Eine Haltungsdemonstration soll es sein, kein Boykott: Estland erwägt, aus politischen Gründen nicht am nächsten Eurovision Song Contest in Moskau teilzunehmen.

Tallinn (loc) - Da der nächste Eurovision Song Contest im Mai 2009 in Moskau ausgetragen wird, denkt man in Estland laut darüber nach, den Wettbewerb zu boykottieren. Grund dafür ist die russische Georgienpolitik, so der estländische Rundfunkchef Magnus Allikmaa.

Auch die anderen baltischen Länder Lettland und Litauen sollten in seinen Augen den Song Contest boykottieren. Die estländische Kulturministerin Laine Janes bezeichnete einen möglichen Boykott der ehemaligen Sowjetrepubliken als "Geste der Solidarität" mit Georgien.

Allikmaa wünscht sich laut der baltischen Nachrichtenagentur BNS eine öffentliche Debatte über eine mögliche Absage. Er sehe eine solche Entscheidung nicht direkt als Boykott an, sondern lediglich als "Haltungsdemonstration" zu den jüngsten russischen Kampfeinsätzen in Georgien.

"Geste der Solidarität"

Er könne sich zudem auch eine Alternativ-Veranstaltung zum Song Contest in Estland vorstellen, erklärte Allikmaa weiter. Kulturministerin Janes zeigt sich dagegen diplomatisch und spielt auf Zeit. Sie plädiert zunächst für eine Beratung mit den Verantwortlichen des estnischen Rundfunks und den betroffenen Musikern.

Der Rundfunk-Vorsitzende drängt jedoch auf eine schnelle Entscheidung, da die Musiker bald mit den Vorbereitungen beginnen müssten. Nach dem Sieg von Dima Bilan in Belgrad in diesem Jahr ging der Ausrichtungsort des Grand Prix' 2009 an Russland.

Weiterlesen

Grand Prix 2008 Die Gründe für die Pleite

Plötzlich wollen alle wissen, warum die No Angels in Belgrad scheitern MUSSTEN. Verantwortlich sei vor allem das mangelnde Interesse deutscher Musikfirmen am europäischen Wettbewerb.

64 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Was für ein Schwachsinn. Aber was soll man von Estland auch halten, die reagieren selten rational und adäquat. Natürlich können die sich den Contest in Estland vorstellen...was für Vollidioten.

  • Vor 15 Jahren

    Was Russland mit Georgien macht, dass ist absolut inakzeptabel. Irgendwie muss man diesem Land zeigen, dass es so nicht weiter geht. Ob allerdings eine Boykottierung des Grandprix die Lösung ist? Man könnte ein solches Ereignes auch nutzen, um sich wieder näher zu kommen.

  • Vor 15 Jahren

    Ja Georgien wollte zurückerobern. Auch nicht richtig, doch wie Russland dann reagiert hat, dass war mehr als abartig. Georgien ist hier auf keinsten Fall die arme Opferrolle, denn die steht den Zivilisten zu, die unter der Situation leiden müssen.

  • Vor 15 Jahren

    @maomoondog («
    Mir fehlen hier völlig die nachvollziehbaren Anhaltspunkte des von dir beschriebenen Verbrechens an der russischen Migrantenkultur im Baltikum. »):

    Wo habe ich denn etwas von "Verbrechen" geschrieben??? Ich habe eher den Eindruck eines moderaten, teils skandinavisch-sozialdemokratisch geprägten National-Konservativismus. Nur muss man sich immer vor Augen halten, dass es von diesem Leitkultur-Ideal nur ein kleiner Schritt zum Ethnopluralismus - dem "Konzept der Neuen Rechten, das für die kulturelle Homogenisierung von (Staats-)Gemeinschaften eintritt" - ist. So wundert es einen auch nicht, wenn ein Artikel in der "rechtsintellektuellen" (ich habe heute meinen freundlichen Tag :) ) Zeitung "Junge Freiheit" gerade das Baltikum als Paradebeispiel für diese Thesen herausgreift:
    @Dr. Carl Gustaf Ströhm («
    Ein besonderes Beispiel sind die baltischen Nationen, die Esten, Letten und Litauer. Besonders für die Esten stellte das "russische Problem" eine schwere Belastung dar. Fast ein halbes Jahrhundert waren die Russen als Sowjetmenschen unter dem roten Stern und Hammer und Sichel die unbeschränkten Herren des Baltikums. Den baltischen Nationen wurde von außen eine "fremde" Leitkultur aufgepropft.
    ...
    Wenn man so will, insistierten die Esten – um bei diesem Beispiel zu bleiben, aber die Letten und Litauer unterscheiden sich davon nicht prinzipiell – auf ihrer "estnischen Leitkultur", die geprägt ist von mindestens 700jähriger Zugehörigkeit zum skandinavisch-norddeutsch-hanseatischen Kulturkreis. Jeder Stein, jedes Denkmal, jedes Dokument und Bauwerk, welches bezeugen konnte, daß Estland (respektive Lettland oder Litauen) nicht zum ostslawischen, russischen, orthodoxen Bereich – sondern zum Westen, zum "germanisch-römisch Rechtssystem" gehörte, wurde sorgsam gepflegt, ausgegraben, wiederhergestellt. Sogar die großen deutschen Soldatenfriedhöfe westlich der Grenzstadt Narva wurden wiederhergestellt (nachdem sie unter den Sowjets plattgewalzt worden waren), um diese "westliche" Verbindung Estlands zu unterstreichen. »):

    Ich werde das Forum nicht mit der Web-Adresse dieses Schmierblatts besudeln, aber der Artikel ist natürlich in Gänze online nachlesbar. Doch sind bereits in diesem Auszug die nur notdürftig von ziviler Sprachrhetorik verhüllten völkischen Elementen leicht auszumachen.

    Die entscheidende, unbeantwortete Frage für mich bleibt weiterhin, was für die nächste Generation an einem solchen Gesellschaftsbild attraktiv sein kann.

  • Vor 15 Jahren

    @Kukuruz: Eine interessante Sichtweise, aber eben die des JF-Autors und vielleicht auch etwas selektiv. Denn das Verhältnis der Esten speziell zum (nord-)deutschen Kulturkreis ist ein keineswegs so ungetrübtes und verklärtes, wie es die Wiedererrichtung eines Soldatenfriedhofs andeuten könnte. Bis auf den heutigen Tag feiert man beispielsweise den 3. Juli als Siegestag im Gedenken an den Erfolg über die deutschbaltische Landeswehr 1919 und Nationalmythen wie die des estnische Freiheitskämpfer Lembitu sehen die 'Deutschen' zuweilen als jahrhundertelange Unterdrücker.

    Das hanseatische Erbe Estlands und spezielle Tallinns spielt darüberhinaus eine touristisch verwertbare Rolle, während sich mit sozialistischen Plattenbauten und anderen Relikten keine ausländischen Devisen anlocken lassen. Dagegen erstrahlt noch heute die russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale als eine der herausragendsten Sehenswürdigkeiten der Altstadt in altem Glanz und ist weit davon entfernt, wie noch in den 20ern angedacht, abgerissen zu werden. Man denkt in Estland also mitnichten nur in nationalistischen/anti-russischen Kategorien, wie es Dr. Carl Gustaf Ströhm gerne sieht!