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"Wenn der Wind" Singt vs. "Sunshower"

Das Buch: Haruki Murakami - "Wenn der Wind Singt / Pinball 1973"
Das Album: Taeko Ohnuki - "Sunshower"

Warum passt es?

Haltet mich für eine absolute basic bitch, aber ich liebe Murakami mit jeder Faser meines Körpers. Ich habe jedes einzelne Buch von ihm gelesen, viele davon mehrmals, manche Kurzgeschichten sogar vielfach, und eine extrem wirre Bachelorarbeit über "Mister Aufziehvogel" geschrieben. Er ist der Autor, in dem ich mich immer wieder wiederfinde und mit dem ich wahrscheinlich auch die größte Synthese zwischen Musik und Literatur empfunden habe. Murakami und Taeko Ohnuki verschmelzen atmosphärisch so sehr, es würde mir bizarr vorkommen, nur das eine oder das andere zu sehen.

Die Großartigkeit von Ohnukis "Sunshower" zu umschreiben, habe ich schon in einer Meilenstein-Rezension versucht. Aber mehr als die Einordnung, wo der japanische City Pop der Siebziger herkommt, ist es nun vielleicht wichtig, den emotionalen Impact zu beschreiben. Ohnuki macht Musik, in der Freude und Melancholie, Euphorie und Pessimismus, Geselligkeit und Einsamkeit perfekt Hand in Hand gehen - und Murakami tut dasselbe. Er schreibt Bücher, in denen mich aufzuhalten ich niemals müde werde. Die Darstellungen seiner Protagonisten sind von einer so bittersüßen Monotonie durchzogen, es fängt das Gefühl eines Alltags auf und kann die guten und schlechten Gefühle unbeeindruckt nebeneinanderstellen, als sei es keine große Sache. Sowohl die Musik Ohnukis als auch die Texte Murakamis nehmen den allgegenwärtigen Blues, leugnen ihn nicht, pusten ihn nicht auf, sondern zeichnen ihn mit einem beiläufigen Schulterzucken in die Welt, als sei er auch nur irgendeine weitere Sache unter der Sonne. Deswegen will ich hier auch aus "Wenn Der Wind Singt" vorlesen. Murakamis Erstling könnte von mir aus auch gar keine Story haben. Es ist einfach nur eine Aneinanderreihung von Szenen, nur Sprache, durchtränkt von dieser ganz besonderen Belanglosigkeit, diesem ganz besonderen Licht, das nur er und Ohnuki so auf die Dinge werfen können.

Leseprobe:

Ich wachte vor sechs Uhr morgens auf, weil ich Durst hatte. Wenn ich in einer fremden Wohnung aufwache, komme ich mir immer vor wie in einem fremden Körper, in den man meine Seele mit Gewalt hineingestopft hat. Schließlich fasse ich mich, kletterte aus dem schmalen Bett und trank an dem einfachen Waschbecken an der Tür eimerweise Wasser, wie ein Pferd. Daraufhin ging ich ins Bett zurück.

Durch das geöffnete Fenster konnte man ein Stückchen vom Meer sehen. Die Sonne glitzerte auf den kleinen Wellen, und bei genauerem Hinsehen erkannte ich ein paar rostige Frachtschiffe, die wie gelangweilt vor sich hin dümpelten. Es würde ein heißer Tag. In den umliegenden Häusern war noch alles ruhig. Zu hören waren nur das gelegentliche Rattern eines Zugs und die leise Erkennungsmelodie der Radio-Gymnastik.

Nackt im Bett sitzend, zündete ich mir eine Zigarette an und betrachtete die Frau, die neben mir schlief. Die Sonne schien genau durch das Fenster und beleuchtete ihren ganzen Körper. Sie hatte das Laken bis zu ihren Füßen hinuntergestrampelt und schlief ganz fest. Hin und wieder seufzte sie tief, sodass ihre wohlgeformten Brüste sich hoben und senkten. Ihr Körper war gebräunt, und die sich gegen die bräunliche Haut sonderbar weiß abhebenden Bikinistreifen riefen einen Eindruck von Verwesung hervor.

Als ich zu Ende geraucht hatte, versuchte ich mich zehn Minuten lang an den Namen der Frau zu erinnern - vergeblich. Ich wusste nicht einmal mehr, ob ich ihren Namen überhaupt gekannt hatte. Also gab ich auf, gähnte und wandte meinen Blick wieder ihrem Körper zu.

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