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Prezident: Fleabag als Mann

Mal ganz ehrlich, Sachen wie: "Ein autonomer Schrebergarten / Ein Dackelzuchtverein heilsamer Prinzipien" oder "Er träumt vom edlen Wilden / Von der Güte dunkler Menschen aus entfernteren Gefilden / Vom Gegenteil des kleinkarierten dunkeldeutschen Scheißvolks / Die schlimmsten Herrenmenschen, die die keine sein wollen", das ist doch alles wirklich keine Kritik von rechts. Das könnten so moderne Linke sagen. Es ist vor allem erst einmal hammerlustig und ziemlich ins Schwarze getroffen. Und es hat wehgetan, weil sich so viele Leute damals mit diesen Ideen das erste Mal selbst aus dem bequemen Zynismus aufgerafft haben, nur, damit dieser dämliche Wichser ihnen aus derselben Hängematte heraus Beinchen stellt, in der sie gerade noch lagen.

Wenn ich also aus heutiger Perspektive Kritik an "Du Hast Mich Schon Verstanden" äußern würde, dann (abgesehen von dem unnötig edgy Verwenden von "Tunten" und "Fotzen") vor allem die, dass seine Kritik nicht von rechts kommt, sondern von nirgendwo. Prezident kritisiert Leute, die es im Grunde ihres Herzens gut gemeint haben, ohne besseren Gegenentwurf, ohne bessere Ideologie, ohne konstruktiven Ansatz. Gewissermaßen macht er es sich damit leicht, weil er selbst nicht liefern muss. Würde er zustimmen, dass irgendetwas in der Welt ziemlich daneben läuft? Bestimmt. Aber er macht selbst keinen Finger krumm, etwas dagegen zu unternehmen. Er steht mit Bierflasche am Straßenrand und ruft Joggern gute Ratschläge zu. Oder, wie Kollegin Dani das damals schon sehr richtig beschrieben hat:

"Er lässt sein Auditorium vielmehr unentwegt wissen, für wie retardiert, seiner unwürdig und zu theoretischer Debatte unbefähigt er alle anderen hält. Tja, it's lonely, auch at the intellectual top, scheint mir. Mitleid kommt trotzdem keins auf. Auf sein hohes Ross hat sich Prezident ja schließlich selbst gesetzt, um von oben herab in alle Richtungen auszuteilen."

Gefolgt von der nicht weniger richtigen Einschätzung:

"Es ändert nichts daran, dass mir der Versuch, es wenigstens zu probieren, wertvoller erscheint, als miesepetrig am Rand zu stehen und nichts zu tun als das Engagement der Engagierten schlechtzureden. Die wirklich Engagierten halten den Miesepeter aus, da mach' ich mir wenig Sorgen."

Ich will wirklich nicht an die Zeit zurückdenken, als all die Interviews und YouTube-Kommentare gerade aktuell werden, es gibt definitiv auch Takes, die damals wie heute Bullshit waren. Ich hoffe zumindest, Prezident würde #MeToo heute nicht mehr als Kollektiv-Psychose empfinden. Trotzdem macht das viele Kritikpunkte und Punchlines auf diesem Album nicht weniger beißend oder korrekt. "Auch Vice-Emanzen feiern an sich gerne, was auf menschenfeindlich macht / Also politisch korrekt hassende Menschenfeinde ab" oder "Man nimmt jede Form von Unterdrückung hin solang die unterdrückten Massen rassisch gut durchmischt sind-links / Und verbeamtete Emanzen sind zufrieden / Solang' Frauen gleichberechtigt an der Rampe selektieren". Liebe ich diesen Ton? Nicht unbedingt, und ich verstehe jeden Vergangenheits-Yannik und Vergangenheits-form/prim, denen bei "Emanzen" als Feindbild die Alarmglocken geläutet haben. Jesses, war das edgy. Aber im Grunde hatte Prezident Recht: Beide Lines sind valide Kritik an einer Linken, die unter symbolhafter Repräsentationspolitik strukturelle Änderung und Themen wie Klassismus völlig verloren gehen lässt.

Nur kommt die Kritik eben von diesem Typen, der mit seiner selbstherrlichen Besserwisser-Attitüde nicht hinter dem Berg hält. Und doch würde ich irgendwie im Rückblick sagen: Der Miesepeter hat mit "Du Hast Mich Schon Verstanden" trotzdem schlicht ein verdammt gutes Album gemacht. Sein Genörgel steht ja nicht im luftleeren Raum, auf "Absurd" oder "Pissen In Den Ozean" gibt es dann jeweils musikalisch brutal endzeitlich klingende Abrechnungen mit allem, das er selbst je als Lebenssinn verstanden haben könnte. Prezidents Nihilismus war nie selektiv, sondern macht auch vor sich selbst nicht Halt. Im Grunde fühlt das Tape sich deswegen wie eine logische Weiterführung seiner Arbeit an. Ekel Alfred schubste weiter heilige Kühe, geleitet nur davon, wo Leute sich angemaßt haben, gerade ein bisschen zu viel Sinn im Leben zu sehen. Ist das konstruktiv und hilfreich? Nicht die Bohne. Hat es aber auch nie zu sein behauptet.

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3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor einem Jahr

    Ich glaube bis heute, dass dieses Album in den nächsten Jahrzehnten einen großen Teil literarischer Forschung im Hip-Hop ausmachen wird. Nicht "Stadtaffe", nicht "XOXO", sondern genau das. Eben weil es inhaltlich als auch sprachlich an vielen Stellen viel abverlangt.

  • Vor einem Jahr

    Habs soundtechnisch nich so gemocht, und cover richtig madig. Aber die extra meile lieb ich bis heute, bissig

    • Vor einem Jahr

      Gerade den Sound fand ich richtig geil. Du hast mich schon verstanden ist ein wahnsinnig geiler Beat. Ich finds nach wie vor witzig, dass 90% der Aufregung durch die Interviews kam und sich fast ausschließlich auf Metoo konzentriert hat. Dazu gibts dann auf dem Album genau eine Line.
      Ich höre es nicht oft, aber gibt kaum einen besseren Soundtrack, wenn man mal wieder einer zu hohen Dosis Berlin Mitte ausgesetzt war.

  • Vor einem Jahr

    Auch wenn ich frühere Tracks wie "Menschenpyramiden" für wirklich unfassbar geniale Geniestreiche halte: dieses Album war und ist für mich weder rechts, noch provokant oder edgy, sondern in seinem selbtsgefälligen Zynismus einfach nur Studentenrap in seiner aller beschissensten - weil brunzlangweiligen - Form.