Die Verfolgung von eDonkey-Nutzern, die meist nur eine Handvoll Songs getauscht haben, hält deutsche Behörden monatelang in Atem.

Köln (joga) - Hat Deutschland keine dringenderen Aufgaben, als einem kleinen, aussterbenden Wirtschaftszweig mit absurdem Aufwand künstlich das Leben zu verlängern? Die Razzia gegen eDonkey-Nutzer in der vergangenen Woche, bei der gleichzeitig 130 Wohnungen durchsucht und über 100 Computer sichergestellt wurden, dürfte ja bereits einige Hundert Beamte in Atem gehalten haben. Doch damit nicht genug: "Die Sache wird uns noch gut vier Monate lang beschäftigen", sagt Kripo-Chef Rainer Kaliske in der heutigen Ausgabe der Kölnischen Rundschau.

Da es im Urheberrecht keine Bagatell-Delikte gibt, muss die Staatsanwaltschaft Strafverfahren gegen alle 3.300 ermittelten Nutzer der Internet-Tauschbörse eDonkey einleiten, ob sie will oder nicht. Offenbar um eine Überlastung der Ermittlungsbehörden zu verhindern, hat man die Verdächtigen in Päckchen aufgeteilt: Woche für Woche gehen derzeit Ermittlungsakten über weitere 200 Beschuldigte an die Kölner Staatsanwaltschaft, die sie schließlich an die Strafverfolgungsbehörden im ganzen Land verteilt.

Da es bei Nutzern mit über 500 getauschten Dateien sofort zur Hausdurchsuchung kam, richten sich die Verfahren, die nun noch ausstehen, gegen Gelegenheitsnutzer, die nur sehr wenige Dateien getauscht haben. Strafrechtliche Konsequenzen haben sie kaum zu befürchten; doch die Medienkonzerne drohen mit Schadensersatzforderungen in geradezu unglaublichen Höhen.

Ein Beispiel für die verrückten Rechenspiele der Labels hat der Hamburger Rechtsanwalt Christian Solmecke gestern im Gespräch mit der Jungle World genannt. Einer seiner Mandanten hatte 4.000 Songs auf seiner Festplatte gespeichert. Für jedes Lied verlangt Pro Media 10.000 Euro Schadensersatz. Solmecke dazu: "Ein Song kostet im legalen Download 99 Cent. Um einen Schaden von 10.000 Euro zu verursachen, müsste man das Lied also 10.000 Mal weiter verbreiten. Mit einer herkömmlichen DSL-Verbindung hätte mein Mandant 142 Jahre gebraucht, um alle 4.000 Songs wirklich so oft weiterzugeben." Derartige Forderungen dienten allein der medienwirksamen Abschreckung, sagt Solmecke.

Dass Musik- und Filmindustrie versuchen, ihre Interessen zu schützen, ist sicher verständlich. Dass die aktuelle Rechtslage die Staatsanwaltschaften zu Erfüllungsgehilfen degradiert, dagegen nicht. Man kann also nur hoffen, dass Justizministerin Zypries noch einmal über die Bagatellklausel nachdenkt, die sie erst kürzlich aus dem neuesten Entwurf zur Urheberrechtsreform gestrichen hat.

Doch offenbar ist der Meinungsbildungsprozess bei der Ministerin noch nicht abgeschlossen: "Einfach gelagerte Fälle mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung dürfen nicht mehr als 50 bis 100 Euro für Abmahnung und Anwalt nach sich ziehen", kritisierte Zypries kürzlich auf dem 57. Deutschen Anwaltstag in Köln Fehlentwicklungen im Abmahnwesen. Das geht doch schon mal in die richtige Richtung ...

Weiterlesen

Noch keine Kommentare