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Konzertreview: Jack White live in Zürich (2)

White und Band muten den Fans vom ersten Akkord an einiges zu: Es lärmt, fiept und quietscht gewaltig, teils leider etwas undifferenziert, der Bass wummert in den tiefen Tonlagen undefinierbar. Der Hauptprotagonist fährt dagegen monumentale Gitarreneffekte auf (z.B. Oktaver). Whites Gitarren und Vocals stehen von der Lautstärke her zwar im Vordergrund. Doch auch seine Mitstreiter spielen, was das Zeug hält: Wer den Backkatalog Whites nicht aus dem Effeff beherrscht, hat es schwer, Songstrukturen jenseits der Refrains nachzuvollziehen. Zuweilen kommt das Gefühl eines improvisierten Jazzrock/Progrock-Konzerts auf.

Ein Hingucker ist auch Drummer Daru Jones, dessen unkonventionelles Set-up in gewisserweise den Abend widerspiegelt: Die Snare, die er oft im Traditional Grip bearbeitet, klemmt quasi wie eine Handtrommel zwischen seinen Beinen. Der Rest des Kits ist recht individuell um ihn herum angeordnet: Aus der Ferne lässt sich der Aufbau nicht so einfach nachvollziehen. Jones springt während des Spiels oder in kurzen Pausen auch auf und verleiht der Performance so noch mehr Dramatik. Langzeit-White-Kollaboratuer Dominic Davis (Bass) hält sich im Hintergrund und Keyboarder Quincy McCrary zeigt eher bescheiden sein Können. Der Chef wechselt dafür auch mal ans Klavier oder den Synthie.

Wer leicht verdauliche Rock-Happen sucht, sollte ein Jack White vielleicht meiden. Doch letztlich macht genau dies seine Klasse aus: sein unangepasstes, unbändig kreatives und vor allem eigenständiges Talent. Das zeigt auch die Setlist, die ein Querschnitt seines Schaffens repräsentiert: Gut die Hälfte der Songs stammt von seinen hochkarätigen Bands, die selbst große Hallen füllten bzw. füllen: die White Stripes, The Raconteurs und Dead Weather. Wie abgezockt und tight Jack White und Band bei aller Lautstärke agieren, merkt man etwa bei "Hi De Ho": Q-Tips Raps kommen vom Band, das Quartett spielt dazu, als stünde er tatsächlich auf der Bühne.

Sieht man besagte Bühne und die Musiker komplett, wird noch klarer, dass Jack White eine genaue Vorstellung davon hat, was er will und wie es aussehen soll. Jeder trägt ein in einem Blauton gehaltenes Kleidungsstück, die links und rechts von White drapierten Vintage-E-Gitarren glitzern blau, die Akustikgitarren sind im 50er-Jahre-Look gehalten. Zwei Kameras fangen das Geschehen auf der Bühne und im Publikum ein und speisen die Bilder, teils mit z.B. in Nagelbrett-Ästhetik verfremdet, in die schicken Visuals ein. Das Third Man-Logo taucht wieder auf, Wasser spielt ein Rolle oder das Cover-Artwork. Und natürlich harmonieren die Visuals farblich mit dem Bühnen-Setup. Überhaupt geht ein Lichtgewitter aufs Publikum nieder, in dem die recht mittig auf der Bühne platzierte weiße Statue zuweilen iriitiert, wirkt sie doch manchmal wie ein fünftes Bandmitglied.

Auf seinen Höhepunkt steuert der Abend gegen Ende des Konzerts zu: Nach dem letzten Song, dem Raconteurs-Knaller "Steady, As She Goes", den die Halle mitsingt, wähnt man sich in einem Fußballstadion, mit der "Seven Nation Army"-Hook wird die Band auf die Bühne zum würdigen Finale zurückgesungen: "Icky Thump", "Whats The Trick" und ganz zum Schluss natürlich "Seven Nation Army" in einer modernisierten, fetten Version. Was soll danach noch kommen? Diesen Song live zu hören von jenem Mann, der ihn tatsächlich geschrieben hat, ist schon besonders. Wer Jack White noch nie live gesehen hat, ist um eine Erfahrung reicher. Wer ihn kennt, hat wohl nicht viel anderes erwartet.

Setlist Zürich:

Taking Me Back
Fear Of The Dawn
Black Math
Love Is Selfish
The White Raven
You Don't Understand Me
We're Going To Be Friends
Blue Orchid
A Martyr For My Love For You
Hi-De-Ho
If I Die Tomorrow
Hotel Yorba
That Black Bat Licorice
I Cut Like A Buffalo
Astro
High Ball Stepper
Lazaretto
A Tip From You To Me
What's Done Is Done
Fell In Love With A Girl
Steady, As She Goes
Icky Thump
What's The Trick?
Seven Nation Army

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