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Platz 4: Marvin Gaye - What's Going On

"What's Going On?" passte eigentlich gar nicht ins Portfolio von Motown, die für leicht konsumierbare Unterhaltungsmusik standen. Ohne Marvin Gayes Halsstarrigkeit wäre das Album vermutlich auch nie erschienen. Labelboss Berry Gordy jedenfalls bezeichnete den Titeltrack als die schlechteste Nummer, die er je gehört habe.

Marvin Gaye allerdings zeigte sich kein Stück gewillt, sich dem Druck seiner Plattenfirma zu beugen und etwas Eingängigeres aufzunehmen. Seine Freundin und Duettpartnerin Tammi Terrell war gerade gestorben, seine Ehe bröckelte, Alkohol- und Drogenabhängigkeit hinterließen ihre Spuren, das Verhältnis zu seinem Vater: zeitlebens angespannt. Dazu kamen noch die verstörenden Berichte seines Bruders Frankie, der im Vietnamkrieg diente: "Drei-Minuten-Songs zu singen, in denen sich 'moon' auf 'June' reimt, interessierte mich einfach nicht."

Was für Marvin Gaye Fluch war, entpuppte sich für das Genre als ein Segen. Musikalisch wie inhaltlich sprengte "What's Going On?" Grenzen. Gaye integrierte Klassik, Jazz und lateinamerikanische Klänge in den Sound und erweitert das bisher auf Liebe, Sex und Zärtlichkeit begrenzte Themenrepertoire um Politik, Sozial- und Gesellschaftskritik. Das erste Konzeptalbum eines schwarzen Künstlers: in vielerlei Hinsicht eine Revolution.

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