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Die Wahrheit ist zu hässlich

Leicht möglich, dass Dee Barnes das anders sieht. Die Rapperin und ehemalige Hip Hop-Journalistin erzählt in einem langen, von vorne bis hinten äußerst lesenswerten Essay bei Gawker, was sie an "Straight Outta Compton" vermisst: doch wenigstens eine randständige Erwähnung des Umstands, wie staight inna Compton mit Frauen umgegangen wurde.

Barnes erfuhr das am eigenen Leib: Sie führte 1990 ein Interview, das die Trennung von Ice Cube von N.W.A. thematisierte und Dr. Dre offenbar dermaßen missfiel, dass er die Journalistin in der Folge zusammenschlug. Ein aktenkundiger Zwischenfall, den er keineswegs bestreitet: "Die Leute reden viel Scheiße, aber weißt du: Wenn mich jemand fickt, fick ich ihn. Ja, ich habs gemacht, und darüber reden ändert daran auch nichts mehr. Es war übrigens keine große Sache, ich hab' sie bloß durch eine Tür geschmissen."

Ach, so. Na, dann ... Alter! Aus der Perspektive des Opfers sieht "keine große Sache" so aus: "Diese Nacht hat mein Leben verändert. Ich leide seitdem an entsetzlicher Migräne, das hat unmittelbar nach der Attacke angefangen. Ich liebe Dres Song 'Keep Their Heads Ringin', er hat eine ganz besondere Bedeutung für mich. Wenn ich Migräne habe, klingelt mir der Kopf und es tut immer genau an der Stelle weh, wo er meinen Kopf gegen die Wand geschmettert hat. Die Leute werfen mir vor, ich klammere mich an der Vergangenheit fest, das stimmt nicht. Ich habe ein Souvenir, das ich nie haben wollte. Die Vergangenheit klammert sich an mich."

Auch ihre Karriere konnte sie nach dem Vorfall in die Tonne treten: "Die Leute fragen mich: 'Wie kommt es, dass du nicht mehr im Fernsehen zu sehen bist?' Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Ich bin auf der schwarzen Liste gelandet. Niemand wollte mehr mit mir arbeiten. Sie wollten ihr Verhältnis zu Dr. Dre nicht aufs Spiel setzen. Manche haben mir das direkt gesagt, manche durch die Blume."

Dee Barnes zog gegen Dr. Dre vor Gericht und "gewann". Allerdings nicht, wie mancher vermutet, Unsummen, sondern nur eine nicht nur angesichts ihrer Schilderungen (und Dres Vermögen) lächerliche Schadenersatzzahlung von zweieinhalbtausend Dollar.

"'Straight Outta Compton' zeigt davon nichts. Ich finde auch nicht, dass der Film das sollte. Die Wahrheit ist zu hässlich für ein Normalo-Publikum. Ich wollte auch nicht sehen, wie eine Verkörperung meiner selbst zusammengeschlagen wird. Genauso wenig wollte ich sehen, wie eine Verkörperung von Dr. Dre Michel'le zusammenschlägt, seine Ex-Freundin, die ihre Beziehung mit Dre auf diesen Nenner bringt: 'Ich war nur das stille Mäuschen, das verdroschen wurde und dem man befohlen hat, sich hinzusetzen und die Klappe zu halten.' Aber was hätte zur Sprache kommen sollen, ist der Umstand, dass solche Dinge passiert sind."

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2 Kommentare

  • Vor 8 Jahren

    gawker ist jetzt nicht für qualitätsjournalismus bekannt

  • Vor 8 Jahren

    Der Essay ist tatsächlich lesenswert, man braucht sich als Unbeteiligter allerdings 25 Jahre später eigentlich nicht mehr groß zu ereifern, würde ich mal meinen. Dazu ist doch längst alles gesagt bzw. geschrieben worden und Dre hat das jetzt auch nicht totschweigen lassen (Eminem-Zitat aus "Guily Conscience": "You gonna take advice from somebody who slapped Dee Barnes?").

    Denke auch, dass der Film trotz solcher Aussparungen endlich mal ein wirklich gelungenes Hip-Hop-Biopic werden kann. Der Trailer war stark und die Kritiken lassen eigentlich nur Gutes erwarten (volle Punktzahl bei rogerebert.com z.B.). Außerdem soll es wohl auch einen Director's Cut geben, wo diese und andere Vorfälle ja vielleicht doch noch entsprechend behandelt und die Charaktere vertieft werden. Bin vor allem auf die Darstellung von Eazy-E gespannt. Außerdem finde ich es ja immer noch geil, dass Hafti für die deutschen Untertitel der Raps verantwortlich ist. :D