"Random Access Memories" erscheint am 17. Mai. Wir durften das neue Daft Punk-Album für euch vorhören.

Berlin (mma) - "Die Welt braucht keine Dance-Songs, die Welt braucht etwas Neues." Synthiedisco-Pionier Giorgio Moroder baut in einem der vier vorab veröffentlichten "Collaborators"-Videos erwartungsgemäß ein Riesenzelt auf. Schließlich spricht hier eine lebende Musiklegende über den mutmaßlich größten Dance-Act der Welt.

Ob Moroder, der für "Random Access Memories" eigens drei Stunden Audiomaterial einsprach und dem auf dem Album via nach ihm benannten Track gehuldigt wird, zu dick aufträgt? Eine Vorab-Listening Session in einem Kreuzberger Tonstudio soll Aufklärung bringen.

Erste Studio-Sessions liefen "wie auf Autopilot"

Die Vorarbeiten für das erste Studioalbum seit "Human After All" (2005), das war schon vor Monaten durchgesickert, gestalteten sich durchaus schwierig. Routiniert "wie auf Autopilot" habe man zunächst neue, sehr Synthesizer-lastige Songs eingespielt, blicken Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo heute auf die Frühphase des Aufnahmeprozesses zurück.

Drum verwarfen Daft Punk das Material, das teilweise bis ins Jahr 2008 zurückdatiert, und fingen unter neuer Prämisse von vorne an: Dance Music ja, digitale Komposition nein. Statt auf ihre vielbewährte retrofuturistische Mischung aus Synthesizer-Melodien und Vocoder-Vocals zu vertrauen, lud das robotische Duo jede Menge Musiker ins Studio.

Zeitreise in die Frühphase elektronischer Musik

Nach dem Radiomotto "Das Beste der 70er, 80er und von heute" reisen Daft Punk also in die Frühphase elektronischer Musik zurück, um sie mit Live-Instrumenten und Gastsängern neu zu beleben: Chic-Frontmann Nile Rodgers, Nathan East von der amerikanischen Jazzcombo Fourplay und der Oscar-prämierte Songwriter Paul Williams als Repräsentanten vor allem der 70er- bis 80er-Jahre, einer Ära, die Daft Punk heute als die für sie anziehendste bezeichnen. Pharrell Williams, Julian Casablancas und Chilly Gonzales als Stellvertreter einer jüngeren, wenn auch nicht jungen Musikergeneration.

Resultat ist - soweit sich das nach einem Hördurchgang beurteilen lässt - ein ziemlich weitläufiger Vintage-Rundumschlag. In über 74 Minuten Spielzeit verzichten Bangalter und de Homem-Christo beinahe vollständig auf Samples. Ihr French House geht zu großen Teilen in Retro-Disco, Funk, Proto-Electronica und Progressive Rock auf.

Gigantomanie, wie wir es von den Franzosen lieben

So eröffnet "Give Life Back To Music" sehr deduktiv und stellt klar, dass es auf dem vierten Album um nicht weniger als die "Music of your life" geht. Ein Balearic Vibe fließt über in funky Passagen mit gedämpften Gitarrensaiten, schließlich in fast glamrockigen Bombast - eine Gigantomanie, wie wir es von den Franzosen lieben.

"The Game Of Love" bietet danach den klassischen Daft Punk-Vocoder-Gesang im Semiballadenformat, bevor Giorgio himself neun Minuten lang aus dem Nähkästchen plaudert: "Ich stand auf Musik, seit ich 15, 16 war", erklärt der, und "ich wollte seinerzeit ein Album schaffen, das die 60er, 70er und die Zukunft enthält". Spätestens als das Streichercrescendo im Hintergrund zu vollem Effekt anschwillt, ist klar, dass Moroder hier parallel auch die Geschichte von "Random Access Memories" erzählt.

Progrock-Suite à la Queen und Mars Volta

Die beiden Discofunk-Songs mit Pharrell-Beteiligung sind hingegen letztlich genau das: typisch eingängige Pharrell-Nummern, die mehr oder minder schon auf dem letzten, 70s-inspirierten N.E.R.D-Album Platz gefunden hätten (auf dem Daft Punk ebenfalls gastierten). Die Franzosen wehren sich jedoch gegen ein zu eindeutig am Funk ausgerichtetes Soundbild und brechen den Sound immer wieder auf.

Etwa mit der epischen Progrock-Suite "Touch", in der Queen und die seligen Mars Volta zusammenfinden, oder im einzigen rein elektronischen Track "Doin' It Right". Darin singt Panda Bear, mit 24 Jahren im Übrigen jüngster Partizipant dieser Best Of-Riege, ohne zur Albumidee entscheidend beitragen zu können. Mit dem abschließenden "Contact" ziehen Daft Punk noch einmal alle Space Opera-Register und lassen uns via Sprachsamples aus der historischen Apollo 17-Mission wissen, dass die frankophonen Roboter mal wieder die Erde verlassen haben.

Für wie lange diesmal, bleibt vorläufig genauso wie die Frage offen, ob der musikhistorische Rückgriff aufs analoge Zeitalter der Tanzmusik der Gegenwart auf Dauer genügt. "Neu" im Sinne von innovativ ist dieser Sound nicht - interessant und Daft Punk-gemäß größenwahnsinnig allerdings mit Sicherheit.

Fotos

Daft Punk

Daft Punk,  | © EMI/Daft Arts (Fotograf: ) Daft Punk,  | © EMI/Daft Arts (Fotograf: ) Daft Punk,  | © EMI/Daft Live Ltd. (Fotograf: ) Daft Punk,  | © EMI/Daft Live Ltd. (Fotograf: ) Daft Punk,  | © EMI/Daft Arts (Fotograf: ) Daft Punk,  | © EMI/Daft Arts (Fotograf: ) Daft Punk,  | © EMI/Daft Arts (Fotograf: ) Daft Punk,  | © EMI/Daft Live Ltd. (Fotograf: )

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32 Kommentare

  • Vor 10 Jahren

    Wer Alive 2007 hat, der braucht eigentlich kein weiteres Album von denen. Trotzdem hab ich sicherheitshalber schon mal vorbestellt.

  • Vor 10 Jahren

    Hat mich überrascht, dass sie ohne Samples inzwischen einen ganz ähnlichen Sound hinbekommen wie damals auf der Discovery. Irgendwie fehlt der neuen Single trotzdem ein echter Aufhänger; man braucht nur mal Face to Face zum Vergleich danebenzustellen.

  • Vor 10 Jahren

    Hat mich überrascht, dass sie ohne Samples inzwischen einen ganz ähnlichen Sound hinbekommen wie damals auf der Discovery. Irgendwie fehlt der neuen Single trotzdem ein echter Aufhänger; man braucht nur mal Face to Face zum Vergleich danebenzustellen.