehen: Hast Du denn auch schon erstes Feedback vom Markt, sprich: Verkaufszahlen?

Ja, auf jeden Fall. Die Trendcharts sind total super gewesen. Wir sind am ersten Tag auf der Acht gewesen, am zweiten auf der Elf und es sieht super aus. Kann natürlich sein, dass es gegen Ende der Woche ein wenig abkackt, aber alles, was innerhalb der Top 30 ist, wäre super ... und es sieht so aus, als könnte es noch besser werden. Die Leute reagieren richtig gut drauf. Platz Acht ist Wahnsinn.

Dann würde ich zunächst gerne ein bisschen Rückschau betreiben: Ich hab' ein sehr oldschooliges Video von der "Deutschen Reimachse" gefunden, in dem Du zusammen mit Smudo, DCS und anderen bereits 1993 als Rapper am Start bist. Wieso bist Du dann bis circa 2000 mehr oder weniger von der Bildfläche verschwunden – was war in den acht Jahren dazwischen?

Ja, da wollt' ich Fußballprofi werden, da hab ich dann eigentlich gar keine Musik mehr gemacht. Ich hab erst später wieder angefangen mit dem Rappen und so. Ich hab' Freestyle-Mixtapes mit der Crew gemacht, et cetera. Aber in der Zeit wollt ich Profi-Fußballer werden ... was nicht geklappt hat. (Lacht.)

Bei welchem Verein?

Ich hab bei Viktoria Aschaffenburg gespielt und hab auch Angebote vom 1. FC Nürnberg und von Bayern München bekommen und ... naja, in der Jugend war ich gut. Ich hab auch in der Bayern-Auswahl gespielt, DFB-Stützpunkt-Training und so weiter und so fort.

Okay, und ab 2001 hast Du dann angefangen, Dich wieder voll auf die Musik zu konzentrieren?

Genau.

Gut, dann lass uns ein bisschen über das aktuelle Album reden – zunächst würd' ich gerne auf die visuelle Präsentation Bezug nehmen: Wieso das relativ militante Auftreten, die Gasmasken, das Ruinen-Szenario und die vielen Deutschlandfahnen? Ist letzteres ein Aufspringen auf den anrollenden WM-Zug?

(Lacht.) Nee, das hat mit der WM nix zu tun. Bzw. indirekt vielleicht, weil ich bin auf jeden Fall auch ein großer Patriot ... auch früher schon, wo das vielleicht noch ein bisschen kritisch war. Aber im Grunde genommen fand ich die deutsche Flagge schon immer schön und für mich ist die auch nicht vorbelastet. Für mich hat das keine Wertung ... für mich sind alle Schulden generationstechnisch abgetragen, insofern hab ich auch dieses schlechte Gewissen nicht, was die Generation vor uns vielleicht noch hatte oder abbekommen hat. Meiner Meinung nach gibt es keine "Erbschuld" – insofern kann ich Deutschland, unser wundervolles Land, auch feiern.

Das ist ja momentan auch en vogue. Fler rappt zusammen mit Bushido "Das Alles Ist Deutschland", K.I.Z. machen ...

... ja, aber ich war auf jeden Fall der Erste, der Deutschland in den Vordergrund gerückt hat.

Ich mein nur: Generell ist das im Rap wieder im Kommen. Ich persönlich hab auch absolut kein Problem mit dem Deutsch-Sein.

Ja eben. So seh' ich das auch. Ich konnte auch damals die Diskussion gar nicht verstehen, warum Fler da kritisiert wurde – das konnte ich nicht nachvollziehen. Er hat einfach nur gesagt "Ich bin deutsch und gut is'", weisste. Oder auch bei Samys letzten Album – da kamen dann ja auch irgendwelche Diskussionen hoch. Konnt' ich auch nicht verstehen.

Bei Fler sprichst Du die "Neue Deutsche Welle" an?

Genau, das mein' ich.

"Im Grunde genommen ist Rap immer: Sich in Schritt greifen und cool sein."

In diesem Zusammenhang: Deutschlands Bundespräsident Horst Köhler ist vorgestern aufgrund der Kritik an seinen Äußerungen mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Findest Du diese Reaktion angemessen?

Du meinst, sich aus der Verantwortung zu stehlen?

Äh, nein ... bzw. ja, wenn Du das so bezeichnen willst.

Ach, keine Ahnung. Ich finde, Politiker sind auch einfach nur Menschen. Und wahrscheinlich war der psychische Druck einfach so hoch, dass er gesagt hat, er muss diesen Schritt gehen. Weil als Bundespräsident zurück zu treten, das überlegt man sich, glaube ich, zehn Mal, bevor man das wirklich tut. Aber so was will ich auch gar nicht beurteilen, weil das alles gefährliches Halbwissen wäre, was ich dazu jetzt sage.

Dann zurück zu Deinem Fachgebiet. Im aktuellen JUICE-Interview sagst Du, Zitat: "Ich mache keine Musik für Kiddies, die dämlichen Gangster-Rap hören und auf falsche Images abfahren. Ich stehe für skillsorientierten Rap von echten MCs." Bezogen auf die Nummer "Ich Bin Ein Rapper", in der typische Reaktionen von Außenstehenden ins Visier nimmst, sobald Du sagst, dass Du Berufs-Rapper bist. Wie kriegt man das zusammen? Einerseits Rap als Sprachrohr sehen, um Inhalte über den Szene-Tellerrand hinaus zu vermitteln und andererseits die Ignoranz von eben dort?

Also erstmal: Ich kann nur Leute bekehren oder missionieren, die diesbezüglich offen sind. Es gibt Leute, die hassen Rapmusik und die können damit nix anfangen und da kannst Dus vergessen – da ist Hopfen und Malz verloren. Sobald die Rap hören, kriegen die 'nen Abtörn. Genauso wie es Leute gibt, die sobald sie elektrische Gitarren hören, 'n Abtörn bekommen.

Aber: Ich kann insofern versuchen, die Welt in der Hinsicht zu verbessern, indem ich Mucke mache, die emanzipiert ist. Die fern von jeglichen Klischees ist, die keine stumpfen Images bedient und die vielleicht auch ein bisschen freier ist als der gewöhnliche Hip Hop. Das ist meine Mucke und dieses Album ist daher auch weiter gefächert: Die Themenauswahl ist total vielfältig. Es wird über das komplette Spektrum des Lebens gerappt. Aber auch künstlerisch ist der Bogen viel weiter gespannt. Die Arrangements sind teilweise aufgebrochen – es gibt Songs, die ab der Hälfte switchen und den Song in ein ganz anderes Licht stellen, et cetera, et cetera. Diese Platte ist sehr, sehr kreativ und auf jeden Fall auch was für Leute, die nicht unbedingt den gewöhnlichen Hip Hop mögen.

Der krasse Break im Song "Fotografieren" wäre da wohl ein geeignetes Beispiel ...

Genau.

Aber genau das hört man ja jetzt auch wieder sehr viel häufiger. In den Neunzigern gings los mit Hip Hop als, sagen wir: Nischen-Musik, kulturelles Sprachrohr, Open Mindedness, Backpack und so weiter. Um die Jahrtausendwende präsentierte sich dann ein Gros der Szene in Imagerap und diversen Milieus. Seit kurzem zeichnet sich nun eine dritte Kehrtwende ab, die vielfältig zwischen den beiden ersten oszilliert und wo beides okay sein kann. Wie siehst Du das: Keep it 100% real oder darfs – wenns denn unterhält und gut gemacht ist – auch mal vollkommen aus der Luft gegriffen und übertrieben sein?

Also im Grunde genommen ist Rap ja auch immer: Sich in Schritt greifen und cool sein. Das gehört einfach dazu und das find ich auch cool – deswegen schreib' ich ja auch teilweise gerne Battleraps oder betreib' Sprücheklopferei, wie zuletzt auf der "John Bello 3".

Aber: Mein eigener Anspruch an die Musik ist halt einfach mehr. Ich will den Leuten was mitgeben, wie Dus eben ja auch schon gesagt hast: Für mich ist Rap ein Sprachrohr. Deswegen rap' ich auf der Single ja auch: "Wo ist der Inhalt hin / das Sprachrohr für die Unterschicht / das Sprachrohr ist noch da / aber der Inhalt ist der Unterschied." Also insofern ist mir wichtig, meine Message rüber zu kriegen – und das Album ist auch gegen Gangster-Rap, gegen Images und soll auch erwachsene Leute ansprechen. Wie vorhin schon angesprochen: Das ist nix für zwölfjährige Kiddies. Die hören sich das Album an und das ist denen dann zu komplex, das ist zu verschachtelt, da können die nix mit anfangen. Das ist echt was für ... ich sag mal ab 16-Jährige sozusagen. Du kannst Dir die Platte aber auch als Mitt-30-Jähriger anhören und trotzdem was für Dich entdecken. Das ist auch mein Anspruch an die Musik.

Aber um auf Deine Frage zu antworten: Es kommt drauf an! Ich hab ja selber auch fiktives Storytelling und das ist für mich dann so was, wie wenn ein Romanschreiber einen Roman schreibt. Aber: Sobald ich etwas Fiktives rappe und es hat diesen ernsthaften Realismus und ich sage, ich bin etwas, das ich nicht bin, da hörts für mich auf. Also wenn ich jetzt behaupten würde, ich wär' ein krasser Drogendealer oder so was und würde das wirklich so ernsthaft verpacken, dann ist das für mich fake. Dann is' es Vanilla Ice.

Beispiel Kollegah: Völlig absurd, was der Mann inhaltlich erzählt, aber unterhaltsam und auch skills-technisch über dem Durchschnitt?

Dafür hab ich zu wenig von ihm gehört. Aber er ist auf jeden Fall ein super Rapper und so. Der hat super Vergleiche und super Punchlines. Aber grundsätzlich ist der Anspruch für mich und meine Musik, vor allem in den deepen Texten, dass es nicht konstruiert sein kann. Zum Beispiel in "Anarchie": Es würde mir fern liegen, ein Liebeslied über eine Frau zu schreiben, wenn es nicht in echt passiert ist. Mein Anspruch ist, dass es echt ist.

Oder zumindest inspiriert von der Realität.

Genau.

"Im Herzen bin ich eigentlich ein Rocker. Ein Gitarrist."

Was mir auch bei diesem Album immer wieder auffällt, sind Deine Referenzen zu Gott bzw. Christus. Wie verhält sich das bei Dir mit dem Glauben? Bist Du ein sehr gläubiger Mensch?

Ja. Ich bin auf jeden Fall gläubiger Christ und praktiziere auch meinen Glauben, aber ich bin jetzt nicht übertrieben religiös oder gehe in die Kirche oder so. Die katholische Kirche ist mir nicht wichtig – was mir wichtig ist, ist der Glaube, das heißt Jesus Christus selber. Ich hab da auch eine coole Gemeinde gefunden, die "City Church" in Andernach, da geh ich oft hin und geb' nen Gottesdienst – aber das sind alles Freikirchen, zu denen ich gehe. Mein Glaube ist mir auf jeden Fall sehr wichtig, ja.

Beim ersten Durchlauf des Albums auf Anhieb hängen geblieben ist mir die Nummer "Vom Anderen Planet": Du beschreibst darin die Frauen nicht nur metaphorisch als Aliens, sondern ganz konkret. Sind für Dich die Mädels echt von einem so ganz anderen Stern?

Ich hab' letztens ein langes Gespräch mit einer Feministin geführt, die meinte Männer und Frauen wären genetisch total gleich – und ich war einfach der Meinung: Nein! Frauen kommen von der Venus und die Männer vom Mars. Sie sind einfach unterschiedlich. Das ist nicht wertend gemeint oder so was, aber wir sind nun mal Männlein und Weiblein und das ist auch gut so. Im Idealfall ergänzen wir uns als Mann und Frau.

Wenn man weiß, dass man unterschiedlich ist, kann man den anderen auch viel besser verstehen. Denn wie oft kommts vor, dass ein Mann sagt "Ich versteh' meine Frau nicht, das kann doch nicht sein" und die Frau sagt: "Ich versteh' meinen Mann nicht, Männer sind Schweine, Männer sind scheiße." Aber wenn man von vornherein weiß: Okay, Frauen können nicht einparken und Männer reden nicht so gerne so viel über ihre Gefühle – wenn man das weiß, kann man aufeinander zugehen und die Unterschiede so ein bisschen abdecken. Und das ist im Prinzip auch ein bisschen die Botschaft von diesem Lied.

Dann ein Thema, über das schon sehr viel gesprochen wurde – dennoch hab auch ich dazu ein paar Fragen: Du arbeitest ja nun schon länger an einem Rockalbum, das Du scheinbar Ende dieses Jahres veröffentlichen willst und ...

... ja. Also, ja, zumindest wird es Ende des Jahres fertig gestellt sein. Und wenn wir bis dahin auch ein Label dafür gefunden haben, dann wirds auch rauskommen. Aber ich denke, wir werden es erst mal fertig machen und dann suchen wir ein Label. Dass es fertig wird bis Ende des Jahres, kann ich versprechen – obs dann wirklich auch schon rauskommt, das weiß ich nicht. Das kommt eben drauf an.

Okay, mich würde interessieren, in welche Richtung das letzten Endes gehen wird: Richtung Ice-T, der als Rapper später mit Body Count zusätzlich eine Rockband auf die Beine gestellt hat, oder eher in die Ecke des deutschen Neunziger-Crossover a la Such A Surge?

Nee, in beide Richtungen nicht. Ich hatte ja schon mal vier Lieder veröffentlicht - in die Richtung wirds aber nicht gehen. Ich wollte damit den Leuten einfach zeigen, woran ich grade arbeite und ihnen Demos zur Verfügung stellen. Die Songs werden auf jeden Fall anders werden. Es wird eigener werden, es wird auf jeden Fall ein autarker Sound sein. Ich experimentiere viel mit Sounds, hab' mir verschiedene vintage Amps und zehn verschiedene Gitarren gekauft, probier' damit rum, und den Sound, den ich gerade im Kopf habe und den ich will, den gabs auch noch nicht. Ob wir das schaffen, werden wir sehen – aber ich hab auf jeden Fall Großes vor, soundtechnisch.

Und der Grund dafür, dass Du das machst? Einfach weil Du mal was anderes ausprobieren willst, oder weil Du keinen Bock mehr auf Rap hast?

Nö, weder noch. Ich mach' das, weil ich Rock'n'Roller bin – weil ich damit aufgewachsen bin. Ich hab, bevor ich Hip Hop gehört hab, Heavy Metal gehört: Ronnie James Dio, der ja vor kurzem gestorben ist, die Dio Band, Black Sabbath oder auch Ozzy Osbourne hab' ich früher als Kiddy gehört und hab' Gitarre gespielt. Erst später, so mit zwölf Jahren, kam dann Public Enemy und so dazu ... also im Herzen bin ich eigentlich ein Rocker. Ein Gitarrist.

Ein Kind der Achtziger. Das bringt mich zur nächsten Frage: Zusammen mit, sagen wir mal: Savas, Azad, Samy und wenigen anderen bildest Du ja – jetzt rein altersmäßig mit 33 – sozusagen die Speerspitze aktiver Deutschrapper, wenn man die Grenzen enger zieht und z.B. die Fantas außen vor lässt. Wie gestaltet sich der Blick nach vorne von dieser Warte aus? Wie lange kann Hip Hop einen aktiv begleiten? Du bist da ja sozusagen Pionier.

Also ich seh meine Zukunft auf jeden Fall im Rock'n'Roll. Das wird jetzt nicht ein einziges Album werden und das war's, sondern das wird meine Zukunft sein. Das werd' ich bestimmt auch machen, bis ich 50 bin. Hab' ich zumindest vor. Ich werde dazwischen auch immer wieder 'ne Hip Hop-Platte machen, weil ich Hip Hop liebe. Ich bin nicht einer, der jetzt ein anderes Musik-Genre bedienen muss, weil er Hip Hop langweilig findet oder weil er, wie Ferris MC, keinen Bock mehr hat und jetzt Elektro macht. Ich liebe Hip Hop und werde weiterhin Rap-Platten machen.

Aber: Ich seh' meine große Zukunft in der Rockmucke – das is' mein Ding. Ich merk' das auch, wenn ich den Leuten in meinem Umfeld die neuen Sachen vorspiel'. Das ist einfach was, das es so in Deutschland noch nicht gab und wo riesiges Potential da ist. Da werd' ich voll reinspringen, in die Kerbe.

Denkst Du, dass einen Punkt gibt, ab dem man als MC altersmäßig nicht mehr wirklich ernst genommen wird in Deutschland?

Das weiß ich nicht. Das muss man rausfinden, ob Hip Hop-Musik genau wie Pop oder Rock'n'Roll funktioniert. Das Problem ist ja: Hip Hop wird in seiner ganzen Außendarstellung extrem als Jugendkultur wahrgenommen, was bedeutet: weite Hosen und Caps. Das is' das Ding. Aber in Amerika emanzipiert sich Hip Hop ja auch – da gibts zum Beispiel Common und Mos Def, die jetzt, was weiß ich, 40 oder so sind und das funktioniert auch. Warum soll das in Deutschland also nicht auch funktionieren?

Wobei die beiden ja sich ja auch stark, je nach Ansicht, "weiter" entwickelt haben. Interessant wäre der Punkt, an dem man den 'klassischen' Rap der nachrückenden Generation überlasst und sich Alternativen sucht. Oder suchen muss.

Machen kannst Dus ja solange Du willst – solange die Musik erfolgreich ist und die Leute das kaufen, kannst du das theoretisch ja machen bis Du 60 bist.

Apropos Pop: Lena hat gerade den Eurovision Song Contest für Deutschland gewonnen. Freut Dich so was oder ist Dir das wurscht? Oder hattest Du vielleicht sogar einen anderen Favoriten?

Ne! Ich freu' mich tierisch für sie – auch von meiner Stelle noch mal herzlichen Glückwunsch! Ich hätte nicht gedacht, dass man Nummer Eins wird, nachdem man da jahrelang auf dem letzten Platz war und so. Aber es ist auch so, dass ich diesen Wettbewerb überhaupt nicht – und auch noch nie – verfolgt habe. Ich habs auch diesmal nur so am Rande mitbekommen. Aber ich gratulier' ihr und ich find' auch, dass sie einen eigenen Style hat – ich finde das Lied süß und sie macht das sehr charmant. Ich find' die cool, die Lena. Ich mag die.

Und Deine Prognose für die Fußball-WM? Wer wird Weltmeister?

Ich hoffe natürlich Deutschland! Aber ich glaube, wir haben es sehr schwer. Also mein Geheimtipp ist die Elfenbeinküste. Dann hab' ich Brasilien auf dem Schirm, und Spanien müssen wir natürlich auf der Karte haben. Aber ich hoffe, dass Deutschland Weltmeister wird. Wobei das mit der jungen Mannschaft natürlich schon ganz schön schwierig werden kann.

Und ohne Kapitän Ballack ...

Ja eben. Ballack is' raus, sehr viele sind verletzt. Schweinsteiger muss da auf jeden Fall sehr viel Verantwortung übernehmen und ich weiß nicht, ob er schon so weit ist. Aber wer weiß ... vielleicht können wir die deutschen Tugenden rauskramen und als Turniermannschaft ein bisschen was reißen. Ich drück' die Daumen und werd' mir auch ein Deutschland-Trikot kaufen.

Gibt's noch was, das Du den laut.de-Lesern mitteilen möchtest?

Ja, ich möchte auf jeden Fall allen danken, die das Album gekauft haben – die Verkaufszahlen sind total super, die Trendcharts sind hervorragend und ich bin in der heutigen Zeit wirklich total dankbar für jeden, der in den Laden rennt und Geld für Musik ausgibt, weil das nicht mehr selbstverständlich ist. Deswegen: Vielen Dank an meine Fans – und das kommt wirklich von Herzen. Ich liebe die alle.

Zum Abschluss: Du meintest letztens, Du hättest in Zukunft wieder mehr Bock auf Freestyles, weil Du gemerkt hast, dass Deine Fähigkeiten auf dem Gebiet doch stark nachgelassen haben. Wie wär's mit einem kurzen Spontan-Freestyle für laut.de?

Boaah! (Lacht.) Nee, Freestyle jetzt bitte nicht! Da muss ich auf jeden Fall erst mal wieder ein bisschen üben. Letztens im Bootcamp mit Savas haben wir gefreestylt und wir haben gemerkt, dass wir da Übung brauchen. Das sollte man jetzt nicht einfach so angehen. Aber früher haben wir sehr viel gefreestylt – ich hab auch sehr viel Talent, aber ohne Übung ist das nix ... Wie bei allem im Leben.

Schönes Schlusswort. Dann wünsch' ich Dir heute Abend einen guten Auftritt, viel Spaß und sag' vielen Dank für das Interview!

Ja! Vielen Dank auch Dir! Bis dann.

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